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Rom sehen und lernen

Es wird einen großen Farbsee geben. Man muss sich das vorstellen wie aus einem großen Bottich eine Art Honigfarbe ausgegossen wird, die sich gleichmäßig auf dem Boden verteilt und dann zu einer glänzenden, harten Masse erstarrt. Einen Farbsee wird es geben, wie das, was

Thomas Migge | 02.12.2003
    sie dort sehen.

    Rainer Splitt zeigt auf eine Art Teppich, der wie ein großer schwarzer Fleck aussieht. Der 1963 im niedersächsischen Celle geborene Künstler hat sich seit einiger Zeit auf so genannte Bodengüsse spezialisiert. Das sind in-situ-Arbeiten: die Farbe wird ausgekippt und sucht sich ihren eigenen Weg. Das Resultat sind Farbflecke - oder auch Farbseen, wie Splitt sie bei der Ausstellung in der römischen Villa Massimo in seinem Atelier zeigt. Splitt ist einer der Künstler, die nach der langen Schließung und Restaurierung der deutschen Kulturakademie in der italienischen Hauptstadt in den Genuss eines einjährigen Stipendiums kamen. Das Jahr ist fast vorbei, im Dezember geht es wieder Richtung Deutschland zurück. Grund genug, dachte sich Akademiedirektor Jürgen Blüher, einige Arbeiten der Maler und Musiker, der Schriftsteller und Fotografen auszustellen. Von Künstlern, erklärt Blüher, die ein Jahr lang die Möglichkeit hatten, sich von Rom inspirieren zu lassen:

    10 Ateliers werden geöffnet. Jeder Künstler wird in der Lage sein, in den 90 qm, die ihm zustehen, in denen er gearbeitet hat, fast ein Jahr, das zu zeigen, völlig unkontaminiert, völlig unbeeinflusst, was er zeigen möchte. Das kann etwas sein, was ihn hierher begleitet hat, das kann etwas sein, was hier entstanden ist.

    Neben Splitt zeigen Imke Woelk und Stefan Streich, Silke Schatz, Volkhard Kempter, Thomas Demand, Johannes Kalitzke, Leni Hoffmann und Roland Boden ihre Werke. Thomas Kunst liest aus Texten, die er in Rom schrieb und der Fotograf Matthias Hoch zeigt laufende Bilder, die in Rom entstanden sind. Hoch ist einer der wenigen Stipendiaten, die bei ihren langen Streifzügen durch die uralte Stadt für sich ein vollkommen neues künstlerisches Medium entdeckt haben. Der Fotograf hat in Rom erkannt, dass er mit seiner bisherigen Bildsprache die römische Realität nicht einfangen konnte:

    Ich habe Videofilme gedreht und bin gerade dabei, meinen ersten Film zu schneiden. Ich war an einem Punkt, wo ich mir dachte, meine Bilder frieren ja Situation ein, haben schon die Anmutung von sehr klaren und menschenleeren Situationen. Irgendwann im Sommer dachte, das kann so nicht mehr weitergehen, ich kriege hier meine Bildästhetik nicht auf den Punkt. In Holland, in Belgien, in Deutschland kann ich sie verwirklichen aber hier in diesem chaotischen Rom versuche ich Mal etwas anderes und versuche die Bewegung und das Chaos rüberzubringen.

    Auch Rainer Splitt braucht auf die Frage, ob der Aufenthalt in Rom sein Schaffen beeinflusst hat, nicht lange nachdenken:

    Ich war vorher in New York und für mich was das biographisch ein angenehmer Wechsel. Es ist sehr angenehm. Ich konnte in Ruhe die letzte Publikation vorbereiten. Die Auseinandersetzung mit dem ganzen Barock, die für mich eine neue Situation ist, hat für mich ein anderes Nachdenken über Raum mitgebracht. Das ist ein Prozess, derangestoßen ist.

    Ähnlich denken auch andere Stipendiaten des ersten Jahrgangs der neuen Villa Massimo. Prozesse werden angestoßen und den Künstlern Zeit gegeben, sich einfach nur entwickeln zu können - ohne Druck, am Ende ihres Stipendiats in Rom irgend etwas vorlegen zu müssen. Ein wahres Künstlerparadies auf Erden - doch nicht wenige stellen sich die Frage, ob die spätromantische Idee,
    Künstler nach Italien zu schicken, damit sie sich dort künstlerisch befruchten lassen, nicht doch ein wenig anachronistisch ist. Akademiedirektor Joachim Blüher sieht das anders:

    Der Einfluss wird auf jeden Fall da sein, denn der Aufenthalt ist ein besonderer. Die Stadt ist eine besondere. Ich sehe bei manchen Künstlern oder ich höre es zumindest aus Gesprächen, dass sie in Rom viel gearbeitet haben. Auf eine direkt Art und Weise wird manches Eingang finden, aber ich glaube noch viel mehr wird in einer gewissen Zeit etwas zu beobachten sein.