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Roma fliehen vor der Armut in Rumänien

Die Lebensbedingungen von Roma in Rumänien sind sehr schlecht. Im Dorf Apoldu de Sus geben Roma-Familien Einblick in ihr notdürftiges Leben und reden darüber, warum sie regelmäßig nach Deutschland oder Frankreich zum Arbeiten fahren.

Von Ralf Borchard |
    Neli Moc mit ihrer Tochter und Enkelkind Sebi in der Küche ihres kleinen Hauses im rumänischen Dorf Apoldu de Sus.
    Neli Moc mit ihrer Tochter und Enkelkind Sebi in der Küche ihres kleinen Hauses im rumänischen Dorf Apoldu de Sus. (Ralf Borchert)
    Neli Moc ist ein Beispiel dafür, dass die meisten Rumänen, auch die aus ärmsten Verhältnissen, ganz legal zum Arbeiten nach Deutschland kommen so lange sich die Verhältnisse in Rumänien nicht verbessern, werden sie immer wieder versuchen, nach Deutschland oder Frankreich zu kommen, ob als Erntehelfer, oder in der Hoffnung auf kostenlose Arztbesuche oder Rückkehrprämien.

    Das Dorf Apoldu de Sus liegt an der Landstraße bei Hermannstadt im rumänischen Siebenbürgen. Neli Moc hält ein paar Hühner hinter dem kleinen Haus am Ende der Straße, in der die meisten Roma-Familien wohnen.

    Sie teilt eineinhalb Zimmer mit Tochter, Schwiegersohn und Enkelkind. Von hier startet sie jedes Jahr für gut zwei Monate nach Deutschland, um als Erntehelferin zu arbeiten:

    Neli Moc:
    "Wir ernten zum Beispiel Zwiebeln und Salat."

    Erzählt sie. Auf die Frage, wo genau in Deutschland, blickt sie beschämt zu Boden. Sie weiß es nicht.

    Der Bus des Arbeitsvermittlers holt sie und einige Nachbarn hier im Dorf ab, nach langer Fahrt landen sie irgendwo bei einem deutschen Landwirt, leben zu acht in einer Baracke mit Gemeinschaftsbad und -küche in der Nähe der Felder, wie sie sagt, von der Umgebung kriegen sie nichts zu sehen.

    Neli Moc:

    "Es ist gut dort."

    Betont Neli Moc aber. Das Entscheidende ist: Sie kommt mit rund 2000 Euro zurück, ein kleines Vermögen im Vergleich zu den 25 Euro Sozialhilfe im Monat, die man hier in Rumänien pro Kopf bekommt. Mit dem Geld aus Deutschland kann sie ihr Haus in Schuss halten und kommt den Rest des Jahres einigermaßen über die Runden.

    Neli Moc:

    "Es ist immer eine große Freude, wenn ich hinfahren kann."

    Sagt sie, auch wenn sie dann die Familie vermisst, wie damals, vor 14 Jahren, als sie begann, in Polen und Ungarn zu arbeiten, für deutlich länger als zwei Monate am Stück, und kaum mitbekam, wie zu Hause die Kinder groß wurden. Das einzige Risiko sind noch heute die Arbeitsvermittler, 300 Euro verlangen sie im Voraus für Hin- und Rückfahrt nach Deutschland, bis zu 200 Euro für den Arbeitsvertrag. Einmal ließ sie der Vermittler einfach sitzen, das Geld war verloren.

    Neli Moc ist ein Beispiel dafür, dass die meisten Rumänen, auch die aus ärmsten Verhältnissen, ganz legal zum Arbeiten nach Deutschland kommen. Anders die Familie Grozav ein paar Häuser weiter:

    Das Traumziel von Familienoberhaupt Mihaela Grozav heißt Frankreich. Vergangenen August waren sie zu zuletzt dort, zu siebt, mit Kindern und Enkeln, in Paris. Ihre Tochter ist dort verheiratet und hatte erzählt, dass Frankreich 300 Euro Rückkehrprämie zahlt. Der Schwiegersohn hat eine Wohnung in einem leer stehenden Haus besorgt.

    Mihaela Grozav:
    "Wegen Arbeit sind wir nicht direkt hingegangen. Nun gut, ein bisschen Alteisen haben wir gesammelt, aber sonst sind wir einfach ein paar Wochen geblieben und dann mit den Prämien zurück. Die Franzosen sind sehr gute Menschen, die Polizei ist gekommen und hat uns überhaupt nichts getan, das Bürgermeisteramt hat uns Essen gebracht, meine Enkelin, die eine Augenkrankheit hat, konnte kostenlos zum Arzt, das ist hier in Rumänien unmöglich. Und dann sagen sie Dir in Paris die Abflugzeit, und jeder Erwachsene bekommt am Flughafen 300 Euro Rückkehrgeld, jedes Kind 100. Hier in Rumänien ist es sehr, sehr schwer, keine Arbeit, große Armut."

    Damit wird eines klar bei den Roma-Familien in Apoldu de Sus. Solange sich die Verhältnisse in Rumänien nicht verbessern, werden sie immer wieder versuchen, nach Deutschland oder Frankreich zu kommen, ob als Erntehelfer, oder in der Hoffnung auf kostenlose Arztbesuche oder Rückkehrprämien.

    Neli Moc:
    "Wenn Gott mir hilft, werde ich nächstes Jahr wieder nach Deutschland gehen, hier reicht es hinten und vorne nicht."

    "Sobald wir wieder Geld für die Fahrt haben und mein Schwiegersohn eine leer stehend Wohnung findet, gehen wir wieder nach Paris,"

    Sagt Mihaela Grozav zum Abschied. Ihre Kinder und Enkel stimmen im Chor zu.