La Courneuve im Norden von Paris: Zwischen Autobahn, S-Bahn-Trasse und Recyclingfirma ist mit Wellblech ein schmales Gelände abgetrennt. Dort haben sich Roma angesiedelt, vor sieben Jahren schon. Etwa 200 Erwachsene und 100 Kinder wohnen in dicht aneinander gezwängten Elendshütten. Die 20-jährige Mihaela zeigt ihre Unterkunft: ein Vorraum mit Gaskocher und Holzofen und ein dunkler Schlafraum mit Doppelbett für sie und ihren Verlobten.
"Dieses Lager ist gut für uns. Wir haben einen Platz zum Schlafen, können uns vor Kälte schützen, Kinder sind in Sicherheit, wir können kochen."
Mit seinen Wegen, einem kleinen Platz und einer geräumigen Hütte für Gottesdienste erinnert der Slum fast an ein Dorf. Aber Wasser gibt es nur am Hydranten auf der Straße, Toiletten sind nicht vorhanden, nachts tummeln sich Ratten im Lager.
Diesen Zustand will die kommunistische Stadtregierung von La Courneuve nun beenden: Die Polizei soll die Hütten bis zum Monatsende beseitigen, sagt Eric Morisse, beigeordneter Bürgermeister von La Courneuve:
"Schon seit 2013 beantragen wir die Auflösung des Lagers. Damals hatten wir sogar elf Roma-Slums in La Courneuve, mit fast 2.000 Menschen. Für eine Stadt mit 38.000 Einwohnern ist das eine schwere Belastung."
Nur noch dieser eine Slum ist übrig geblieben, er ist der älteste in Frankreich. Diese Stabilität hat es den Roma-Familien ermöglicht, sich ein wenig einzugliedern: Ein Teil der Kinder geht zur Schule, etwa 25 Prozent der Erwachsenen gehen regelmäßig zur Arbeit. Michaela etwa macht eine Art soziales Jahr, ihre Brüder sind LKW-Fahrer bei einer Zeitarbeitsfirma. Aber das Rathaus argumentiert, dass es alle Slums gleich behandeln, das heißt: beseitigen will. Mihaela ist besorgt.
"Wir haben keinen anderen Ort, wir werden dann obdachlos. Und alle Kinder, die in La Courneuve eingeschult sind, können dann nicht mehr zur Schule gehen. Das ist ein großes Problem. Es ist extrem schwierig, in einer anderen Schule angenommen zu werden, weil sie die Roma nicht haben wollen."
"Die Roma werden stigmatisiert und misshandelt"
An einem Baum hängt ein Schild der Ärztehilfsorganisation Medecins du Monde. Darauf wird erklärt, wie wichtig es ist, dass der Müll anständig beseitigt wird. Der Verein betreut die Roma im Lager. Gemeinsam mit der Stiftung Abbé Pierre hat er schon vor einem Jahr die Stadt kontaktiert, um Lösungen für die Bewohner zu suchen. Ohne Erfolg, sagt Frederique Kaba von der Stiftung Abbé Pierre.
"Das Rathaus hat sich geweigert, sich an unserem Projekt zu beteiligen. Wir brauchen aber alle Protagonisten, um umfassende Projekte zu entwickeln, die zur Eingliederung dieser Menschen führen. Die Roma werden stigmatisiert und misshandelt, weil sie Roma sind. Man behandelt sie nicht wie andere Menschen, die obdachlos sind."
Eric Morisse von der Stadtregierung weist solche Vorwürfe zurück und schiebt die Verantwortung auf den Staat.
"Die Staatsgewalt muss Notunterbringungen zur Verfügung stellen, nicht die Stadt. Wir brauchen eine globale Antwort. Ein Slum ist auch dann nicht akzeptabel, wenn den Leuten dort geholfen werden soll. Wir fordern eine Konferenz auf regionaler Ebene. Wenn die Vereine ein Projekt aufziehen wollen, dann muss der Staat dahinter stehen."
Abgeschnitten von einem Leben, das sie sich aufbauten
Nach einer Ausweisung quartiert der Staat die obdachlosen Familien oft für einige Tage oder Wochen in abgelegenen Hotels ein, wo sie aber nicht kochen können. Außerdem ist der Weg zur Schule, zur Arbeit oder aber zum Betteln von dort aus meistens zu weit.
Auf den Staat und die sozialistische Regierung ist Frederique Kaba von der Stiftung Abbé Pierre auch nicht gut zu sprechen.
"Seit 2012 wurden mehr Hüttenlager geräumt als unter der vorherigen Regierung, und vielen Familien wird keine Alternative angeboten."
Durch die ständige Vertreibung sollten die Roma zermürbt und aus Frankreich heraus geekelt werden, die breite Öffentlichkeit heiße eine derartige Behandlung gut, sagt Frederique Kaba.