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Roma-Minderheit in der Slowakei politisch im Abseits

Rund sieben Prozent der Bevölkerung in der Slowakei sind Roma. Doch noch nie hatten sie einen eigenen Abgeordneten im Parlament. Auch bei den vorgezogenen Neuwahlen im März wird keine Roma-Partei den Sprung über die Fünf-Prozent Hürde schaffen. Die politische Abstinenz ist ein Spiegelbild ihrer der sozialen und gesellschaftlichen Situation in der Slowakei.

Von Stefan Heinlein | 03.01.2012
    Fröhlicher Nachhilfeunterricht im Zentrum der Hilfsorganisation Mensch in Not. Nach der Schule kommen die 6 bis 10 jährigen fast jeden Nachmittag. Das Roma-Slum Roskovce liegt im bitterarmen Nordosten der Slowakei. Die Familien leben in Wellblechhütten – meist ohne Strom und Wasserversorgung. Dritte Welt mitten in Europa. Doch im Parlament der Hauptstadt Bratislava kämpft niemand gegen die soziale Misere, beklagt die Roma-Aktivistin Mirka Hapalova:

    "Natürlich sollten auch die Roma ihre Vertreter im Parlament haben. Das würde zwar nicht alle Probleme lösen, für den Aufbau einer Identität und die Wahrung der Minderheitenrechte wäre das aber sehr wichtig."

    Doch dieser Wunsch ging bisher nicht in Erfüllung. Seit der Gründung der Slowakei 1993 hat bisher kein Angehöriger der Roma-Minderheit Sitz und Stimme im Parlament. Auf den Kandidatenlisten einiger Parteien gibt es für sie nur aussichtslose Plätze. Die Versuche mit eigenen Parteien den Sprung über die 5 Prozent-Hürde zu schaffen scheiterten kläglich. Ohne solide Struktur, ohne Programm und heillos zersplittert bleiben die politischen Perspektiven dauerhaft miserabel, erklärt der Soziologe Tomasch Hrustic:

    "Die Roma-Parteien haben nicht einmal die Unterstützung der eigenen Leute. Auf lokaler Ebene werden sie kaum unterstützt. Es fehlt ihnen die Anbindung an die soziale Struktur der einzelnen Roma-Kolonien."

    Wer als Roma mit Bildung und Arbeit den schwierigen Aufstieg aus der Armut geschafft hat, verleugnet aus Angst vor gesellschaftlicher Diskriminierung häufig die eigenen Wurzeln. Die gelungene Integration in die Mehrheitsgesellschaft ist ihnen meist wichtiger als das Engagement für die eigene Minderheit. Die kleine intellektuelle Elite der Roma steht so als politische Führungsreserve nicht zur Verfügung:

    "Die politische Realität ist damit ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Verhältnisse. Es ist ein langer Entwicklungsprozess bis alle Roma wieder stolz auf ihre Herkunft sind und bereit für das politische Engagement in eigenen Parteien"

    Im Verlauf der letzten Jahre wurden über 20 Roma-Parteien gegründet und meist rasch wieder aufgelöst. Auch bei den anstehenden Neuwahlen wird es keine gemeinsame Roma-Partei geben. Der Versuch einer politischen Vereinigung endete im Streit. Der Vorsitzende der ältesten Roma-Partei RIS Vaclav Kappel, ist immer noch sauer auf seine Konkurrenten:

    "Wir haben nichts gegen eine Zusammenarbeit mit den anderen Parteien. Aber es gab da einige Differenzen. Jetzt laufen die durch die Gegend und sagen ich hätte die Sache verhindert. Sie beleidigen mich sogar. Die haben einfach keinen Charakter."

    Die Stimme der Roma-Minderheit wird also voraussichtlich auch im neuen Parlament nicht zu hören sein. Die notwendigen sozialpolitischen Veränderungen bleiben damit auf der Strecke. Ein Ende der gesellschaftlichen Diskriminierung rückt so erneut in weite Ferne.