"Uns interessiert das Abenteuer. Es ist gut für die Seele, den Geist und den Kontostand."
So heißt es gleich zu Beginn des aktuellen Romans von Denis Johnson, dem bleibt das Buch treu bis zum Ende – nimmt den Leser aber mit auf einem Weg, der einem tradierten Genre neue Perspektiven abgewinnt. "Die lachenden Ungeheuer", übersetzt von Bettina Abarbanell, handelt von ehemaligen Soldaten und von Geheimdienstleuten, von Hoffnungen auf dunkle Geschäfte mit wertvollen Rohstoffen und von USB-Sticks mit den Lageplänen von Glasfaserkabeln amerikanischer Geheimdienste in westafrikanischen Ländern.
Der Roman zieht Konsequenzen aus der Einsicht, dass Agentengeschichten nach dem Ende des Kalten Krieges und nach dem Anschlag auf die Twins Towers in New York am 11. September 2001 anders als zu Ian Flemings Zeiten erzählt werden müssen. Er mischt Genre-Zutaten mit den Qualitäten, die Leser schon an den vorangegangenen Romanen und Stories von Denis Johnson geschätzt haben: In seiner Welt der Nachrichtendienste verschmilzt düstere Romantik mit dem Wunschdenken und dem Zynismus von Hasardeuren, wird Westafrika zum Spielplatz von Glücksrittern.
"Wir reden viel darüber, wie die Welt sich verändert hat, seit die Zwillingstürme eingestürzt sind. Ich glaube, man kann ohne Weiteres sagen, dass der Teil, der sich am meisten verändert hat, die Welt der Geheimdienste, der Sicherheit und der Verteidigung ist. Die Weltmächte öffnen ihre Kassen für eine erweiterte Version des alten 'großen Spiels'. Das Geld hat einfach keine Grenze, und viel davon wird fürs Verpfeifen und Bespitzeln ausgegeben. Auf dem Gebiet gibt es keine Rezession."
Zwei Agenten auf der Suche nach dem großen Geld
"Die lachenden Ungeheuer" erzählt von zwei Männern, die auf einem Kontinent, "wo vieles möglich" ist, ihre offiziellen Aufträge zugunsten von privatem Reibach opfern. Einer der beiden ist Michael Adriko. Er stammt aus der Familie, die auch Ugandas Ex-Diktator Idi Amin hervorgebracht hat – und baut seine Hoffnungen darauf genauso wie auf die Tatsache, dass er dem ghanaischen Präsidenten einmal das Leben gerettet hat und seither in diesem Land stets auf Hilfe zählen kann, etwa in Form gefälschter Papiere. Er steht im Dienst amerikanischer Spezialkräfte, hat auch als Ausbilder gearbeitet – und wird als Deserteur gesucht, seit er sich von seiner geheimnisumwitterten Einheit abgesetzt hat, die in Afrika unklare US-Interessen schützen soll.
Der zweite heißt Roland Nair, geboren in Dänemark. Er kommt für den Geheimdienst nach Freetown mit dem Auftrag, Michael Adriko zu suchen und zu bespitzeln. Die beiden Männer kennen sich aus gemeinsamen Kriegseinsätzen in Afghanistan in den Jahren kurz nach der Jahrtausendwende; würde Nair seinen Auftrag ernst nehmen, würde ihn das zum Verräter an seinem Freund machen. Aber Nair kommt nicht nur nach Sierra Leone, weil er Michael beobachten soll, sondern auch, weil Michael ihn gerufen hat. Denn der plant ein Geschäft mit angereichertem Uran, das aus einem abgestürzten Flugzeug stammt, er sucht den großen Coup, der sie beide, Michael und Nair, reich machen soll.
Freundschaft, Vertrauen und Verrat sind – so wie schon in Johnsons Vietnam-Roman "Ein gerader Rauch" aus dem Jahr 2007 – die untrennbar verwobenen Motive, die diese beiden Männer miteinander verbinden. Und der Titel, "Die lachenden Ungeheuer", lässt sich genauso gut auf die beiden beziehen wie auf die Bergregion in Uganda, die ihr Reiseziel ist. Dort will Michael heiraten, zuhause, wie er sagt, bei seinem Clan. So ziehen die zwei Helden auch noch zwei Frauen, Davidia, die Braut von Michael, und Nairs europäische Kontaktperson und gelegentliche Geliebte Tina in ihr Abenteuer hinein. Schon auf den ersten Seiten des Romans wird jedoch deutlich, wie fragil das Geflecht von Hoffnungen und Gier sein könnte:
"Ich bin im Papa Leone Hotel in Freetown. Von unserem alten Freund Michael keine Spur. Es ist Abend, und ich sitze im Restaurant am Pool, wo eine afrikanische Tanztruppe, ich glaube, aus dem Kissi Chiefdom (sie sehen wie Obdachlose aus), gerade eine Nummer bringt, bei der viel hingefallen, dies und das angezündet und wild auf Congas getrommelt wird. Einer vergewaltigt jetzt quasi, vollständig bekleidet, einen Haufen brennender Stöcke, und die Leute, die in der Nähe sitzen, werfen mit Geld. Jetzt wälzt er sich neben dem Pool auf dem Boden, die brennenden Stöcke in den Armen, er hält sie an die Brust gedrückt und wälzt sich hin und her.
Mit einem lichterloh brennenden Bündel Kleinholz, ungefähr halb so groß wie er. Ich wollte nur etwas essen und trinken, hatte keine Ahnung, dass wir hier von einem masochistischen Pyromanen unterhalten werden würden. O Gott, Süße, ich bin in einem afrikanischen Hotel und beobachte einen brennenden Mann und bin ein bisschen betrunken, denn ich glaube, das ist man hier in Westafrika am besten immer ein wenig, die Welt ist weich, die Nacht ist weich, (…)."
Nair erweist sich als unzuverlässiger Erzähler
Nair ist der Erzähler in Denis Johnsons Roman. Er wird sich als wankelmütig, als unentschlossen und als Trinker erweisen, er agiert als eine Art von Doppelagent und verfolgt zudem Geschäftsinteressen auf eigene Kappe. Er ist zynisch, wenn es um die Zustände in den afrikanischen Ländern geht, er scheint auch zynisch zu sein, wenn es um Michael und ihrer beider Freundschaft geht. Er akzeptiert die Brutalität, die er registriert, ist aber nicht kaltblütig genug, um selbst mehr zu sein, als eine kleine Nummer unter den großen Strippenziehern.
Er ist hemmungslos, haltlos, sucht Sex, wo immer er ihn findet, umwirbt erfolglos Michaels Braut Davidia und geht im nächsten Moment vor aller Augen mit einer Hure aufs Zimmer. Elf Jahre zuvor hat er Afrika verlassen, jetzt erkennt er zwar vieles wieder, merkt aber, dass ihm die Reflexe abhandengekommen sind, um zurechtzukommen. Nach und nach scheint er sich vor den Augen des Lesers psychisch aufzulösen, geradezu zu zerfallen.
Das macht ihn zu einem unzuverlässigen Erzähler und verleiht dem Roman die Struktur: Wechselnd in der Tonart, wenn Nair mal Botschaften an Tina oder an seine Auftraggeber schreibt oder nur mehr in ein Schulheft kritzelt; Sprunghaft, wenn ihm Informationen fehlen oder er selbst unter Bewusstseinslücken leidet. Mal ein Abenteurer, mal ein Zauderer, mal betrunken, mal kalt gestellt - moralisch ein Bankrotteur.
Manches davon ist – neben großem Lob für eine weitere Facette in Denis Johnsons literarischem Werk – dem Roman von angelsächsischen Kritikern angekreidet worden. Sie haben auf vermeintliche kompositorische Schwächen verwiesen, auf die nicht stringent durchgeführte Handlung, nicht zuletzt auf ein klischeehaftes Afrikabild. Aber geht es in diesem Roman im Kern um "afrikanische Verhältnisse"? Und wenn ja, um welches Afrika?
Um den Kontinent, auf dem atavistische Massaker an der Bevölkerung stattfinden oder Boko Haram ein Reich von eigenen Gnaden aufbauen kann? Wo Metropolen boomen, aber Staaten darben? Wo die Fortschritte anderer sogenannter Entwicklungsländer keine Parallelen finden – wo daher seit einigen Jahren, etwa in Filmen wie "Blood Diamonds", gerne wieder apokalyptische Untergangs-Geschichten angesiedelt werden?
Entwurzelte Protagonisten
In "Die lachenden Ungeheuer" findet das alles seinen Niederschlag – der Roman aber erzählt vor allem von dem Blick, den zwei Männer auf den Kontinent werfen, weil sie dort ihren Vorteil suchen und sich kaum für etwas anderes interessieren – seien sie weiß wie Nair oder farbig wie Michael Adriko, dessen sentimentale Bindung an Familie und Heimatdorf im Verlauf der Geschichte ganz und gar enttäuscht werden wird.
Michael Adriko ist genau wie Nair ein Mensch ohne Wurzeln – was ihn von seinem Freund unterscheidet, sind Mut, Charisma und ein bewussteres Verhältnis zur eigenen Biografie, die ihn zum Spielball von politischen Interessen und Lügen gemacht hat.
"'Es ist sieben Jahre her, dass wir uns zuletzt gesehen haben, Nair. Ich bin jetzt sechsunddreißig. Ich bin nicht mehr wie früher. Ich bin anders. Neu.' Er wandte sich mir voll zu und platzierte wie zum Beweis seiner Neuheit die geballten Fäuste auf dem Tisch. 'Ich habe Afghanistan vor vier Jahren verlassen. Habe dann zwei Jahre Ausbildung in Fort Bragg, North Carolina, absolviert, und bin im Anschluss daran nach Fort Carson in Colorado versetzt worden. In Fort Carson habe ich als Ausbilder für Leute aus dem Ausland gearbeitet, die meisten aus Südamerika, manche aus dem Nahen Osten. (…) Auf dem Stützpunkt habe ich eine Uniform der US-Armee mit Sergeant-Streifen getragen. Aber ich war nicht in der US-Armee.' (...)
'Sie haben mir eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für die USA versprochen, Nair. Gelogen. Sie haben mir gesagt, ich hätte beste Aussichten auf die amerikanische Staatsbürgerschaft. Gelogen. Sie haben gesagt, ich würde als Offizier in die US-Armee eintreten und so weit kommen, wie meine Talente mich bringen würden. Gelogen.' (...) 'Hör zu, Nair. Ich kann dir eine Bombe bauen. Gib mir bloß fünf Minuten, ich brauche mich kaum von der Stelle zu rühren. Bring mir bloß Streichhölzer, Weihnachtskerzen und Zucker.
Ich kann aus tausend Metern Entfernung jemanden erschießen. Habe ich schon getan. Ich habe Mut und Disziplin, und der Lohn dafür ist, dass ich ein Auftragsrambo geworden bin. Ein Gorilla, ein Bauer, ein Rädchen in einem Roboter, der auf Lügen programmiert ist.'"
"Auftragsrambo" und großzügiger Kumpan
Ein "Auftragsrambo", der große Gesten beherrscht, der kühne Pläne entwirft, aber mit den Details hinter dem Busch hält, der seine Mitstreiter genau wie seine Braut manipuliert – aber anders als Nair auch ein Mann, der in einer gewissen altmodischen Abenteuerhaftigkeit mit sich im Reinen zu sein scheint. Der "Normalität" nicht kennt und nicht will – und seinen Freund gerade dadurch auch locken kann.
Michael ist ein Mann von offensichtlich unbegrenzter Überlebensfähigkeit, ein Monster, zu jeder Gewalttat bereit – und zugleich ist er ein überaus zugewandter, auch großzügiger Kumpan. Michael glaube an die Legende, die er von sich selbst erzähle, sagt Nair über ihn – und sieht sich selbst im Gegensatz dazu als einen Mann, der an gar nichts glaubt, der seinem Auftrag auch nur deshalb gefolgt sei:
"(...) weil ich das Chaos liebe. Anarchie. Irrsinn. Allgemeinen Zerfall. Michael dient nur als Vorwand für meine Rückkehr."
Knapper lassen sich die treibenden Kräfte des Geschehens kaum zusammenfassen. Sie liegen stets offen zutage, sie tragen den Roman weit hinaus über das Genre des Geheimdienstromans, sie führen ihn auch hinaus über Parallelen zu Joseph Conrads Roman "Herz der Finsternis", der gerne zitiert wird, wenn es um Expeditionen in die äußere und innere Wildnis geht. Denn wo Conrads Roman als Reise in das Grauen des eigenen Unbewussten gelesen werden kann, verzichtet Denis Johnson auf tiefgründige psychologische Durchdringung seiner Figuren.
Helden mit verstiegenen Vorstellungen
Die Widersprüchlichkeiten der Welt und die verstiegenen Vorstellungen, die seine Helden sich von ihren Zielen machen, entsprechen und spiegeln einander. Das wird schon in einer frühen Szene in einem Hotel in Freetown deutlich, wenn auf einem Fernsehschirm im Regionalprogramm ein Werbespot läuft, der ein zur Karikatur verzerrtes Selbstbild des neuen Afrika zeigt, ein inszeniertes Idyll, das Gesetztheit und Komfort suggeriert, dabei aber bloß von irischem Bier handelt.
Darin steckt der Irrsinn einer Vorstellung von Globalisierung und Aufstieg, der in der Realität kaum etwas entspricht; das ist ein Spiegel von Wahn und Wünschen, die auf Michael allerdings eine enorme Wirkung auszuüben scheinen, die seinem Coup und auch seiner Beziehung zu Nair ein Ziel liefern:
"Ein Bruder für den anderen, nach Höherem strebend. Michael war ergriffen. Michael weinte. Sobald der Spot vorbei war, sprang er ins Badezimmer, spritzte sich Wasser ins Gesicht, schnäuzte sich ins Handtuch, tauchte wieder im Türrahmen auf. 'Hier ist der Plan: Ich bin ein neuer Mensch, und ich werde tun, was ein neuer Mensch tut.' Er stellte sich mitten ins Zimmer und bot mir mit seinen beiden ausgestreckten Händen die Zukunft dar. 'Willst du einen Plan? Ich sage dir nur, was dabei herauskommt. Du wirst leben wie ein König. Ein Anwesen am Strand. Fünfzig Männer mit AKs zu deiner Bewachung. Die Leute aus dem Dorf wenden sich in allem an dich.
Sie bringen dir ihre Töchter, zwölf Jahre alt – Jungfrauen, Nair, von diesen Mädchen kriegst du kein AIDS. Du kannst jede Nacht eine andere haben. Fünfhundert Mann in deiner Miliz. Du weißt, dass du das willst. Nachts tanzen sie, ein großes Fegefeuer, und die Zaubermänner kommen und machen die Arme so lang wie eine Python, verwandeln sich in alle möglichen Tiere, es wird getrommelt, nackte Tänzer treten auf, alles nur für dich, Nair! Das wollen wir. Genau das ist es, was wir wollen. Und du weißt, es ist hier. Es gibt sonst keinen Ort auf der Welt, wo wir das haben können.'
!Das Land des Chaos, der Verzweiflung-' 'Und mittendrin machen wir uns unerreichbar. Man kann sich ein Tal aussuchen, eins mit schmalen Zugängen – verteidigungsfähigen Eingängen – und es zu seiner Nation erklären, wie Rhodes in Rhodesien-' 'Ich fasse es nicht, dass ich einen Schwarzen so reden höre.' 'Die Politiker werden uns die Füße küssen. Alle vier Jahre werden wir den Präsidenten ermorden.'!
Archaisches Schlaraffenland für Männer
Das ist mehr als eine Vision vom großen Geld, das ist eine erschreckend naive, in ungebrochenen, märchenhaften Details ausgemalte Wunscherfüllungs-Fantasie. Kein Reich, wo Menschen einer Religion unterworfen werden sollen, sondern eine Art von archaischem Schlaraffenland für Männer, die sich nehmen, was sie haben wollen. Losgelöst von allem Realitätssinn – und doch nur eine zugespitzte Version jener Herrschaftsformen, wie sie von Warlords, Drogenbossen und Rebellen weltweit in den letzten Jahren und Jahrzehnten wieder eingeführt und ausgeübt werden.
Meint der Roman das ernst? Sicher nicht – die Ungeheuerlichkeit ist vor allem Spiegel der Gier eines Traumtänzers, sie wendet die Geschichte um zur Farce. In dem ebenso naiven wie gewissenlosen Szenario, das Michael entwirft, kommt zudem eine literarische Parallele ins Spiel, die in eine ganz andere Richtung weist als das Genre der Agentenromane oder als Joseph Conrads "Herz der Finsternis" -- nämlich Rudyard Kiplings frühe Erzählung aus dem Jahr 1888: "Der Mann, der König sein wollte".
Kipling erzählt von zwei heruntergekommenen Männern, die von Indien aus, quer durch Afghanistan in das entlegene Gebiet eines Stammes reisen, dessen Mitglieder arischer Abstammung sind und Freimaurerkulte pflegen, ansonsten aber noch unter primitiven Umständen leben. Sie haben ein paar moderne Gewehre dabei, um eine kleine Privatarmee aufzubauen; mit deren Hilfe wollen sie lokalen Herrschern erst gegen deren Feinde helfen und sie anschließend stürzen, um selber zu herrschen.
Als Götter, in fernerer Zukunft vielleicht auch als politische und militärische Verbündete der Regierung des britischen Weltreichs. Sie wissen kaum etwas über die Gegend, in die sie wollen, sie interessieren sich auch nicht dafür. Sie sind ähnlich unterschiedlich geartet wie die Helden von Denis Johnson, sie sind genauso gewissenlos, nichts treibt sie an außer ihrer Entschlussfreude, kombiniert mit einer erschütternden Blindheit.
Auch Kipling scheut vor bizarren Details nicht zurück, auch seine Erzählung changiert zwischen Tragik, Verblendung und Komik; sie endet mit dem Untergang seiner Helden. Denis Johnson geht im Vergleich gnädiger mit seinen beiden Glücksrittern um, verstrickt sie aber doch in ein gefährliches Gerangel mit undurchschaubaren Gegenspielern, unter ihnen vermutlich auch der Mossad.
"'Du meine Güte, Nair, man kitzelt sie bloß an ihrer Terrorismusrute, und sie ejakulieren jede Menge Geld. Wenn du den Namen von einem der meistgesuchten Muslime fallenlässt – rums, führen sie eine Zirkusshow für dich auf.' 'Du hast noch eine Frage übersprungen, oder?' 'Was. Was für eine Frage.' 'Wer sind diese 'sie'? Sind das auch Fantasieprodukte?' 'Natürlich nicht. Kruger arbeitet für sie.' 'Für wen? Mit wem außer diesem Kruger haben wir es zu tun? Weißt du das überhaupt?' 'Wir haben es mit den Israelis zu tun.'
Wenn ich in dem Moment von meinem Stuhl hätte aufstehen müssen, wäre es mir nicht gelungen. So entsetzt war ich, und so viel Angst machte mir das. 'Dann hast du es mit dem Mossad zu tun.' 'Von dessen Beteiligung ist auszugehen.' Und er schien stolz darauf zu sein. Er lächelte mit allen Zähnen. 'Du bescheißt den Mossad.' 'Die kennen mich. Wenn ich sage, ich habe es, müssen sie mich ernst nehmen und die Knete ranschaffen.' Der Regen brauste, vielleicht war es auch mein Kopf, ein Gefühl jedenfalls, als würden Dinge von einer Flut mitgerissen.
Beide geraten in Gefangenschaft
Michael erklärt: Die Realität ist ein Eindruck, ein Bild, das man zeichnen könne, um Menschen zu manipulieren. Damit will er arbeiten, daran aber scheitert schließlich auch der große Plan, der ebenfalls nur auf der Magie von Wunschbildern beruht. Die beiden geraten an Betrüger, sie stranden in einem gottverlassenen Dorf und werden von kongolesischen Soldaten gefangen genommen.
Nair wird sogar den Amerikanern ausgeliefert und verhört, ehe er mit einem neuen Auftrag wieder losgeschickt wird. Zeitweise sitzt er in einem roten Overall, wie ihn die Gefangenen in Guantanomo tragen, und mit einem Notizheft in einem Lager fest, wo er aufschreibt, was ihm zugestoßen ist. An wen er sich dabei wendet, wird immer unklarer – er schreibt mal an Tina, mal an Davidia, manchmal auch an beide. Ob die Frauen ihm oder auch Michael zuvor wirklich etwas bedeutet haben, ist damit nicht gesagt, sie verschwinden aus seinem Gesichtsfeld, sie sind nur mehr Namen, nur mehr Adressatinnen für verstörte Botschaften.
Dieser Tiefpunkt aber ist nicht das Ende des gemeinsamen Wegs der beiden Männer. Michael, der Unerschrockene, wird einen Ausweg finden, sie werden wieder zu Geld kommen und nach neuen Chancen Ausschau halten. In Sierra Leone, in Liberia oder anderswo, denn irgendein Ass haben Männer dieses Kalibers eben stets noch im Ärmel verborgen.
Unkaputtbare Stehaufmännchen
Wie unkaputtbare Stehaufmännchen finden sich Nair und Michael daher am Ende dort wieder, wo der Leser ihnen anfangs begegnet ist – die Katastrophe führt zu keiner Läuterung, wer schnell und skrupellos ist und falsche Papiere besorgen kann, ist am Drücker. Alles dreht sich um das Zusammenspiel von Gier und Selbstzerstörung, um die Energie, die darin steckt, egal welchem Ziel sie dienen mag.
Eine der letzten Szenen des Romans, eine Stunde der Bekenntnisse und der erneuerten Freundschaft, schreibt denn auch die Verlogenheit fort, die den Roman angetrieben hat und die beiden Helden weiterhin begleiten wird. Nair erklärt seinem Freund nämlich:
"Ich richtete mich auf, sah ihm direkt ins Gesicht und gab mein Bestes, damit er mir glaubte – denn es ist wahr – 'Ich würde nie einen Freund verpfeifen. Kann sein, dass ich versuchen würde, ihm die Freundin auszuspannen, und ihn in der Scheiße verrecken lassen würde, während na ja, während ich mit seiner Freundin durchbrenne. Aber ich bin kein Spitzel. Niemals.'"
Denis Johnson: "Die lachenden Ungeheuer"
Rowohlt Verlag, Reinbek 2016. 267 Seiten, Euro 22,95.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2016. 267 Seiten, Euro 22,95.