Archiv


''Romeo und Julia''

Ein klares Profil hat Intendant Volker Hesse dem Maxim Gorki Theater auch in seiner zweiten Spielzeit noch nicht zu geben vermocht. Viele, auch schräge Experimente gibt es auf der Studiobühne, auf der Hauptbühne aber fehlen weiterhin die erfolgreichen Inszenierungen für ein breiteres Publikum. Das soll jetzt Publikumsliebling Katharina Thalbach anlocken. Sie ist seit ihrer Inszenierung des "Hauptmanns von Köpenick" mit Harald Juhnke fürs Maxim Gorki Theater ein Publikumsmagnet. So waren die Vorstellungen ihrer "Romeo und Julia"-Inszenierung bereits vor der gestrigen Premiere für mehrere Monate im voraus ausverkauft. Katharina Thalbach hat uns etliche schöne Inszenierungen geschenkt, seit sie 1987 als Regisseurin mit der "Tragödie des Macbeth" in der Werkstatt des Schillertheaters debütierte. Die Regisseurin Thalbach ist keine intellektuelle Tüftlerin, sondern eine konzeptionelle Praktikerin. Ihre Inszenierungen sind wirkungssicher, ästhetisch klar konturiert und im besten Sinne volkstümlich. Sie sollen Schauspielern wie Zuschauern Spaß machen, ohne sich in schenkelklopfender Oberflächlichkeit zu verlieren. Ihre gelungensten Inszenierungen waren die, in denen sie zugleich selbst als Schauspielerin auftrat. Denn die Darstellerin Katharina Thalbach bringt einen rotzig direkten Humor mit einer solch souveränen Beiläufigkeit ins Spiel wie keiner ihrer Darsteller. Mit ihr schweben Inszenierungen zwischen großem Spaß und tiefem Ernst.

Von Hartmut Krug | 23.01.2003
    So war es mehr als ein Gag, dass die Thalbach in ihrer "Romeo und Julia"-Inszenierung auch den Mercutio aus der Gruppe um Romeo spielen wollte. Und es war mehr als eine Kleinigkeit, dass sie krankheitshalber dies dann doch lassen musste. So fehlte der schauspielerische Kraftquell der Inszenierung. Denn Thalbachs Bruder Pierre Besson, der ihre Rolle zusätzlich zu der des Pater Lorenzo übernahm, blieb blass, weil er den Mercutio nur mit kräftig aufgesetzter Äußerlichkeit spielte.

    Gespielt wird lautstark und kräftig, fast grob. Die Situationen werden ausgestellt und bleiben dabei doch blass und unpointiert. Die Inszenierung besitzt keinen Rhythmus, keinen deutlichen Stil und keine eindeutige Idee. Ob sie wegen der Erkrankung der Thalbach einfach nicht fertig wurde, ist schwer zu sagen. Immerhin beginnt sie mit einem kräftigen Gag. In die graue Renaissancestadt, als die Bühnenbildner Ezio Toffolutti Bühne und Teile des Zuschauerraumes recht uninspiriert ausgemalt hat, werden zwei Touristengruppen geführt. Von "two households" in "ancient Verona" ist mit Shakespeare die Rede, die so verfeindet seien, dass "Civil hand makes civil blood unclean." Also: "don´t touch", - und los geht das Nachspielen.

    Zum traurigen Schluss kommen die Touristen noch einmal wieder, um sich mit dem toten Liebespaar fotografieren zu lassen. Dazwischen aber wird die Geschichte des berühmtesten Liebespaares der Weltliteratur, das starb, damit seine Liebe überleben konnte, als eine irgendwie zeitlose erzählt. Die Figuren laufen zwar in historischen Kostümen herum, scheinen aber aus ganz unterschiedlichen Zeiten zu stammen. Denn jeder besitzt hier so seine eigene Spielweise. Und was letztlich erzählt werden soll mit dieser Liebesgeschichte, wird auch nicht klar.

    Nun gut, es geht um Liebe vor der Folie des Todes. Es ist Pest in Verona: Allerliebste, ferngesteuerte Ratten flitzen über den Bühnenboden, und die Toten werden auf den Schinderkarren geladen. "Liebe macht Tod oder das Spiel von Romeo und Julia", hieß die erste Shakespeare-Version, die der mittlerweile verstorbene Thomas Brasch mit seiner damaligen Lebensgefährtin Katharina Thalbach 1990 am Schillertheater inszeniert hat. Darum geht es Katharina Thalbach in ihrer neuen Inszenierung auch, - irgendwie: ums Existentielle zwischen Liebe und Tod. Und die Übertragung von Thomas Brasch gibt ihr dafür eine prägnante, allerdings manchmal zu wort- und pointenverliebte Sprache. Doch woraus sich der Hass der beiden Familien gegeneinander speist, wie sich Aggressionen aufladen, wie Leidenschaften entstehen, was daran heutig sein könnte, das erzählt sie nicht.

    Erstaunlich, wie blass ihre Gruppenarrangements wirken, wie undeutlich, fast verwischt die erste Begegnung zwischen Romeo und Julia eingerichtet ist. Traurig, wie wenig darstellerisch versinnlicht der Text wird: man hört hier über weite Strecken nur Gerede. Textmassen werden bewegt statt Figuren und Emotionen. Die pausenlosen zweieinviertel Aufführungsstunden werden arg lang. Weil es auch schauspielerisch nur wenige Lichtpunkte gibt. Jaqueline Macaulay versucht die Figur der Amme mit dem drallen Witz auszustatten, den diese braucht. Der schlaksige Fabian Krüger spielt den Romeo als einen zwischen Coolness und Witz schwankenden Mann, der von seinen großen Gefühlen allenfalls redet. Und Heike Warmuth, Schauspielstudentin im letzten Studienjahr, gibt der Julia zwar Liebreiz und Direktheit, doch sie muss in und auf ihrem bettkastenartigen Zimmer so viel hin und her agieren, dass sie kaum ein Gefühl wirklich intensiv ausspielen kann. Daneben erlebt man in einem heterogenen Ensemble manch heftige Chargiererei. Früher, als in der Provinz noch nicht so viel gutes Theater gemacht wurde, hätte man zu dieser gesichtslosen Inszenierung "provinziell" gesagt. Heute ist man einfach nur mächtig enttäuscht.

    Link: mehr ...

    661.html