Zeitungen werden in der Mehrheit von älteren Menschen gemacht und gelesen. Umso wichtiger, dass es ein paar Autoren gibt, die sowohl den zynischen Redakteur als auch den abgebrühten Leser daran erinnern, was es noch mal heißt, jung zu sein. Diese so genannten Jungautoren werden in der Regel an Themen gesetzt, über die bereits alles geschrieben wurde, nur noch nicht von jedem, und die Zeitungsmacher hoffen auf die ein oder andere wohlgesetzte Provokation, auf das Schlachten heiliger Kühe oder das Umstoßen alter Gewissheiten. Die 24-jährige Ronja von Rönne ist so eine Jungautorin und schreibt seit 2015 für "Welt" und "Welt am Sonntag". Bekannt wurde sie zuvor als Bloggerin, berüchtigt durch einen Artikel in der "Welt", in dem sie erklärte, Feminismus ekle sie an – was sie aber, als man ihr dafür einen Preis geben wollte, wieder zurücknahm.
Dann schrieb sie einen beachtlichen Roman darüber, was es heißt, jung zu sein. Er hieß "Wir kommen" und handelte davon, dass Jungsein heute vor allem bedeutet, von der Welt überfordert zu sein und sich in der daraus resultierenden Schockstarre unglaublich zu langweilen. Nun erscheint ein Band mit ihren gesammelten Einträgen aus ihrem Blog "Sudelheft" und Kolumnen aus der "Welt am Sonntag", die eine durchaus ähnliche Geschichte erzählen. Er heißt "Heute ist leider schlecht", und der Untertitel lautet "Beschwerden ans Leben", was nahelegt, dass es sich beim Leben aus Sicht der Autorin wohl um eine Dienstleistung handelt. Vielleicht ist diese Haltung typisch fürs Jungsein in der Mittelschicht oder gar für eine ganze Generation? Ronja von Rönne möchte nicht allzu lange darüber nachdenken.
Keine Analyse der Generation Y
"Was weiß ich über meine Generation? Ich weiß, dass sie gerne Artikel über ihre Generation liest. Und schreibt. Und teilt. Das ist sicher. Das liebt meine Generation. Ansonsten liebt sie eher langweilige Dinge: Sex mit Menschen, die man liebt, und Jobs, die nicht Praktika heißen. Ich weiß das, weil ich schon siebenhundert Artikel zu dem Thema gelesen habe.
Wie ist sie denn nun, die Generation Y? Und warum hab ich immer noch keine Vorhangstange gekauft?
Lauter wichtige Fragen, die man in einem hübschen Suhrkamp-Büchlein mit dem Titel 'Fragen für Warteschlangen an Drogeriemarktkassen' zusammenfassen kann. Ansonsten ist die Frage nach der Generation vor allem eins: LANGWEILIG. Sie ist so LANGWEILIG, dass ich mir einen Leitz-Ordner voller Generation-Y-Artikel angelegt hab, für unruhige Nächte voller Panikattacken."
Eine Analyse darf man von "Heute ist leider schlecht" also nicht erwarten. Was dann? Das Buch ist in drei Sektionen aufgeteilt. Die erste heißt "Warum es schlimm ist" und vereint Selbstbespiegelungen, in denen die Zweifel, Komplexe und Ängste der Autorin zu Wort kommen, der zweite mit dem Titel "Wo es schlimm ist" besteht großenteils aus um Subjektivität bemühte, meist recht kurze Schilderungen ihrer Besuche von Partys, Buchmessen, Gartenschauen, Einrichtungshäusern und Demonstrationen sowie anderen Selbstbeobachtungen. Im letzten Teil erklärt von Rönne unter der Überschrift "Was gegen das Schlimme hilft" etwa, wo das Leben schön ist, was die perfekte Beziehung ausmacht oder warum man nicht die AfD wählen sollte.
Grenzen zwischen Befindlichkeit, Fiktion und Journalismus sind aufgehoben
Es handelt sich also wohl gar nicht um ein Beschwerde-, sondern um ein Ratgeberbuch, das sich vermutlich nicht an 40-jährige Männer wie den Rezensenten richtet, der sich auch ein wenig onkelhaft fühlt, wenn er von Rönnes Ratschläge kommentieren soll, Eifersucht lasse sich am besten bekämpfen, indem man den Partner so lange anschreie, bis er seine Forderung nach mehr Freiräumen in der Beziehung wieder zurücknimmt, und Traurigkeit komme man am besten bei, indem man sich maßlos betrinke und eine innige Beziehung zum Traurigsein aufbaue, die dann zwangsläufig, wie jede innige Beziehung, irgendwann zerbrechen müsse. Aber es drängt sich der Eindruck auf, dass nicht alles in diesen Texten durchdacht ist. Viele scheinen eher aus Langeweile oder äußeren Zwängen heraus geschrieben als aus Interesse an einem Thema oder einer bestimmten Fragestellung, Die Pointen ergeben sich eher aus dem vorhergehenden Satz als aus der beschriebenen Sache, was schade ist, denn wenn von Rönne sich mal auf eine Situation einlässt, wie etwa beim Besuch einer Demonstration von AfD-Anhängern und einer zeitgleichen Gegenkundgebung, kommt sie auf interessante Gedanken:
"Die ganze Veranstaltung scheint ein riesengroßes Missverständnis zu sein. Die verunsicherten Rentner, die ratlos Blumen in der Hand halten, sich unverstanden und verleumdet fühlen, haben mit den glatzköpfigen Nazis, gegen die die Gegenseite eigentlich demonstriert, wenig gemein. Es scheint völlig unklar, wer für was genau steht, nur in einem Punkt scheinen sich alle erstaunlich einig: Etwas gerät außer Kontrolle, und die Politik scheint nicht imstande, Lösungen zu schaffen."
Solche Passagen gibt es in "Heute ist leider schlecht" leider viel zu selten, vielleicht liegt es daran, dass in von Rönnes Schreiben der erste Gedanke und die schnoddrige Formulierung mehr zählen als die Reflexion oder am Selbstverständnis der Autorin, das sich am ehesten darin zeigt, dass in dieser Sammlung die Grenzen zwischen Befindlichkeit, Fiktion und Journalismus vollkommen aufgehoben sind. Und diese Tatsache kann man auch durchaus bedenklich finden, die Autorin würde man mit diesen Bedenken aber wahrscheinlich ziemlich langweilen.
Ronja von Rönne "Heute ist leider schlecht"
S. Fischer Verlag, Frankfurt, 208 Seiten, 12,99 Euro
S. Fischer Verlag, Frankfurt, 208 Seiten, 12,99 Euro