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Rosa Kalbfleisch von gesunden Kälbern

Kalbfleisch stammt von jungen Rindern. Es ist ausgesprochen zart. Das liegt daran, dass die Muskeln der Tiere noch nicht voll entwickelt sind und das Bindegewebe noch weich ist. Es enthält viel Eiweiß und wenig Fett. Darum steht Kalbfleisch aus ernährungsphysiologischer Sicht vor anderen Schlachtfleischsorten auf den Empfehlungslisten vieler Ernährungsberater. Während Rindfleisch bis zu 14 Tagen reifen muss, braucht Kalbfleisch nur zwei bis drei Tage zu reifen. Doch Kalbfleisch ist nicht gleich Kalbfleisch. Wie es aussieht, das hängt davon ab, wie die Tiere gehalten werden. Ob artgerecht oder nicht.

von Annette Eversberg |
    Der Kälberstall von Rolf Dechow in der traditionellen Rinderregion Angeln vor den Toren von Flensburg hat alles, was man zu einer artgerechten Kälbermast braucht. Die Tiere liegen auf Stroh, die gute Luft strömt durch ein engmaschiges Netz in den Stall. Das Außenklima spielt eine wichtige Rolle für die Gesundheit der Tiere, ebenso wie ihre Herkunft, meint Rolf Dechow

    Wir sind ein reiner Zukaufbetrieb, der jetzt die männlichen Tiere aufkauft, ich habe sechs feste Betriebe, wo ich weiß, wo die herkommen, was da für ein Gesundheitsstatus herrscht. So dass wir von vornherein sagen können: Die produzieren mit wenig Medikamenteneinsatz ein gutes Produkt.

    Deshalb ist für ihn die artgerechte Fütterung ebenso wichtig. Zunächst erhalten die Tiere bis zur 8. Woche Milch. Dann aber werden sie auf Rauhfutter umgestellt. Diese Form der Kälbermast führt aber dazu, dass das Fleisch anders aussieht, als man es vermutet. Es ist nicht weiß, sondern rosa, erläutert Dr. Hans-Jürgen Kunz, Referent für Rindermast in der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein:

    Das Roséfleisch hat Tradition hier in Angeln. Seit Jahrzehnten werden Rosékälber aufgezogen. Sie fressen ganz natürlich, Maissilage, Heu und Kraftfutter, entwickeln sich ganz normal zum Wiederkäuer. Wir haben hier in Norddeutschland allerdings einen ganz geringen Marktanteil und gehen hauptsächlich nach Süddeutschland.

    Bisher stand das rosa Kalbfleisch hinter dem weißen weit zurück. Als Hauptproduzent von weißem Kalbfleisch gelten vor allem die Niederlande. 1 Millionen Kälber liefern weißes Fleisch. Nur 20 Prozent sind Rosékälber. Für die Tiere bedeutete dies - so Hans-Jürgen Kunz - eine gänzlich andere Haltungsform.

    Wenn Sie weißes Kalbfleisch haben wollen, dann müssen Sie versuchen, den Kälbern ein Futter anzubieten, in dem kein Eisen drin ist. Und das ist die Milch. Und darum werden diese Tiere mit Milch gemästet und bekommen auch ein wenig Heu, nur so viel wie in der Kälberhaltungsverordnung vorgeschrieben ist, so dass das Fleisch noch weiß bleibt. Das heißt der Pansen, das Wiederkäuerverhalten dieser Tiere kann sich nicht entwickeln.

    Der Markt für Kalbfleisch ist jedoch inzwischen in Bewegung. Der Anteil an rosa Kalbfleisch wächst. Auch in den Niederlanden gibt es eine Veränderung. Nach dem Ausbruch der Maul- und Klauenseuche und dem damit verbundenen Transportverbot blieben die Tiere länger stehen und mussten anders gefüttert werden. Das Fleisch wurde rosa. Inzwischen ist das EU-Land mit 4000 Kälberschlachtungen pro Woche sogar eine Drehscheibe für den rosa Fleischhandel geworden. Denn viele Landwirte liefern noch immer dorthin, wo sie das meiste Geld bekommen. Und das liegt für Hans-Jürgen Kunz eindeutig am unterschiedlichen Prämiensystem der EU. Zum Nachteil der deutschen und damit auch der schleswig-holsteinischen Kälbermäster:

    Iin anderen EU-Mitgliedsstaaten gilt eine Altersgrenze von 9 Monaten, ab der eine Prämie gezahlt werden kann. Und in Deutschland ist diese Prämie vom Schlachtgewicht abhängig. Und nun ist es so, Sie wissen als Landwirt genau, wann ein Tier 9 Monate ist. Aber eine Schlachtgewichtsgrenze von 188,8 Kilogramm, die das Tier haben muss, die kennen Sie nicht.

    Doch immer mehr Landwirte wollen ihren Tieren die langen Transportwege nicht zumuten, und liefern an die nächste Schlachterei. Auch Ralf Dechow will lieber regional vermarkten. Zur Zeit kann er sicher sein, dass er zwischen 20 und 30 Prozent mehr für sein rosa Kalbfleisch bekommen kann. In Satrup bei Flensburg vermarktet die Versandschlachterei von Rolf Vollertsen 100 Kälber pro Woche.

    Eine Verschiebung oder eine Subvention von Seiten des Landes bzw. des Bundes können wir natürlich nicht wettmachen. Wir sitzen mitten im Erzeugergebiet in Schleswig-Holstein oder im Raume Angeln, wo diese Kälber angeboten werden. Und diese Tiere sind innerhalb einer halben Stunde in unserem Betrieb. Und das nutzen wir.