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"Rosen aus Florida" in Leipzig
Der Bachelor als Operettenheld

Die "Musikalische Komödie" in Leipzig ist bekannt für Aufführungen vergessener Werke des Genres. Jetzt haben sich drei Stipendiaten des Dirigentenforums an die Operette "Rosen aus Florida" von Leo Fall gewagt - mit beachtlichem Ergebnis.

Von Claus Fischer |
    Der Dirigent Stefan Klingele steht vor einem Orchester und dirigiert
    Die Handlung der Operette "Rosen aus Florida" erinnert an das Konzept von "The Bachelor", sagt der Chefdirigent der Musikalischen Komödie Leipzig Stefan Klingele. (Musikalische Komödie Leipzig/Ida Zenna)
    Goliath Armstrong ist Multimillionär und einer der begehrtesten Junggesellen Manhattans. Selbstverständlich kann er sich vor Heiratsanträgen kaum retten. Er genießt jedoch lieber sein turbulentes Jet-Set-Leben. Sein besonderer Spleen: Wo auch immer er sich gerade aufhält, lässt er sich Rosen aus Florida einfliegen. Prophylaktisch. Es könnte ja vielleicht doch einmal die Richtige vor der Tür stehen.
    Die Handlung der Operette "Rosen aus Florida" ist durchaus aktuell. Sie erinnert an das Konzept von "The Bachelor", einer Reality-Soap des Privatfernsehens, sagt der Chefdirigent der Musikalischen Komödie Leipzig Stefan Klingele. So wundert er sich schon, dass sie in den letzten Jahren von keinem Theater im deutschen Sprachraum gespielt worden ist.
    "1951 in St. Gallen, das ist die letzte mir bekannte Aufführungsserie gewesen – knapp siebzig Jahre ist das Stück jetzt verschwunden."
    Operettenrekonstruktion aus unveröffentlichtem Material
    Der Komponist Leo Fall war zu Lebzeiten ein Star. Seine Operetten "Madame Pompadour", "Die Dollarprinzessin" oder "Die Rose von Stambul" waren und sind bis heute Publikumsrenner. Aber fast jeder fleißige Genius verliert auch gelegentlich die Lust, ein Projekt zu Ende zu führen. Das Manuskript von "Rosen aus Florida" blieb Fragment - und wanderte in die Schublade. Leo Fall hat es bis zu seinem Tod nicht mehr angerührt.
    Damit begann eine spannende Geschichte, die noch längst nicht hinreichend erforscht ist. Die Witwe Leo Falls übergab die Fragmente dem damals jungen Komponisten Erich Wolfgang Korngold mit der Bitte, das Stück zu vollenden. Er tat es. Aber über den Verbleib der Manuskriptfragmente ist nichts bekannt, sagt Stefan Klingele.
    "Ich weiß nicht, ob die im Krieg verloren gingen, vielleicht tauchen sie ja auch wieder auf. Aber vielleicht ist das auch eine Sage! Was man festhalten kann ist, dass die Berta Fall, die Witwe Fall einfach wirklich Geld brauchte, weil Leo Fall ein lebenslustiger Mann war, der alles verspielt und versoffen hat wahrscheinlich. Und Berta Fall hat sich ja irgendwann das Leben genommen, einfach weil sie wirklich einsam und alleine war und nicht wusste, wie sie ihre Existenz sichern sollte. Vielleicht war es einfach eine Art Geschenk von Korngold an Berta Fall…"
    Von Charleston bis Richard Strauss
    Die Partitur von "Rosen aus Florida" ist äußerst abwechslungsreich. Ähnlich wie bei Korngolds älterem Kollegen Paul Abraham wird der walzer- und marschlastige Operettenklang ab und an durch typische Modetänze der zwanziger Jahre wie Foxtrott und Charleston angereichert. Bei einer Nummer ist sogar ein Banjo vorgesehen. Dann gibt es wieder Passagen, die deutlich nach Richard Strauss oder Ermanno Wolf-Ferrari klingen. Eine anregende Melange - und eine anspruchsvolle Aufgabe für die junge Nachwuchsdirigentin und ihre beiden männlichen Kollegen, die das Werk unter Anleitung von Stefan Klingele innerhalb einer Woche einstudiert haben.
    "Also was uns sehr auffällt, ist die reiche Instrumentation", sagt Klingele. "Also es ist im Schlagwerk unheimlich viel Silbriges, Zartes. Harfe kommt zum Einsatz, zwei Saxophone, die in den Liebesduetten auch immer in Terzen spielen. Auch die Streicher sind in der Harmonieführung ganz dicht."
    Wie dirigiert man Operette?
    "Man weiß es nicht so genau: Was ist von Fall und was von Korngold", sagt einer der drei Stipendiaten des Deutschen Musikrats, der Schweizer Reto Schärli.
    "Es ist tatsächlich zum ersten Mal, dass ich ein Stück gelernt habe und es keine einzige Aufnahme gab", ergänzt Yura Yang, die aus Südkorea stammt und nach einer Hospitanz an der Dresdner Staatsoperette inzwischen bereits eine erste Stelle hat, als Kapellmeisterin am Theater in Kiel.
    "Ich hab einmal Operette machen dürfen in Dresden und ich hab dann gemerkt, dirigieren tut man auch anders, finde ich, wenn man Operette dirigiert. Und ich wollte die Möglichkeit nutzen, dass man das wirklich lernen kann von so einem tollen Dirigenten."
    Stefan Klingele hält "Rosen aus Florida" für bestens geeignet, um den drei Stipendiaten - der dritte, Chanmin Chung, stammte ebenfalls aus Südkorea - die musikalische Leitung einer Operette zu vermitteln.
    "Also es gibt langsame Walzer, schnelle Walzer, Märsche, Tänze, da ist einfach alles drin! Da lernen sie in alle Richtungen zu dirigieren. Man muss Rubato dirigieren und leise Klänge zart blühen lassen und auch mal reinhauen bei den dramatischen Stellen!"
    Da dem Orchester der Musikalischen Komödie Leipzig die Musik von "Rosen aus Florida" auch noch nicht bekannt war, hatten es die drei Nachwuchsmaestri in den Proben natürlich leichter, von den Musikern akzeptiert zu werden.
    "Das Orchester muss sich da schnell in ganz neue Stücke reinfinden, falsche Noten finden z.B. auch Stricharten anpassen und auch testen – und das ist ein richtiger Workshopcharakter, wie man es eigentlich erwartet."
    Gelungenes Experiment
    Alle drei Stipendiaten wurden der Aufgabe voll gerecht, allerdings dirigierten Yura Yang und Chanming Chung aus Südkorea bei der Premiere der konzertanten Produktion eine Spur mitreißender und musikantischer als der Schweizer Reto Schärli. Auch das Sängerensemble der Musikalischen Komödie Leipzig war in bester Form. Adam Sanchez gab den Jungmilliardär Goliath Armstrong als leicht schmierigen Tenor mit herrlich-komischen Lebemann-Posen. Als Gast am Haus überzeugte Desirée Brodka in der Partie der Dorrit, jener Frau, die Goliath von Seiten seiner Eltern zugedacht war, die ihn aber völlig kalt lässt. Doch selbstverständlich kommt er am Schluss doch noch unter die Haube. Nach turbulenten Verwechslungsszenen kommt es zum Happy-End mit der russischen Adligen Irina Narysvhkin, der Goliaths immenser Reichtum sichtlich egal war. Sie wurde von Ensemblemitglied Lilly Wünscher verkörpert, mit großer Geste und angenehm-voluminösem Sopran. Ein gelungener Operettenabend, der dem Leipziger Publikum eine lohnende Entdeckung ermöglicht hat!
    Christian Geltinger, der Chefdramaturg der Oper und der Musikalischen Komödie Leipzig kann sich eine szenische Produktion der "Rosen aus Florida" in Zukunft sehr gut vorstellen.
    "Das ganze Stück könnte man unter das Motto "Der Bachelor" stellen. Im zweiten Akt gibt es z.B eine Schönheitskonkurrenz, ein Schönheitswettbewerb. Letzten Endes könnte man das wunderbar aktualisieren auf die heutige Zeit."
    Chefdirigent Stefan Klingele sieht das genauso. "Ich bin ziemlich sicher, dass in den nächsten Jahren ein Theater eine Inszenierung machen wird!"