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Rosenpark in Mecklenburg-Vorpommern
Im Duft- und Blütenrausch

Wunderschöne Farbspiele, betörender Duft, gestaltete Wildheit: Der Rosenpark Groß Siemen, westlich von Rostock in Mecklenburg-Vorpommern, lockt im Sommer Garten- und Rosenliebhaber an. Der romantische Ort sieht aus wie historisch gewachsen - ist er aber nicht.

Von Eva Firzlaff |
    Sie sehen eine chinesische Rose.
    Gelernte Juristin ist die Landschaftsparkbetreiberin Edda Schütte - doch Rosen sind ihre Leidenschaft (imago stock&people, 70561207 )
    Zehn Kilometer Luftlinie vom Ostseestrand landeinwärts ist die Welt eine andere: weite hügelige Felder, sattes Grün, Adler kreisen am Himmel, kleine alte Dörfer. Eines ist Groß Siemen, das alles andere ist als groß. Doch es hat ein altes Gutshaus, was aber in Mecklenburg und Vorpommern erst mal nichts Besonderes ist. Solche Dichte an Guts- und Herrenhäusern und Schlösschen wie hier gibt es in Deutschland nicht noch mal. Und viele sind aus dem Schutt wieder auferstanden. Auch das Gutshaus von Groß Siemen war eine bessere Ruine, der jetzige Park der Hinterhof des Dorfes.
    "Ziemlich desolat. Es musste das Dach komplett neu gedeckt, der Dachstuhl zu 70 Prozent erneuert werden. Das Feldstein-Fundament freilegen. Wir hatten auf dem Gelände 21 Gartenhäuschen und Buden, wo jetzt die Freifläche ist. Und hier war der Müllberg von Groß Siemen. Ja, es sah anders aus. Nicht so wie jetzt."
    Mehrere hundert Sorten Rosen
    Vor nicht mal 20 Jahren kam Edda Schütte mit ihrem Mann Dieter und vier Kindern in den Winzig-Ort - zunächst nur, um mit den Kindern auf dem Land zu leben. Doch als der Müll beseitigt war, die Wildnis gerodet, stand die Frage: Was tun mit der weiten, leeren Fläche hinter dem Gutshaus und dem kleinen Park mit großen alten Bäumen, hinter denen ein Bach plätschert. Es wurden die Rosen. Und wer heute den Rosenpark besucht, der vermutet, er käme in einen historisch gewachsenen Park mit richtig alten Pflanzen.
    "Nein, die sind alle neu. Es gibt drei alte Rosen auf dem Grundstück, die habe ich relativ spät gefunden, denn sie waren in einer Hecke eingewachsen."
    Rosen über Rosen, historische und englische. Einige tausend in mehreren hundert Sorten. Wunderschöne Farbspiele. Kleine Rosenstöcke mit edlen Blüten einerseits. An anderen Stellen tragen riesig-hohe Sträucher schwer an einer Unmenge von Blüten. Und erst der betörende Duft! An jeder Ecke anders.
    Gewollte Unordnung
    Der große Garten ist zwar in verschieden gestaltete Bereiche unterteilt, doch alles fließt harmonisch ineinander und in die Umgebung. Fließt. Es gibt keine gezirkelten Wege, keine Grenzen.
    "Es ist teilweise eine gewollte Unordnung. Denn wir sind sehr weit ab vom Schuss, also nicht stadtnah und schon gar nicht in der Stadt. Deshalb würden Kieswege für mein Empfinden hier nicht her passen - oder Betonrandsteine. Und hatte mich ja bemüht, eine Gestaltung, die sozusagen von dem Park, der unter Denkmalschutz steht und einfach da war, in die Landschaft rein zu finden. Das habe ich mit diesen Sichtachsen erreicht und musste so ein Zwischenstück finden."
    So läuft der Besucher auf grasbewachsenen Wegen. Und besonders Ordnungsliebende stören sich an Wildpflanzen, doch diese dürfen wachsen.
    "Zum Beispiel der echte Baldrian, der wandert hier quasi durch den Garten. Hat da hinten am Kräutereck angefangen, das geht alles mit dem Wind. Wie die Margerite oder dieser dunkel-violette Mohn. Der ist inzwischen hier angekommen, der war ganz da hinten. Das darf! Das finde ich gut. Genauso die Elemente, die dazugekommen sind, die sollen pures Eisen sein. Sie rosten. Es ist vergänglich. Die Rosen auch. Ich knipse auch nicht jede Verblühte ab. Das ist eben der Lauf der Zeit und das sollte durchaus erkennbar sein."
    Seltenheit violetter Mohn
    Der rote Klatschmohn ist ja im Frühsommer auf den umliegenden Feldern allgegenwärtig. Doch seine dunkelviolette Schwester habe ich jedenfalls vorher noch nie gesehen.
    "Nein. Ich weiß auch nicht, wie der violette Mohn hierher gekommen ist. Irgendwann war er da und er passt eben zu diesen historischen Sorten, die ja nie dieses Feuerwehr-Rot haben. Gerade dieses Rot-Violett mit diesem Blaustich, was Sie an der Wildeve haben oder an diesen alten Sorten wie William Lobb, diesen Moosrosen, das harmoniert eben sehr gut mit diesem violetten Mohn."
    Kein Spritzen und Aussortieren
    Edda Schütte ist keine gelernte Gärtnerin, keine Landschaftsarchitektin, sondern hat Jura studiert. Doch Rosen, vor allem die alten Sorten, sind ihre Leidenschaft.
    "Einfach, weil sie alle einen verschiedenen Duft haben, intensiv duften und gut für die Küche sind, robust sind. Ich würde es ja hier nicht schaffen, im Herbst alle Rosen runterzuschneiden und anzuhäufeln. Gerade bei den alten Strauchrosen, die doch sehr robust sind, ist das unproblematisch. Selbst bei alten Sorten habe ich durchaus auch mal Sternrußtau. Läuse und Mehltau gibt es hier nicht, weil der Garten immer im Wind liegt. Aber eben Sternrußtau. Meiner Erfahrung nach sind das bestimmte Sorten, die anfälliger sind. Hier sind ja endlos viele Rosen und manche haben es nie, nie, in keinem Jahr. Und ich spritze hier auch nicht. Insofern hat auch das seinen Lauf. Und ich sehe es immer wieder an den gleichen, die dürfen trotzdem bleiben, weil die Blüten einfach so schön sind. Ich sage immer: Das guckt sich hier weg. Wenn Sie fünf Rosen im Garten haben und drei zeigen sich garstig, dann fangen sie an, nervös zu werden. Aber hier bei der Menge guckt es sich weg."
    Romantischer Veranstaltungsort
    Und weil Familie Schütte gerne ihr kleines Paradies mit anderen Garten- und Rosenliebhabern teilt, lädt sie zur vollen Blüte im Juni ein zu Rosenfesten und öffnet den Park auch über den Sommer. Aus altem Baumaterial entstand eine Orangerie, die ist Spielstätte der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, Ort zum Feiern und im Sommer Rosen-Café, das bietet Rosentorte mit - natürlich - ganz vielen Blütenblättern. Die sehen nicht nur schön aus, sondern schmecken auch. Man kann hier romantisch heiraten - und die Festspiele MV haben schon mal den Rosenpark zur schönsten Spielstätte erkoren.