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Roth für Beutekunst-Konferenz

Martin Roth, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden, plädiert für eine internationale Konferenz über Provenienzforschung und Restitution. Zehn Jahre nach der Konferenz von Washington habe sich das Wissen in den einzelnen Länder deutlich erweitert, sagte Roth. Diese gelte es auszutauschen.

Moderation: Rainer Berthold Schossig |
    Rainer Berthold Schossig: Der zehnte Jahrestag der Washingtoner Konferenz über Restitution von Beutekunst steht unmittelbar bevor. Die 1998 veröffentlichte Erklärung über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust ist aber noch immer nicht rechtsverbindlich für die Herausgabe von Kunstobjekten aus deutschen Museen. Immerhin wurden alleine aus den Dresdner Sammlungen mehr als 20.000 Objekte zurückgegeben, aber immer wieder tauchen in deutschen Museen Kunstwerke unklarer, beziehungsweise umstrittener Herkunft auf. Und es sind meist Objekte, die in der NS-Zeit jüdischen Besitzern entzogen oder geraubt wurden. Viele verfemte Sammler mussten zudem damals ihren Kunstbesitz weit unter Wert veräußern.

    Frage an Martin Roth, den Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden: Sie fordern nun eine deutsch-jüdische Konferenz zum Thema Restitution und Provenienzforschung in Deutschland. Womit sollte die sich denn genau jetzt befassen?

    Martin Roth: Washington ist tatsächlich genau zehn Jahre her, und in diesen zehn Jahren ist extrem viel passiert im Bereich der Provenienzforschung. Deshalb wäre es dringend notwendig, dass wir bilanzieren, dass die Betroffenen in den letzten zehn Jahren die Erfahrungen nach außen tragen und vor allen Dingen gemeinsam überlegen, wie es weitergehen kann in den nächsten Jahren.

    Schossig: Aber warum muss die Rückgabepraxis der vergangenen Jahre denn überhaupt beleuchtet werden, denn es sind doch eine Reihe von Dingen zurückgegangen, wenn es auch noch Diskussionen gibt. Wo sind die Hauptmängel?

    Roth: Natürlich ist viel zurückgegangen, und natürlich haben wir eine vernünftige Diskussion geführt. Es geht im Übrigen dabei nicht nur um die deutsch-jüdischen Zusammenhänge, sondern wir haben alle gelernt in den letzten Jahren, dass dieses Provenienzforschungsthema und Restitutionsthema noch mal deutlich größer ist. Also es geht wirklich sozusagen um die Kriegsfolgen insgesamt. Und gerade deshalb ist es notwendig, die unterschiedlichen Herangehensweisen, die unterschiedlichen Methoden einmal zusammenzuführen, einmal in einer internationalen Konferenz diese Erfahrungen mitzuteilen und dann einfach auch neue Wege zu überlegen. Ich glaube nicht, dass es die großen Überraschungen geben wird. Das ist gar nicht so sehr das Thema. Aber diese einzelnen Maßnahmen, und vor allen Dingen das Wissen, das wir in den letzten zehn Jahren deutlich dazu bekommen haben, und weitere Forschungsmaßnahmen, die es in den letzten Jahren gegeben hat im Zusammenhang mit den Kriegsfolgen im Bereich der Kultur, machen es dringend notwendig, solche internationalen Konferenzen durchzuführen.

    Schossig: Welches Wissen ist das, Herr Roth? Sind das interdisziplinäre Erfahrungen, sind das historisch neue Betrachtungsweisen, sind das internationale Sichten, die wir jetzt neu haben?

    Roth: Also noch mal, damit ich da richtig verstanden werde: Es geht nicht nur um die Restitution im Zusammenhang mit jüdischem Besitz. Wenn wir sozusagen alle Maßnahmen, die wir in den letzten Jahren ergriffen haben, vergleichen, dann sehen wir, dass wir viel dazugelernt haben allein mit der Frage: Was ist passiert um 45? Oder was ist passiert im Zusammenhang mit Enteignen, von dem großen Zusammenhang der "entarteten Kunst"? Oder wie verliefen die Raubzüge und die Rückgabeproblematik schon ab den 50er und 60er Jahren, wenn man sieht, wie einzelne Werke zum Beispiel die Sowjetunion verlassen haben nämlich dann, wenn sie eben gestohlen wurden, deshalb das Wort Raubzüge. Also das sind alles Themen, die uns helfen werden, in Zukunft anders zu arbeiten. Und was eben dabei auch noch dazu kommt, wenn Sie mich fragen, was haben wir denn dazugelernt, dann ist es das Thema "Best Practices". Also was ist in anderen europäischen Ländern geschehen, wie hat man in anderen europäischen Ländern gearbeitet? Und dort schätze ich unter anderem die hohe Transparenz in den Verhandlungen, das politische Engagement und auch den Versuch, gemeinsam finanzielle Möglichkeiten zu finden um auszugleichen, beziehungsweise die Kunst in den Museen zu belassen.

    Schossig: Herr Roth, auf Initiative des Kulturstaatsministers ist im vergangenen Jahr eine zentrale Stelle für Restitution und Provenienzforschung entstanden in Berlin. Sie haben ihn jetzt noch mal ganz explizit aufgefordert, ein Zeichen in dieser Sache zu setzen. Wie müsste denn das Ihrer Ansicht nach aussehen?

    Roth: Dass diese Stelle gegründet worden ist, ist hervorragend. Und das kann man auch wirklich nur gut heißen und auch dankbar sein, dass das mit großem politischen Nachdruck umgesetzt worden ist. Aber eine solche Stelle kann nie, das Wort mag unpassend sein, so eine Stelle kann nie flächendeckend arbeiten. Das sind punktuelle Maßnahmen, wo man Hilfestellungen leisten kann. Es ist aber dringend notwenig nach all den Erfahrungen, die wir gemacht haben, dass es so etwas wie eine bundesweite, eine nationale Debatte gibt zu diesem Thema, vielleicht um sie auch wirklich irgendwann mal abzuschließen. Aber das heißt, es braucht so etwas wie eine intellektuelle Führungsrolle eines Ministers, der nun mal für die Kultur zuständig ist in diesem Lande, um ein solches Projekt umzusetzen.

    Und wir sehen das ja, dass wir nicht nur in Deutschland davon betroffen sind. Es wird jetzt am Wochenende an der Harvard Law School eine imposante Konferenz stattfinden zum Thema "Geschichte der Beutekunstgesetzgebung in Russland". Und wir sehen auch da, dass dieses Thema jüdischer Besitz und Beutekunst eng miteinander verflochten sind. Also das heißt, wir in Deutschland, vielleicht einfach auch noch einmal aus Gründen der Geschichtsaufarbeitung, aber auch wenn es um die zukünftige Herangehensweisen geht, sind, glaube ich, dringend aufgefordert, eine solche Konferenz zehn Jahre nach Washington umzusetzen.

    Schossig: Martin Roth, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen, in Dresden mit Vorschlägen zur Intensivierung der Restituierungsbemühungen in Deutschland.