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RTL-Chefreporterin Lehfeldt und FDP-Spitzenkandidat Lindner
Journalistische Interessenkonflikte

FDP-Chef Christian Lindner ist seit Jahren mit Franca Lehfeldt liiert. Die Journalistin berichtet für RTL als Chefreporterin aus Berlin. Nun hat der FDP-Chef mitten im Wahlkampf in der "Bunte" über sehr private Pläne gesprochen. Ein Interview, über das dann auch RTL berichtet hat. Einen Interessenkonflikt sieht der Sender nicht.

Von Michael Borgers |
Christian Lindner und Franca Lehfeldt stehen beim 25. RTL Spendenmarathon in einem TV-Studio
Christian Lindner und Franca Lehfeldt stehen beim 25. RTL Spendenmarathon in einem TV-Studio (picture alliance/dpa | Henning Kaiser)
Elfeinhalb Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer – und jede Menge Aufmerksamkeit auch im Nachgang: Das Triell mit Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Armin Laschet ist ein Erfolg für RTL. In der eigenen Nachberichterstattung eine zentrale Rolle nimmt Chefreporterin Franca Lehfeldt ein. In der Online-Analyse des Senders sind alleine drei kurze Videos eingebaut mit Bildern und Einschätzungen der RTL-Chefreporterin auf Fragen von Moderator Wolfram Kons, so wie diese:
Wolfram Kons: "Sprechen wir mal über die Grünen, Franca. Annalena Baerbock, sie muss ja dringend wieder punkten, nach all ihren Patzern, liegt jetzt auf Platz drei. Hat sie deshalb gestern vermieden, konkrete Belastungen für den Klimaschutz zu benennen?"
Franca Lehfeldt: "Absolut, Wolfram, um das Wort Verbote hat sie einen großen Bogen gemacht. Aber sie hat es auch nicht geschafft, den Vorwurf der Verbotspartei zu entkräften. Und genau das ist ein wichtiger Punkt, bei dem die Grünen am 26.9. doch noch viele Prozentpunkte einbüßen können."

Kommunikationswissenschaftler: "Etwas problematisch"

Wer den Artikel bis zum Schluss liest, findet dann ein weiteres Mal Lehfeldt: In einem von mehreren Teaser-Bildern zu weiteren RTL-Inhalten ist sie lachend neben Christian Lindner zu sehen. Die Überschrift zu diesem Artikel: "Mitten im Wahlkampf: Diese offenen Worte teilt der Politiker über seinen Kinderwunsch." Im Text, der Zusammenfassung eines Interviews Lindners mit der Zeitschrift "Bunte", ist dann zu erfahren, dass der FDP-Vorsitzende und die RTL-Chefreporterin seit drei Jahren ein Paar sind. Für ihn sei Familie wichtiger als Karriere, wird Lindner zitiert. Er wolle schon "bald zwei, drei oder vier Mädchen oder Jungs" haben.
Das TV-Triell und seine Effekte
Wer das erste TV-Triell für sich entschieden hat, bewerten Medien zum Teil sehr unterschiedlich. Fest steht: Das Format hat einen Effekt auf bestimmte Wahlentscheidungen. Und wichtig ist hierbei auch, wie im Anschluss berichtet wird.
Dass Politiker gegenüber Medien Privates preisgeben, ist nicht neu. Und auch enge Verbindungen zwischen beiden Berufsständen habe es schon immer gegeben, sagt Peter Maurer. Der Trierer Politik- und Kommunikationswissenschaftler begrüßt, wie transparent Lehfeldt und Lindner mit ihrer Beziehung umgehen. Insgesamt sei der Fall aber "ungewöhnlich" und auch "etwas problematisch", etwa dann, wenn die Journalistin Friedrich Merz von der CDU interviewe:
"Das wäre schon ein Beispiel, wo ich sagen würde: Hier kann es einen Interessenkonflikt geben. Weil eben beide Parteien, also die Partei ihres Lebenspartners, Christian Lindner, die FDP, und natürlich die CDU, um ähnliche Wählerschichten kämpfen. Und da ist natürlich schon ein gewisser Vorteil, wenn sozusagen der eigentlich objektive Journalist privat im Hintergrund eng verbandelt ist mit dem Parteivorsitzenden der FDP."

RTL: Öffentlich machen dient der Transparenz

Franca Lehfeldt sei eine "exzellente und professionelle Journalistin, die Beruf und Privates trennen kann", teilt eine RTL-Sprecherin dem Deutschlandfunk mit auf die Frage, ob Christian Lindner mit Interviews, wie dem zu seinem Kinderwunsch, Franca Lehfeldt nicht zum Teil seines Wahlkampfs mache. Dass die Journalistin grundsätzlich ihre Beziehung öffentlich mache, diene der Transparenz. "Sollte sie selbst oder wir in Einzelfällen einen Interessenkonflikt befürchten, reagieren wir entsprechend unserer journalistischen Sorgfalts- und Qualitätskriterien", so die Sprecherin weiter.
Aber wie genau sehen diese Kriterien aus? Fragt sich Peter Maurer, auch vor dem Hintergrund der neuesten Nachrichteninitiative einiger privaten Sender: "Es ist jetzt die Frage, wie sich die Rollenverständnisse und wie sich die journalistische Ethik im Bereich der Politikberichterstattung bei den privaten Sendern, also RTL, ntv, Sat1, Pro7, wie sich das herauskristallisiert. Mein erster Eindruck ist, es gibt da schon weniger Hemmungen, Nähe zu zeigen oder politische Präferenzen zu zeigen."
RTL und ProSieben - Die neue Nachrichtenkompetenz
Die privaten Fernsehsender in Deutschland haben eine Info-Offensive gestartet und verpflichten prominente Fernsehgesichter von der ARD. Beim Strategiewechsel spielt die Corona-Pandemie eine Rolle – aber auch Netflix.
Als Beispiel nennt der Wissenschaftler das Interview auf Pro7 mit Annalena Baerbock, nachdem diese zur grünen Spitzenkandidatin nominiert wurde und bei dem das Moderatorenteam am Ende applaudiert hat.

rbb reagiert auf "möglichen Interessenkonflikt"

Andererseits, unterstreicht Maurer, sei eine private Beziehung, wie im Fall von Franca Lehfeldt, natürlich auch bei öffentlich-rechtlichen Sendern möglich. Und tatsächlich gibt es auch hier ein aktuelles prominentes Beispiel:
Moderatorin Radioeins: "Gestern Abend gab’s das erste sogenannte Triell der Kanzlerkandidat*innen – haben Sie’s gesehen?"
Bettina Jarasch: "Nein (lacht), aber meine Twitter-Blase hat mir berichtet."
Bettina Jarasch im Interview auf Radioeins des rbb. Jarasch ist die Spitzenkandidatin der Grünen bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin. Und: Bettina Jarasch ist mit Oliver Jarasch verheiratet, der die politische Berichterstattung des Hauptstadtsenders verantwortet hat. Eine Konstellation, die im vergangenen Jahr öffentlich für Fragen sorgte – und auf die der rbb reagierte.
Jaraschs "journalistische Integrität und parteipolitische Unabhängigkeit" stehe außer Frage, erklärte der Sender gegenüber dem Deutschlandfunk. Doch "um jeglichen Anschein eines möglichen Interessenkonflikts zu vermeiden", sei er nicht mehr im aktuellen, operativen Geschäft tätig. Jarasch arbeite nun an anderer Stelle im Haus.
Peter Maurer von der Uni Trier: "Mein Eindruck ist schon, das kann man auch aus Forschung oder aus Befragungen von Journalisten erkennen, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, es da schon, was diese Nähe angeht, schon gut etablierte und seriöse Standards gibt, an denen sich die Privaten orientieren sollten."
Natürlich bedeute das nicht, dass es unter öffentlich-rechtlichen Journalistinnen und Journalisten nicht auch politische Färbungen gebe.