Deutschland hat einen neuen "nationalen Medien-Champion" - so sieht es jedenfalls Thomas Rabe, der CEO von Bertelsmann. Der Sender RTL, der mehrheitlich zur Bertelsmann-Gruppe gehört, hatte da gerade die Übernahme eines Großteils des Verlags Gruner + Jahr bekannt gegeben. Damit gehören bekannte Magazin-Titel wie "Stern", "Brigitte" oder "Geo" von nun an zu RTL, und der Fernsehsender plant mit dieser Akquise, der Konkurrenz von internationalen Streaming-Anbietern etwas entgegenzusetzen. Die Übernahme solle "unsere Mediengeschäfte auf dem deutschen Markt im Wettbewerb mit den globalen Tech-Plattformen" stärken, so Rabe im Intranet von Bertelsmann.
Für den Medienökonomen Frank Lobigs von der TU Dortmund ist die Übernahme ein logischer Schritt, der auch aus einer gewissen Not heraus geboren ist. Die Medienpolitik hierzulande würde deutsche Medienunternehmen im Wettbewerb gegen internationale Streamingplattformen zu wenig unterstützen und habe kaum Antworten auf die Herausforderungen durch Netflix oder Amazon Prime, sagte Lobigs im Dlf. "Und im Zweifel muss ein Chef von Bertelsmann sich überlegen: Wie geht es weiter? Und diese Übernahme ist seine Antwort."
Medienökonom: Bertelsmann reagiert auf Versäumnisse der Medienpolitik
Es gebe sogar Voraussagen, nach denen sich Bertelsmann in zwei, drei Jahren mit ProSiebenSat1 zusammentun werde, um sich als Nischenanbieter gegenüber den großen Streamingplattformen behaupten zu können, so Lobigs. Ein Thema, das die deutsche Medienpolitik stärker begleiten müsse, um für nationale Alternativen auf dem Streaming-Markt zu sorgen.
"Man sollte im publizistischen Bereich im Wettbewerb stehen, aber man sollte in vielerlei Hinsicht stärker zusammenarbeiten, um dann Synergien zu heben und ein gutes Angebot auf dem Abo-Streaming-Markt machen zu können. Hier wäre die Medienpolitik gefordert, diese Kooperationen anzustiften, die dafür sorgen, dass die publizistische Vielfalt nicht verloren geht, gleichzeitig aber Kräfte bündelt, um ein Gegenangebot zu machen. Zum Beispiel eine gemeinsame Plattform bildet, wo dann auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk diese Plattform stärkt, die dann wiederum die Privaten stärkt. Aber da wir da null Initiative haben, ist es klar, dass irgendwann dieses große Unternehmen Bertelsmann sagt: Tja, wie soll's weitergehen? Wir versuchen der nationale Champion zu werden, und wir werden das mit aller Kraft verfolgen. Und das ist wenigstens eine Aktion."
"Unsicheres Projekt" - und trotzdem fast alternativlos?
Diese Aktion wird allerdings nicht überall positiv gesehen - vor allem bei den Mitarbeitenden von Gruner + Jahr gibt es durch die Fusion Ängste, dass Arbeitsplätze eingespart werden. Ängste, die Lobigs versteht. Er bezeichnet den neuen Medienriesen als "sehr unsicheres Projekt", sieht aber mit Blick auf die sinkenden Umsätze von Gruner + Jahr im Magazinbereich kaum Alternativen.
"Da wäre eine Sparrunde nach der anderen gekommen. Jetzt hat man wenigstens die Aussage: Wir wollen nicht sparen und wir können das mit diesen Produkten auf die Dauer auch nicht machen. Der 'Stern' ist irgendwann nicht mehr der 'Stern', wenn man nur noch spart. Das heißt, man muss irgendwie etwas haben, um das Ganze in eine neue Welt zu transformieren. Und da will Gruner + Jahr der 'nationale Champion' werden, also der Anbieter, der sich dann auch mit der Abo-Streamingplattform neben den Großen noch reinquetschen kann als Nischenanbieter."
Deshalb sei die Zusammenlegung der Kräfte womöglich ein guter Schritt, glaubt Lobigs. Durch die Fusion wolle man nun versuchen, ein Aufbruchsszenario zu schaffen, für Journalistinnen und Journalisten attraktiv werden und die Produkte mit Blick auf die heutigen Ausspielwege optimieren.