"Als sie von dem Torpedo getroffen wurde, herrschte schwerer Sturm mit Hagel- und Regenschauern und hochgehender See. Infolge des ungünstigen Wetters und der Dunkelheit kenterten mindestens vier von den zwölf zu Wasser gelassenen Rettungsbooten. Andere liefen voll und viele Leute wurden einfach weggeschwemmt."
Mit diesen nüchternen Worten schilderte ein Ankläger während des Nürnberger Prozesses die Katastrophe der "City of Benares". Wider jedes Kriegsrecht, so die alliierte Sicht, war der englische Dampfer durch ein deutsches U-Boot am 18. September 1940 versenkt worden - weshalb der Verlust des Schiffes überhaupt in Nürnberg aktenkundig wurde. Doch dieser Untergang bleibt auch aus einem anderen Grund bedeutsam: An jenem Tag nämlich, auf dem Weg nach Kanada, transportierte der Liner etliche aus Nazi-Deutschland geflohene Emigranten - darunter auch den deutschen Juristen und Journalisten Rudolf Olden und seine Frau Ika. Sie waren nicht unter den wenigen Überlebenden.
Eindeutige Aussagen zu Hitler
Rudolf Olden, geboren am 14. Januar 1885 in Stettin, gehörte zu den bekanntesten und wirksamsten Journalisten und Juristen der Weimarer Republik. Er sprach und schrieb als einer der wenigen Freiwilligen und Offiziere, die durch den Ersten Weltkrieg zu überzeugten Pazifisten und Demokraten geworden waren, unter anderem für die "Weltbühne" und das "Berliner Tageblatt". Nach einem kurzen Intermezzo in Wien, wurde er 1925 von Theodor Wolff nach Berlin geholt. Sein Großneffe Michael Seidel erinnerte sich anlässlich einer Ausstellung über Olden im Jahre 2010: "Er hat also die deutsche Politik und die Weltpolitik immer als Leitartikler auf der ersten Seite kommentiert. Also ist er von einem Punkt, von dem er immer so ein bisschen Eindruck aus Österreich geschickt hat, ist er ein Mann geworden, von dem Tucholsky gesagt hat, er sei einer der 200 wichtigsten Männer in Berlin gewesen."
Bereits früh hatte er sich mit Adolf Hitler auseinandergesetzt. In der kleinen Schrift "Propheten in deutscher Krise" warnte er eindrücklich vor ihm und setzte dies nach seiner Emigration fort. Insbesondere seine psychologisch grundierte Biographie Hitlers, publiziert 1935 in der Emigration, findet zu eindeutigen Aussagen:
"Wer ists? Wir wissen genug von ihm, um die Antwort zu wagen. Ein Mensch, der im Kindlichen, im Barbarischen der Kinderstube, steckengeblieben ist. Ein Kind, dem ein böser Gott Gestalt und Intellekt des Erwachsenen und dazu die Riesenkraft des Temperaments gegeben hat. Der Frage, die heute auf Vieler Lippen brennt: Was ist von ihm zu erwarten? ist damit zugleich die Antwort gegeben: Alles."
Gegen Unrecht und Unterdrückung
Noch in der Schlussphase der Republik musste sich Olden vor allem mit Zensur-Prozessen beschäftigen. Bekannt wurde er als Mit-Verteidiger von Carl von Ossietzky, der als Herausgeber der "Weltbühne" 1931 wegen angeblichem Landesverrat verurteilt worden war. Kurz darauf, noch in Haft, wurde Ossietzky ein zweites Mal angeklagt, wegen des von Tucholsky in der Weltbühne publizierten Satzes "Soldaten sind Mörder". Olden konnte indessen in den Verhandlungen schlüssig nachweisen, dass dergleichen dutzendfach in Geschichte und Literatur zu finden sei. Im Juli 1932 hieß es in der "Weltbühne" über den Auftritt Oldens:
"Rechtsanwalt Olden trug die Masse der Zitate vor, von Laotse und Erasmus über Friedrich den Großen, Voltaire, Kant und Goethe, bis zu Victor Hugo und Raabe, in denen Soldaten Mörder, Henker, Schlächter genannt wurden. Nie hat eine Armee deshalb Strafantrag gestellt, nie ein Staatsanwalt angeklagt, ein Gericht verurteilt."
Sofort nach der Machtergreifung war Oldens Leben bedroht. Michael Seidel: "1933 erschien er in einem Gerichtsverfahren in einem Gericht und wie er aus dem Verfahren raus kam, bekam er einen Telefonanruf von einem Freund, der sagte: die warten für dich am Kammergericht und deiner Wohnung. Da ist er Knall und Fall, da ist er nach München gefahren, hat sich Skier ausgeliehen und ist über den Böhmer Wald am nächsten Tag - im März - 1933 in die Tschechoslowakei gekommen."
Bald darauf gelangte er mit seiner Frau nach England.
"Er war einer der letzten honorigen Freisinnigen Deutschlands, war nicht mondän, nicht erfolgsgierig, ohne ekelhaften bürgerlichen Ehrgeiz. Wo er konnte, wandte er sich gegen Unrecht, Unterdrückungen, Verleumdungen und stiftete viel Gutes." So der gleichaltrige Freund und Pazifist Kurt Hiller am 27. September 1940 in seiner Gedenkrede. Sehr viel Besseres lässt sich über einen Menschen kaum sagen.