Latin Lover, glutäugiger Verführer und lasziver Exot – kaum ein Schauspieler wurde so sehr mit erotischen Etiketten belegt wie Rudolph Valentino. In den Zeiten des Stummfilms stand er für eine neue Körperlichkeit und Sinnlichkeit. Er spielte lüsterne Scheichs und skrupellose Verführer, tangotanzende Abenteurer, liebeskranke Toreros. Sein Gesicht mit den kühn geblähten Nasenflügeln und den dunkel-glänzenden Augen unter dem pomadisierten Haar wurde zum Inbegriff einer geheimnisvollen männlichen Sexyness.
Valentino war einer der ersten Superstars der Kinogeschichte und löste Massenhysterien aus. Von ihm sind keine Tonaufnahmen überliefert, aber immerhin dieses schöne Zitat.
"Die Frauen sind nicht in mich, sondern in mein Bild im Kino verliebt. Ich bin nur die Leinwand, auf die sie ihre Träume malen."
Geboren wurde er am 6. Mai 1895 als Sohn einer Französin und eines italienischen Tierarztes im Städtchen Castellaneta in Apulien. Er war das, was man ein schwieriges Kind nennt, temperamentvoll, in der Schule aufmüpfig und im Dorf zu Streichen aufgelegt. Knapp schafft er ein Diplom der Landwirtschaft.
Tänzer, Gigolo und Schauspieler
Seine Eltern kaufen dem 18-jährigen Rodolfo im Mai 1913 eine Schiffspassage nach New York, auf dass aus dem übermütigen jungen Mann ein Auswanderer und Glücksritter werde. Und fast scheint es, als beginne in der neuen Welt sofort ein Valentino-Abenteuerfilm: Er schlägt sich als Gärtner durch, als tanzender Gigolo für reiche Witwen. Schon sehr jung ist er in Skandale verwickelt - eine Geliebte von Valentino erschießt ihren Ex-Mann. Später werden diese Geschichten mit seinem Image des verwegenen Verführers verschmelzen. Er geht nach Kalifornien, tritt in Musicals und Vaudeville-Shows auf, ändert seinen Namen in Rudolph Valentino, bekommt in Hollywood erste Nebenrollen: Er spielt die bad guys, Schurken, Gauner, Betrüger, finstere italienische Grafen. Die Hauptrollen hingegen gehen an weiße "all american" Männer wie Douglas Fairbanks.
Entdeckerin und Förderin: June Mathis
Es ist die um einiges ältere Drehbuchautorin und Produzentin June Mathis, die Valentinos Charisma erkennt und ihm 1921 die Hauptrolle eines tangotanzenden Weltenbummlers in dem Abenteuerfilm "Die vier Reiter der Apokalypse" verschafft. Noch nie zuvor hatte ein Mann in einem US-amerikanischen Film so lasziv und verführerisch getanzt. Dieser Tango hat die Welt verändert, sagt June Mathis über Valentino. Und er soll über sie gesagt haben:
"Sie hat mich entdeckt. Alles, was ich erreicht habe, verdanke ich ihr, ihrem Urteil, ihren Ratschlägen, ihrer Geduld und ihrem Vertrauen zu mir."
Mit "Der Scheich" wird Valentino zum globalen Phänomen
1921 ist Rudolph Valentino noch in drei weiteren Filmen zu sehen. In der Rolle des zügellosen Arabers in "Der Scheich" sollte er unsterblich werden. In George Melfords Kostümdrama bringt er eine junge Engländerin in seine Gewalt. Wüstenwind, weiße Pferde, die schutzlose Schöne und die begehrlichen Blicke des Entführers - Valentino wird mit dem Film zum globalen Phänomen. Mit astronomischen Gagen: 200.000 Dollar plus Gewinnbeteiligung. Vor dem Rummel des Erfolgs versucht Valentino ins Private zu entfliehen. Er stürzt sich in eine unglückliche Ehe mit der kapriziösen Tänzerin Natascha Rambova, die versucht, alle Aspekte seines privaten und beruflichen Lebens zu kontrollieren. Er nimmt eine Schallplatte auf, einziges erhaltenes Zeugnis seiner Stimme.
Ein Begräbnis wie im Film
Durch seinen populärkulturellen Ruhm gerät Rudolph Valentino ins Visier reaktionärer amerikanischer Kulturkämpfer. Die Zeitung Chicago Tribune bezeichnet ihn abfällig als "pinkfarbene Puderquaste", die das Bild des amerikanischen Mannes verweichliche. In den folgenden Jahren versucht Valentino vom Image des ewigen Liebhabers loszukommen und andere, vermeintlich seriösere Rollen zu spielen. Mit mäßigem Erfolg. Und dennoch: In nur fünf Jahren hatte er das Kino mit seinem verführerischen Rollentypus geprägt, der bis heute ein Markenzeichen ist. Am 23. August 1926 starb Rudolph Valentino mit nur 31 Jahren in New York an einem perforierten Magengeschwür. Zu seinem Begräbnis kamen über 100.000 Menschen, es gab Tumulte, seine letzte Geliebte, die Schauspielerin Pola Negri, fiel in Ohnmacht – es war wie die Schlussszene eines großen Valentino-Films.