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Rückbesinnung auf den alten Glauben

Die Roma in Bulgarien leben oft in Gettos. Besonders benachteiligt sind Muslime unter ihnen: Während des Kommunismus mussten sie ihre muslimischen Namen ändern, ihre Kinder durften sie nicht beschneiden. Heute wirft die Staatssicherheit mehreren Imamen vor, extremistisches Gedankengut zu verbreiten.

Von Naomi Conrad |
    Mehrere ältere Männer mit dichten schwarzen Bärten haben die Holzbank im Schatten der giftgrünen Moschee in Beschlag genommen. Sie trinken Kaffee aus Plastikbechern und plaudern mit den anderen Gläubigen, die nach und nach in den Innenhof schlendern. Viele der Jüngeren tragen lange Tuniken, andere enge Jeans und bunte T-Shirts.

    "Grüß Gott. Sprechen Sie Deutsch? Wie geht’s?"

    Ein Mann in einer dunkelblauen Tunika, der sich als Ahmed vorstellt, hockt sich neben die Bank. Er arbeite seit vielen Jahren als Handwerker in Deutschland, erzählt er: Mal in Dortmund, dann in München - immer dort, wo es Arbeit gibt. Er ist für den Ramadan zurück in seine Heimatstadt Pazardzhik in Südbulgarien gekommen, bald soll es wieder nach Deutschland gehen. Er lehnt sich vor und lächelt.

    "Große Kultur haben Sie in Deutschland."

    Ahmed entschuldigt sich, die Predigt beginne gleich. Das Mikrophon ist schon ausgestellt, als er sich noch einmal umdreht: In Deutschland, sagt er, habe man ihn in allen Cafés bedient, ihn wie einen richtigen Menschen behandelt – und nicht, wie hier, wie einen dreckigen Roma. Er zuckt die Schultern und dreht sich weg.

    Die Männer, die ihre staubigen Sandalen abstreifen, um den Gebetsraum der Moschee zu betreten, sind Roma: Mitglieder einer über Jahrhunderte benachteiligten und ausgegrenzten Minderheit. Oft leben sie wie in Pazardzhik in einem Getto. Besonders benachteiligt sind die Muslime unter ihnen: Während des Kommunismus wurden sie gezwungen, ihre muslimischen Namen zu ändern und ihre Kinder durften sie nicht beschneiden, erklärt Yuliana Metodieva vom Helsinki-Komitee, einer bulgarischen Menschenrechtsorganisation:

    "Vor der Wende hat die Staatssicherheit Agenten unter die muslimischen Roma geschleust. Wir haben Dokumente, die zeigen, dass die Roma erpresst wurden: Man hat ihnen gedroht, dass sie keine Arbeit bekommen, falls sie in die Moschee gehen."

    Nach der Wende hätte der Islam eine Renaissance in Bulgarien erfahren, sagt Metodieva. Der Argwohn gegenüber Muslimen aber sei unverändert groß.

    "Die Bürokratie in Bulgarien ist sehr feindselig gegenüber Muslimen eingestellt. Aber auch in den Medien gibt es eine regelrechte Hysterie: Die suchen ständig Schläfer von Al-Kaida hier im Land!"

    Metodieva schüttelt den Kopf: Muslime, darunter auch viele Roma, würden sich lediglich auf ihren alten Glauben zurückbesinnen.

    Das sieht die Staatssicherheit anders: Sie beschuldigt mehrere Imame, extremistische Lehren, sogar Terrorismus zu verbreiten und Gelder aus Saudi-Arabien anzunehmen. Es gibt auch Gerüchte, dass Frauen bezahlt werden, damit sie ein Kopftuch tragen. Die Vorwürfe weißt ein Sprecher des bulgarischen Muftis zurück. Wiederholte Interviewanfragen des Deutschlandfunks wurden von der Staatssicherheit mit Hinweise auf laufende Verfahren abgelehnt.

    Zu Besuch beim Iman
    Auch Ahmed Moussa, der Imam der Moschee im Roma-Viertel in Pazardhzik wird beschuldigt, extremistische Ansichten zu verbreiten.

    Ein staubiger Weg führt zu dem großen Eisentor, das Moussas kleines Haus versteckt.

    Der Imam serviert Kaffee und Sahnetorte und legt noch ein paar Stücke Baklava-Gebäck auf den Teller. Auf mehreren Regalen sind türkisch- und arabischsprachige Bücher aufgereiht, auf dem Schreibtisch steht ein Computer, vom Bildschirm lächelt eine Barbie in den Raum: ihre langen blonden Haare fallen über ihre Schultern. Shasineh, Moussas Frau, zupft noch kurz an ihrer schwarzen Burka, bevor sie den Raum betritt.

    Shasineh:

    "Die Leute in der Stadt haben sich an die Burka gewöhnt, auch die Ärzte sagen nichts. Gut, manche schimpfen natürlich schon auf uns: Wer bezahlt euch was? Warum macht ihr das? Solche Sachen!"

    Shasineh, die früher Svetlana hieß, lächelt: Seit drei Jahren bedecke sie sich, aus Angst, sonst nicht ins Paradies zu kommen. Traditionell ist der Islam der Roma eine Mischung aus muslimischem Glauben, Ritualen und bunten, locker-gebundenen Kopftüchern. Doch die alten Bräuche haben Shasineh und die anderen Frauen, die sich in Pazardzhik in Burkas hüllen, längst aufgegeben.

    Im Viertel wohnen etwa 40.000 Roma, darunter Christen, Muslime und Atheisten. 600 Menschen gehören zu Ahmed Moussas Gemeinde – und es werden immer mehr. Radikale Tendenzen? Salafisten? Der Imam schüttelt den Kopf.

    "Hier im Viertel wird niemand radikal, das ist sehr unwahrscheinlich! Eher, dass sie bei euch, in Deutschland, irgendwelche Radikale kennenlernen. Oder auch in der Türkei und dann zurückkommen. Aber hier im Viertel? Nein."

    Dazu seien die Menschen einfach zu arm, die Arbeitslosigkeit liegt bei über 90 Prozent. Überhaupt hätten viele Mitglieder der Gemeinde erst im Ausland zum "wahren Islam", wie Moussa ihn nennt, gefunden.

    "Es gibt viele solche Fälle. Also, sie waren nicht ganz ungläubig, als sie hingefahren sind, aber auch nicht besonders gläubig. Und dann haben sie dort Muslime kennengelernt und Unterstützung bekommen und sind wiedergekommen mit einem stärkeren Glauben."

    Einem Glauben, der das Viertel verändert habe, fügt Moussa an.

    "Bevor die Leute konvertierten, war Alkohol ein großes Problem. 12-Jährige haben geheiratet und Kinder bekommen: Kinder haben Kinder bekommen. Es gab viel Gewalt und Drogen. Das hat sich alles geändert: Jetzt gibt es hier gar keine Drogen mehr."

    Die Vorwürfe gegen ihn seien politisch motiviert – die Behörden hätten einfach Angst vor dem Islam.

    Der Innenhof der Moschee ist wie ausgestorben, die Bank im Schatten leer. Bald werden sich die Männer aus dem Viertel wieder in Richtung Deutschland oder Österreich aufmachen, um Arbeit zu suchen – und vielleicht mit einem anderen Glauben wiederkommen. Einem, der manchen im Land Sorgen bereitet - und anderen Hoffnung gibt.