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Rückblick auf das Jahr 1968
Demos, Polizeigewalt und ein Attentat

Der Tod des Studenten Benno Ohnesorg 1967 markiert für viele den Beginn der Studentenbewegung: Junge Menschen gingen auf die Straße, demonstrierten für Reformen an den Universitäten - strebten aber auch eine Neuordnung der Gesellschaft an. Erst später radikalisierte sich die Bewegung.

Von Andrea Lueg |
    Am 06.06.1967 startete die AStA in Frankfurt am Main eine Informationskampagne zum Tode Benno Ohnesorgs. An rund 20 Plätzen wurden in der Innenstadt Informationsstände aufgebaut und Studenten, die zum Zeichen iher Trauer schwarze Armbinden trugen, stellten sich als Diskussionspartner zur Verfügung. Sie zeigtenTransparente und Schilder, hier mit der Aufschrift: "Bei Schahbesuch, Student ermordet".
    Trauer um Benno Ohnesorg (dpa/Wolfgang Weihs)
    "Ich stand am Rande dieses Hofes und hab dann gesehen wie eine Traube von Polizisten um diesen Mann mit dem roten Hemd herumgruppiert war und auf ihn losschlug. Dann hab ich plötzlich das Mündungsfeuer von einer Pistole gesehen und den Knall von einer Pistole. Im nächsten Moment habe ich gesehen, wie er halb hinter einem Auto auf dem Boden lag und sich nicht mehr regte."
    Der Mann mit dem roten Hemd, den der Augenzeuge hier beschreibt, ist der Student Benno Ohnesorg, der bei einer Demonstration am 2. Juni 1967 in West-Berlin getötet wurde. An diesem Tag war der Schah von Persien mit seiner Frau zu Besuch in Berlin. Studierende protestierten gegen sein repressives Regime.
    Brutales Vorgehen gegen Demonstranten
    Als sie sich mit Plakaten bei der Vorfahrt des Paares beim Rathaus Schöneberg unter die Schaulustigen mischten, gingen sogenannte "Jubelperser", herbeigekarrte regimetreue Landsleute des Schahs, mit Latten auf die Demonstranten los und schlugen auf sie ein. Später am Abend gab es weitere Demos, bei denen auch Tomaten, Eier und Steine flogen. Die Polizei reagierte mit einem massiven Aufgebot und brutalem Vorgehen gegen die Demonstranten und unbeteiligte Schaulustige. Ein RIAS-Reporter beschreibt, was er gesehen hat:
    "Inzwischen herrscht Ruhe, aber das, was sich hier bot, meine Damen und Herren, kann man eigentlich kaum noch mit Worten beschreiben. Man kann nur eins sagen: Man muss der Polizeiführung bescheinigen, dass hier wieder völliges Versagen vorliegt."
    In dem Durcheinander zog Karl-Heinz Kurras, ein Polizeibeamter in Zivil, seine Pistole und schoß Benno Ohnesorg von hinten in den Kopf. Erst viel später stellte sich heraus, dass Kurras ein Stasi-Spitzel war. Er argumentierte mit Notwehr und kam damit bei zwei Prozessen davon. Die Studierenden waren schockiert.
    "Wir haben heute Morgen um vier eine Erklärung abgegeben, dass wir mit tiefer Betroffenheit die Nachricht vom Tode unseres Kommilitonen Benno Ohnesorg vernommen haben."
    "Das war ein schwerer Einschnitt, wir waren tief aufgewühlt und aufgeregt, vor allem auch über die Umstände, die dann in den nächsten Tagen langsam ans Licht kamen", erinnert sich Götz Aly, Historiker und Zeitzeuge.
    Die Politik hatte auch nach dem Tod Benno Ohnesorgs mit völligem Unverständnis auf die Proteste der Studierenden reagiert.
    "Bei uns versucht eine kleine Gruppe von Extremisten, den freiheitlichen Rechtsstaat handlungsunfähig zu machen – Unsere Antwort: Schluss damit!"
    Tod Ohnesorgs markiert historischen Einschnitt
    Wer heute über 68 redet oder die 68er, der beginnt meist mit dem Tod Benno Ohnesorgs, denn das Datum markiert einen historischen Einschnitt. Schon zuvor hatte es Aktionen deutscher Studierender gegeben, die sich gegen die etablierte Ordnung, gegen das Establishment auflehnten.
    "Und wenn ich mich richtige erinnere, hab ich auch ein Flugblatt geschrieben mit Freunden zusammen. Wir waren damals schon so eine Linken-Gruppierung, sangen die Internationale und schoben uns gegenseitig Raubdrucke von Schriften von Wilhelm Reich zu, 'Die Funktion des Orgasmus', das kann man sich heute alles gar nicht mehr vorstellen diese Welt, aber damit konnten wir unsere Lehrer zur Weißglut bringen."
    Die Studierenden wollten Reformen an den Universitäten, wollten den Muff von 1.000 Jahren unter den Talaren beseitigen, forderten mehr Mitbestimmung, andere Lehrinhalte , aber sie wollten auch eine Reform der ganzen Gesellschaft.
    "Diese erste Nachkriegsgeneration erwachte – aus den Fesseln des Kalten Krieges, des Freund-Feind Denkens aber auch aus den materiellen Zwängen die der Zweite Weltkrieg mitgebracht hatte. Die Welt war bis dahin eingeeist gewesen in vielerlei Hinsicht und das löste sich."
    Radikalisierung der Studentenbewegung
    Nach dem Tod Benno Ohnesorgs, dann dem Attentat auf Rudi Dutschke, kam es zu einer Radikalisierung der Studentenbewegung. Die Frage nach der Gewalt in der politischen Kontroverse hat die 68er nicht mehr verlassen. Was 68 gebracht hat? Das wird bis heute diskutiert.