Was wird aus den Tausenden Kulturgütern, die aus den Kolonien geraubt wurden? Andreas Görgen, der Chef der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes, ist von Spitzengesprächen aus Nigeria zurück. Die gesamte Geschichte der Frage der Restitution sei "für Nigeria ein Verlust, der über 100 Jahre andauert und wirklich ein Trauma", was sich sowohl in Benin - im alten Königreich - wie auch im Bundestaat Edo ausdrücke, wie auch auf föderaler Ebene. Seit 50 Jahren habe sich Nigeria um die Rückgabe der wertvollen Benin-Bronzen bemüht.
50 Jahre Enttäuschungen für Nigeria
Dies seien auch "50 Jahre von Enttäuschungen gewesen, die sich aneinandergereiht haben", sagte Görgen. "Es geht dabei nicht 'nur' um Kunstgegenstände von höchstem Wert, sondern auch um identitätsstiftende Objekte, die für die spirituelle Verfassung des Königreiches Benin und der Menschen dort auch heute noch große Signifikanz haben."
Wie im Koalitionsvertrag schon festgeschrieben, werde Deutschland bei der Infrastruktur vor Ort unterstützen - wie beispielsweise bei der Ausbildung von Museumsmanagern. Auch die präkoloniale Geschichte werde mit Hilfe des Deutschen Archäologischen Instituts aufgearbeitet, erklärte Görgen. Dies seien erste Schritte zu einer Museumskooperation, die es so noch nicht gegeben habe.
Nigeria habe schon 1946 erste Museen aufgebaut, dann in den 70er-Jahren mehr als 50 nationale Museen, die auch mit großen Ausstellungen Weltruhm erlangten. Nun solle mit dem "Edo State Museum of Western Art" in Benin City ein Museum entstehen, das dem Rang der Rückgabe-Objekte entspreche und entsprechende Lagerkapazitäten habe. Nigeria erhoffe sich noch in diesem Jahr eine Grundsteinlegung und den Bauabschluss im kommenden Jahr. Damit wolle man 2022 in der Lage sein, Objekte dann in Benin aufzubewahren.
Stärkung der Zusammenarbeit im Museumsbereich
In der Frage der Ausbildung in dem sogenannten Lab für Austausch gehe es nicht nur um kuratorische Fähigkeiten. Denjenigen Verantwortlichen in deutschen Museen wie auch in Museen in Afrika - von der Aufarbeitung des Kolonialismus, bis zum Sammlungsmanagement bis zu der Frage, wie sich ein Museum im öffentlichen Raum plaziert - solle ein gegenseitiges Lernen ermöglicht werden, sagte Görgen. Dabei sei immer eine afrikanische wie auch eine europäische Perspektive unter den Unterrichtenden wichtig.
Nigeria habe verdeutlicht, dass man sehr stolz darauf sei, dass alle Objekte auch in anderen kulturellen Zusammenhängen "Wurzeln geschlagen hätten". Daher sei es auch klar, dass die Objekte als Weltkulturerbe, als "Agent von Humanität", so Görgen, auch weiterhin in anderen Gegenden gezeigt werden sollen.
Köln will alle nigerianischen Kunstschätze zurückgeben
Bei der Frage der "substanziellen Rückgaben" - wird das komplette Eigentum übertragen oder nicht - bedürfe es noch der Diskussionen innerhalb der Trägerstrukturen den Museen. Für das Rauchstrauch-Joest-Museum der Stadt Köln habe die Oberbürgermeisterin Henriette Reker bereits gesagt, dass sie alle Objekte gern in das Eigentum Nigerias überführen möchte.
Es sei nun eine Riesenchance, sich gemeinsam mit den Partnern in Nigeria Gedanken darüber zu machen, wie ein Museum des 21. Jahrhunderts aussehen soll, was diesen Objekten eher gerecht werde, als unsere europäischen Museen, sagte Görgen:
Großes Wohlwollen in Nigeria trotz des Kolonialismus
"Es berührt mich zu sehen, dass trotz allem, was der Kolonialismus angerichtet hat, und auch trotz all dieser 50 Jahre Enttäuschung, dass wir in Nigeria noch auf ein so großes Wohlwollen stossen. Ob das der König des Königreiches Benin ist oder ob das der Kulturminister ist, dass die uns sehen wollen und sogar wertschätzen, was wir machen. Obwohl die viele Gründe hätten zu sagen, alles was ihr tut, reicht nicht aus. Und das ist eben das, was sie uns nicht sagen. Und das ist schon sehr berührend. Und das zweite ist, man gewinnt doch noch mal ein anderes Bild von den Schwierigkeiten, mit denen eine Gesellschaft umzugehen hat, die ihrer spirituellen Objekte, ihrer größten Kunst und die ihres Stolzes beraubt wurde. Und das sollte uns selbstbewusst, aber vor allem bescheiden sein lassen bei allem, was wir da unternehmen."