Archiv

Rückgabe von Raubkunst
"Entscheidung von großer Bedeutung"

Frankreich hat die Rückgabe von Raubkunst an Benin und Senegal beschlossen. Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy begrüßte diesen Schritt im Dlf. Die nationalistische Geschichte europäischer Museen ist für sie aber noch lange nicht aufgearbeitet.

Bénédicte Savoy im Gespräch mit Anja Reinhardt |
Große königliche Statuen des Königreichs Dahomey aus den Jahren 1890-1892 im Quai Branly Museum-Jacques Chirac im Jahr 2018. Dahomey war ein westafrikanisches Königreich, aus dem die heutige Republik Benin hervorgegangen ist. Kein Geschenk, sondern Beutekunst behauptete die beninische Regierung schon damals.
Statuen des Königreichs Dahomey, heute Benin, im Pariser Museum Quai Branly (Sabine Glaubitz / dpa)
Vor drei Jahren kündigte Präsident Emmanuel Macron die Rückgabe kolonialen Raubgutes an – den Anfang machen nun 26 Statuten aus dem heutigen Benin und ein Schwert aus dem Senegal. Bénédicte Savoy, deren zusammen mit Felwine Sarr verfasstes einflußreiches Gutachten den Weg zu diesem Schritt bereitet hat, sieht Frankreich auf dem richtigen Weg.
Bilder einer Goldmaske aus der Tumaco-Gegend. Sichergestellt von der Spanischen Nationalpolizei am Flughafen Madrid-Barajas, präsentiert während einer Pressekonferenz in Madrid, Spanien, am 17. Oktober 2019. 
„Handel mit Raubkunst ist eine regelrechte Industrie“
Mehr als 100 Verhaftete und rund 19.000 mutmaßlich gestohlene Kulturgüter: Das ist das erste Ergebnis einer Polizeiaktion auf mehreren Kontinenten. Der Handel mit der Beute aus Raubgrabungen sei ein Millionengeschäft, so DLF-Redakteur Stefan Koldehoff.
Das Gesetz, mit dem die Rückgabe möglich gemacht wurde, setzt die Unveräußerlichkeit von Kulturgütern partiell außer Kraft. Savoy erwartet solche Ausnahmen auch in den nächsten Jahren, wenn Restitutionsforderungen gegen französische Museen erhoben werden und hofft auf eine generelle Änderung des französischen Kulturerbe-Gesetzes.
Auch Einfluss auf das Humboldt Forum
Der Parlamentsbeschluß wird auch Wirkung über Frankreich hinaus haben, etwa auf die Ausstellung im Berliner Humboldt Forum "Die deutsche Seite hat immer gedacht, Frankreich plappert, aber wird nicht handeln", so Bénédicte Savoy. Als Beispiel nennt sie die Benin-Bronzen, die zwar auf dem Kunstmarkt in London erworben wurden, aber dennoch ein "Symbol eines vernichtenden Krieges" seien. Die Bronzen wurden 1897 durch britische Truppen aus dem damaligen Königreich Benin, das auf dem Gebiet des heutigen Nigerias lag, geraubt.
Savoy hofft auf einen Bewußtseinswandel in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Taten statt nur "kosmetischer Beteuerungen, dass man alles besser machen will."
Europäische Einigung wünschenswert
Wünschenswert wäre auch eine Richtlinie auf europäischer Ebene. Dafür müsse man sich der kollektiven Verstrickung in eine gemeinsame koloniale Vergangenheit erst einmal bewusst werden.
"Wenn Europa sehr gut funktionieren und darüber sprechen würde, dass diese Museen zunächst im 19. Jahrhundert ein sehr nationales Projekt waren und dass wir mit diesem Nationalismus nicht mehr zu tun haben und europäisch handeln wollen, dann wäre eine Entscheidung auf europäischer Ebene wichtig. Aber ich fürchte, wir sind noch sehr wie entfernt davon."
Bénédicte Savoy ist Kunsthistorikerin und Professorin für Kunstgeschichte der Moderne an der TU Berlin sowie Professorin für die Kulturgeschichte des europäischen Kunsterbes des 18. bis 20. Jahrhunderts am Collège de France. Zusammen mit dem senegalesischen Wissenschaftler und Autor Felwine Sarr hat sie im Auftrag von Emmanuel Macron untersucht, unter welchen Bedingungen afrikanisches Kulturgut von Frankreich an die Herkunftsländer zurückgegeben werden könnte.