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Rückgriff auf die Nazizeit

Deutschland als mieser Krisenprofiteur - dieses Bild entwerfen die italienischen Medien, wenn sie über die Position der deutschen Regierung in der Eurokrise schreiben und so mancher Leitartikler versteigt sich zu der Behauptung, die Rücksichtslosigkeit liege den Deutschen eben im Blut.

Von Kirstin Hausen |
    Es gab Zeiten, da war Angela Merkel in Italien sehr beliebt. Sie galt als seriös, unbestechlich, bescheiden. Manch einer hätte sie sogar gerne als Regierungschefin Italiens gesehen. Doch im Zuge der Eurokrise und der Versuche von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, die Schuldenstaaten der Eurozone zum Sparen zu zwingen, hat die deutsche Bundeskanzlerin an Popularität verloren. Als arrogant und rücksichtslos gilt sie jetzt plötzlich. So schreibt der "Corriere della sera":

    "Es ist an der Zeit, laut zu werden. Italien hat seinen Haushalt in Ordnung gebracht wie niemand sonst in Europa und trotzdem sind die Zinsen, die wir zur Refinanzierung am Kapitalmarkt zahlen müssen, weiterhin sehr hoch. Die Märkte, die uns enorm hohe Zinsen abverlangen, sind Deutschland gegenüber bereit, kostenlos Kredit zu geben, oder bezahlen sogar noch dafür."

    Und der Deutschlandkorrespondent der links-liberalen "La Repubblica" berichtet aus Berlin:

    "Deutschland verschanzt sich hinter seiner Härte. Ohne jedes Verständnis für die anderen großen Länder in der Europäischen Union."

    Deutschland als mieser Krisenprofiteur - dieses Bild entwerfen die italienischen Medien, wenn sie über die Position der deutschen Regierung in der Eurokrise schreiben und so mancher Leitartikler versteigt sich zu der Behauptung, die Rücksichtslosigkeit liege den Deutschen eben im Blut.

    Angeführt wird die antideutsche Kampagne von "Libero", einer Tageszeitung, die Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi nach Kräften unterstützt hat und Angela Merkel die Schuld an seinem Rücktritt gibt. Seit Mario Monti Ministerpräsident Italiens ist, schreibt "Libero" über Deutschland, als wäre es das Dritte Reich:

    "Für das, was mit der Regierung Monti passiert ist, gibt es einen technischen Ausdruck, den jeder Historiker kennt. In der Sprache, in der diese Operation stattfand, nennt man es 'Anschluss'. Italien ist wieder einmal an das Deutsche Reich angeschlossen worden."

    Da ist er: der Rückgriff auf Deutschlands Nazivergangenheit, die gerade in Norditalien noch lange nicht vergessen ist. Nachdem sich Italien 1943 von Hitler abgewandt und den Alliierten die Kapitulation angeboten hatte, marschierte die Wehrmacht über den Brennerpass in Norditalien ein und besetzte es. Die deutschen Besatzer sorgten für Angst und Schrecken in der Zivilbevölkerung.

    "Meine Eltern haben den Krieg und die Besatzung durch die Deutschen erlebt und wenn im Fernsehen Deutsch gesprochen wurde, wechselten sie den Kanal, weil diese Sprache sie an das Leid, das sie erlebt haben, erinnerte."

    Deshalb berühren die italienischen Medien einen wunden Punkt, wenn sie auf die Nazivergangenheit Deutschlands anspielen, meint Elisa Benatini. Sie ist Sekretärin an einer italienischen Sprachschule in Mailand und hat beruflich viel mit Deutschen zu tun. Elisa ärgert sich über die antideutschen Töne in der italienischen Presse. Ein verzerrtes Bild werde da kolportiert, meint sie.

    "Ich bin sehr glücklich, viele Deutsche persönlich kennengelernt zu haben, weil über die Deutschen so viele Vorurteile kursieren. Sie gelten als unglaublich kleinkariert und unnachgiebig. Aber in manchen Situationen ist das genau richtig, auch ich bin manchmal unnachgiebig! Dieses Gerede, die Deutschen seien so und die Italiener so, das kann ich nicht mehr hören, denn das ist die Basis des Rassismus."

    Trotzdem sind die italienischen Zeitungen voll davon. Sie spielen mit dem Bild von den bösen Deutschen. Einem Bild, das aus den italienischen Medien längst verschwunden war und jetzt in der Eurokrise wieder hervorgeholt wird.