"Man fühlt sich zwischendurch immer noch wieder schlapp oder man hat Tage, wo es mal wieder bisschen schwerer geht mit dem atmen oder mit der Luft." So beschreibt der Wolfsburger Spieler Renato Steffen im NDR-Bundesliga Podcast seine Rückkehr nach einer Corona-Infektion. Der Schweizer sagt diese Sätze Ende November 2020, gut eineinhalb Monate nachdem er sich angesteckt hat. Der Verein meldet seinen positiven Corona-Test am 2. Oktober. Schon zehn Tage später kehrt Steffen ins Mannschaftstraining zurück. Und wieder fünf Tage später spielt er wieder Bundesliga.
"Bei ein paar Spielen hab' ich ein bisschen gemerkt, dass die Lunge nicht so ganz frei war. Dass ich da noch ein paar Probleme hatte. Aber ich habe mich einem Test unterzogen und die haben gesagt, das sieht sehr gut aus, bin wieder auf dem besten Weg zu 100 Prozent."
Steffen ist kein Einzelfall
Renato Steffen ist kein Einzelfall. Insgesamt haben sich laut Deutscher Fußball-Liga 217 Spieler, Trainer oder Betreuer aus der 1. und 2. Liga mit Corona angesteckt.
Wie genau sich diese Zahlen verteilen, will der Liga-Verband auf Nachfrage nicht mitteilen. Der Deutschlandfunk hat aber anhand von Pressemitteilungen alle öffentlich gemachten Corona-Fälle in der 1. Liga nachvollzogen: In der abgelaufenen Saison haben sich 69 Spieler infiziert. Das sind rund 13 Prozent aller Bundesliga-Spieler und damit etwas mehr als in der vergleichbaren Gesamtbevölkerungsgruppe.
"Meine erste Reaktion war, dass es relativ viele Fälle sind. Abgeglichen mit dem, was wir an Fußballern in der ersten Bundesliga haben, ist das doch schon ein relativ hoher Prozentsatz von Spielern, die sich infiziert haben. Das muss man einfach sagen", meint Wilhelm Bloch, Professor für Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln. Da eine sogenannte Bubble, in der die Spieler keinen Kontakt zur Außenwelt gehabt hätten, aber nicht umsetzbar gewesen sei, ließen sich solche Infektionen kaum vermeiden, so Bloch. Die meisten Infektionen verliefen harmlos, laut DFL gibt es aber zwei Personen, die zwischenzeitlich ins Krankenhaus mussten.
Unabhängig vom Verlauf empfehlen Sportmediziner, nach einer Corona-Infektion 14 Tage Pause zu machen und die Belastung langsam wieder zu erhöhen – auch, um sicher zu gehen, dass das Virus nicht doch das Herz angegriffen hat, wie das zum Beispiel beim Eishockey-Profi Jannik Möser der Fall war. Bei ihm wurde kurz nach einer Corona-Infektion durch Zufall eine Herzmuskelentzündung diagnostiziert – das kann lebensgefährlich sein. Trotzdem zeigen die Daten: Zwölf Spieler, also fast jeder fünfte der Infizierten, stand 14 Tage oder weniger nach seiner Corona-Infektion wieder im Kader für ein Bundesliga-Spiel.
Solche kurzen Pausen seien "fragwürdig", sagt Sportmediziner Bloch. "Also ich halte es grundsätzlich nicht für gut, dass Spieler vor den 14 Tagen wieder gespielt haben." Zwar seien die Profis gut trainiert und dadurch weniger anfällig für schwere Corona-Verläufe. "Aber es ist trotzdem ein Risiko. Und wir geben Empfehlungen, um möglichst weitgehend Risiken auszuschließen. Und da ist man auch an bestimmten Stellen ein Risiko eingegangen."
Insgesamt sechs Vereine setzen ihre Spieler früher als empfohlen ein. Wolfsburg hat sich zum Beispiel bei gleich drei Spielern nicht an die Vorgabe gehalten. Unter anderem spielt Verteidiger Maxene Lacroix bereits elf Tage nach seinem positiven Test wieder eine Viertelstunde gegen Borussia Dortmund. In der Woche darauf muss er auf Rat der Ärzte aussetzen. Marin Pongracic kehrt nach 17 Tagen wieder auf den Platz zurück. Und muss wegen Atemnot einige Spiele später zur Halbzeit ausgewechselt werden.
Auf Anfrage betont der VfL, man gehe grundsätzlich mit der Gesundheit seiner Spieler sehr sensibel und verantwortungsbewusst um. Ähnlich antworten Borussia Mönchengladbach, der 1. FC Köln und Eintracht Frankfurt. Die Eintracht hatte Aymen Barkok dreizehn Tage nach seinem positiven Test wieder eingesetzt. Der Spieler sei aber nur minimal symptomatisch gewesen und hätte nur eine geringe Viruslast gehabt, so der Verein. Zudem habe man den Spieler entsprechend getestet und er sei vollständig gesund gewesen. Bayer Leverkusen und Freiburg antworten nicht.
"Es ist letztendlich ein professioneller Bereich. Hier geht es auch um Interessen. Und dann muss und wird eine Güterabwägung gemacht. Und solange es gut geht, und es ist ja offensichtlich auch gut gegangen, ist es okay. Aber wie gesagt: Sowas kann auch mal schiefgehen", meint Sportmediziner Bloch, der in einem Bereich leichte Entwarnung geben kann: Die befürchtete Häufung von Herzmuskelentzündung bei Sportlerinnen und Sportlern scheint sich nicht zu bestätigen.
Eine gezielte Untersuchung sei dennoch wichtig, betont auch Martin Halle, Sportmediziner von der TU München. "Beim Sportler würde man sicherlich nochmal eine detailliertere Untersuchung machen und ein Belastungs-EKG ergänzen. Denn ich sehe das schon als wichtige Untersuchung an, weil man dadurch natürlich auch die Situation auf dem Fußballplatz simulieren kann. Mit hoher Belastung. Wie verhält sich da das Herz? Wenn man das alles gemacht hat, kann man den Sportler auch komplett freigeben."
Spielervertretung fordert Vorsicht
Auch Ulf Baranowsky von der Spielervertretung VDV fordert von Vereinen besondere Vorsicht: "Seitens der DFL-Taskforce wurde ausdrücklich empfohlen, eine Infektion komplett ausheilen zu lassen. Hier waren und sind die Klubs und die behandelnden Ärzte in besonderer Form dazu aufgerufen, ihrer Fürsorgepflicht nachzukommen."
Die Klubs sollten auch bedenken, dass ihnen nur gesunde Spieler weiterhelfen können. Unterm Strich sei es aber gut gelungen, den Spagat zwischen dem Gesundheitsschutz und dem Spielbetrieb zu halten, so Baranowsky weiter. Auch Martin Halle sieht keinen Bedarf, dass die DFL eine 14-tägige Sportpause nach einer Corona-Infektion verpflichtend vorgibt. "Wenn es jetzt Kniebeschwerden sind, machen wir da auch keine Vorgaben beim einem Spieler, wann er wieder Fußball spielen darf. Ich denke, das bleibt im Hoheitsbereich der Ärzte der betreuenden Ärzte und denen würde ich bestimmt jetzt da keine Vorgaben machen."
Und auch der Leiter der DFL-Taskforce, Tim Meyer, spricht sich auf Deutschlandfunk-Anfrage gegen eine verpflichtende Vorgabe aus. In Deutschland könne man Ärzten aus guten Gründen nicht einfach Auflagen machen. Die Empfehlung besteht aber natürlich weiterhin, auch für Meyer als Teamarzt der deutschen Nationalmannschaft. Er entscheidet zum Beispiel, wann Toni Kroos nach seiner aktuellen Corona-Infektion wieder für die DFB-Elf spielen kann.