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Rückkehr ohne Waffen
Die Reintegration islamistischer Kämpfer in Somalia

Frieden ist in Somalia bislang nicht in Sicht. Ein UN-Programm unterstützt mit deutscher Hilfe aber schon jetzt die Reintegration früherer islamistischer Kämpfer, die sich von der Al-Shabaab-Miliz abgewandt haben. Dabei stellen sich Fragen, die auch Deutschland beschäftigen werden, wenn immer mehr islamistische Aussteiger - etwa aus Syrien - zurückkehren.

Von Bettina Rühl |
    Bewohner der rund 40 Kilometer von Baidoa entfernt gelegenen Ortschaft Modmoday stehen neben einem somalischen Soldaten an einer Straße.
    In Somalia herrscht weiter Krieg, die Reintegration islamistischer Kämpfer hat aber schon begonnen. (AFP Photo / AU-UN IST / Abdi Dakan)
    "Ich unterrichte 15 junge Männer. Einigen zeige ich, wie man Hühner hält, anderen bringe ich den Anbau von Feldfrüchten bei. Manche haben mich gebeten, dass ich ihnen die Imkerei zeige, damit sie Honig verkaufen können. Sie lernen sehr schnell, weil wir das, was sie produzieren, direkt zum Markt bringen. Dass sie sich auf diese Weise schon etwas Taschengeld verdienen, fördert ihr Interesse am Lernen."
    Der somalische Ausbilder Mustafa Mohamed führt durch den kleinen Garten, in dem seine Auszubildenden lernen. Papaya-Bäume spenden Schatten, Schutz vor der Sonne ist in Somalia immer willkommen. Auf kleinen Beeten wachsen Blumen und etwas Gemüse. Die Hühner leben ein paar Meter entfernt in einem Käfig, der neben Werkbänken steht. Dort hämmern zwei junge Männer im Blaumann unter Anleitung an einem Bett, schon das Einschlagen der Nägel bereitet ihnen sichtlich Probleme. An der benachbarten Werkbank nimmt ein Azubi einen Automotor auseinander. In diesem Ausbildungszentrum in der somalischen Stadt Baidoa lernen rund 100 junge Männer und eine Handvoll junger Frauen. Im Umgang mit Kalaschnikows sind sie geschickter, als im Gebrauch von Hammer und Nagel oder Hühnerfutter: Alle Azubis waren Mitglieder der islamistischen Shabaab-Miliz, die zum al-Qaida-Netzwerk gehört. "Sie sind ausgestiegen, wollen nicht mehr kämpfen, und sind nach Baidoa zurückgekommen. Sie möchten wieder in die Gesellschaft aufgenommen werden. Meine Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass sie etwas lernen. Außerdem will ich erreichen, dass diese Menschen wieder ohne Angst in die Stadt gehen und ihre Vergangenheit hinter sich lassen können."
    Was die Leute eigentlich motiviert?
    Adam Hussein leitet das Demobilisierungslager in Baidoa. Der Ort ist von der somalischen Hauptstadt Mogadischu gut 240 Kilometer entfernt. Eine kurze, aber gefährliche Strecke: Wie auf vielen anderen Straßen auch, haben die Kämpfer der Shabaab-Miliz dort viele Straßensperren errichtet. Sie erheben Wegzoll von allen Passanten und exekutieren auch schon mal vermeintliche Sympathisanten der ihnen verhassten Regierung. Für Weiße ist Baidoa aus Sicherheitsgründen nur mit dem Flugzeug erreichbar. Besser ist die Sicherheitslage auch in anderen Landesteilen nicht. Der Krieg zwischen der Regierung unter Präsident Hassan Sheikh Mohamud und der Shabaab-Miliz dauert an. Zeitgleich bemüht sich die Regierung mit ihren internationalen Partnern bereits um die Demobilisierung der islamistischen Milizionäre. Wolf-Christian Paes vom Internationalen Konversionszentrum in Bonn berät die somalische und die deutsche Regierung bei diesem Programm.
    "Demobilisierungsprogramme sind ja entstanden in den 80er und 90er Jahren, da ging es überwiegend um Milizen aus Afrika, wo zumindest bei den UN die Vorstellung vorherrschte, dass das gänzlich unpolitische Gruppen sind. Leute, die einfach nur da waren, um zu überleben, um zu plündern, vergewaltigen möglicherweise, wo es aber nicht um Ideologie ging. Das heißt, klassischerweise sind die Demobilisierungsprogramme relativ stark auf die materielle Reintegration orientiert, die materielle und soziale Reintegration, und vernachlässigen eher diese Frage: Was hat die Leute motiviert, überhaupt sich diesen Gruppen anzuschließen?"
     Residents and security officers gather at the scene of a car bomb explosion in front of a hotel that was attacked in Mogadishu, Somalia, 10 July 2015. Reports say the heavy gunfire followed explosions at Wehliya hotel in Mogadishu, killing at least 4 people. Somalia's Islamist militant group al-Shabab has claimed responsibility for the latest attack. EPA/SAID YUSUF WARSAME
    Anschläge erschüttern immer wieder Mogadischu. (picture alliance /dpa /Said Yusuf Warsame)
    Hilfe beim Aufbau einer eigenen Existenz
    Nach Schätzungen des zuständigen somalischen Ministers haben in den vergangenen drei Jahren rund 1.000 Kämpfer die Shabaab-Miliz verlassen. Die Weltbank schätzt deren aktuelle Stärke auf 3.000 bis 5.000 Mann. Deutschland finanziert das Zentrum in Baidoa, geleitet wird es von der Internationalen Organisation für Migration, kurz IOM. Anders als bei früheren Kriegen griff ein großer Anteil der somalischen Kämpfer hier und in vergleichbaren Konflikten aus religiös-ideologischen Gründen zur Waffe. Der Ausstieg ist für die Ex-Kämpfer selbst und alle Beteiligten gefährlich. Denn der Krieg dauert an, die meisten Milizionäre sind noch bewaffnet. Wer desertiert, riskiert damit sein Leben, muss als "Abtrünniger" die Rache der Gruppe fürchten. Diejenigen, die den Ausstieg der Kämpfer fördern, stehen ebenfalls auf der Todesliste der Shabaab-Miliz. "Ein Demobilisierungsprogramm wäre ja eigentlich, wo am Ende eines Konfliktes die Angehörigen einer oder mehrerer bewaffneter Parteien geordnet demobilisiert im ganzen werden, hier ist es eher ein Aussteigerprogramm für Individuen."
    Auf Plastikstühlen sitzen rund 15 Männer und Frauen im Halbkreis, hören ihrem Ausbilder zu, der an einer Tafel etwas erklärt: Grundlagen der Buchhaltung, Vorbereitung auf ein Leben als selbstständige Geschäftsfrau, selbstständiger Geschäftsmann. Das klingt anspruchsvoller als es die Träume der ehemaligen Kämpfer tatsächlich sind. Maslan Mohamed Hassan zum Beispiel möchte einen Laden für Kosmetika eröffnen. Fast drei Jahre lang war der 22-Jährige bei der Shabaab-Miliz, Ende 2013 stieg er aus. Als Milizionär bedrohte und bestrafte er jeden, der einen Sinn hatte für weltliche Schönheit. Nun will er ausgerechnet Kosmetika verkaufen. Hassans Erklärung dafür ist simpel: Er kennt sich mit solchen Produkten bereits etwas aus, handelte damit, bevor er der Shabaab-Miliz beitrat. Nachmittags verdiente er auf diese Weise das Geld, das er für die Schulgebühren brauchte.
    Stärke der islamistischen Miliz faszinierte
    "Ich habe mich der Shabaab-Miliz 2010 angeschlossen. Sie hatten damals fast das ganze Land unter Kontrolle. Das beeindruckte mich. Außerdem setzte mich einer ihrer Kämpfer in Baidoa ständig unter Druck. Einmal hat er die SIM-Karte meines Handys zerbrochen, manchmal hat er mich geschlagen, häufig hat er mir gedroht: Wenn ich der Shabaab nicht beitrete, würde ich in meinem Leben keinen Frieden mehr finden. Schließlich schloss ich mich der Gruppe an." Hassan macht aber keinen Hehl daraus, dass er auch deshalb zu den Waffen griff, weil ihn die Stärke der islamistischen Miliz faszinierte. Viele seiner Freunde machten schon mit – warum nicht auch er? Damals rollten die Islamisten das Land praktisch auf, eroberten Landstrich um Landstrich. Wie viele andere junge Männer auch, wollte Hassan damals auf der Seite der Sieger sein. Anfangs ging seine Strategie auf: Er unterwarf sich, war gehorsam, und hatte zunächst keine Probleme mehr. Seine Macht über diejenigen, die nicht zur Gruppe gehörten, habe er genossen. Hassan wirkt angespannt, während er spricht. Immer noch, dabei hat er die Miliz schon vor rund zwei Jahren verlassen. Trotzdem guckt er sich um, sobald er Schritte hört, behält im Blick, was in seinem Umfeld passiert. "Ich wurde religiös geschult. Mir wurde versichert, dass ich den Heiligen Krieg kämpfe, dass ich nach dem Tod ins Paradies komme."
    Seine militärische Grundausbildung dauerte sieben Monate. Er war in einem Camp in Jubaland stationiert, rund 600 Kilometer von Baidoa entfernt. Im Nachhinein erwies sich das für ihn als Segen: Weil er in seiner Heimat keine Verbrechen beging und niemanden drangsalierte, gibt es wenig Vorbehalte gegen seine Rückkehr. Während seiner aktiven Zeit, so stellt er das dar, kämpfte er mit Überzeugung, liebte den Krieg. "Ich wollte die Christen auslöschen. Ich hatte vor gar nichts Angst, scheute weder Blut, noch Verletzte oder Leichen." Ein überzeugter Kämpfer also, würde man sagen. Trotzdem gilt Hassan laut der somalischen Regierung nur als sogenannter Niedriggefährder. Gemeint ist damit wohl so etwas wie ein Mitläufer. "Laut somalischer Regierung befinden sich in den Lagern nur sogenannte Niedriggefährder, also low risk candidates, und da ist dann implizit die Erwartung dabei, dass es sich um Leute handelt, die eher nicht aus ideologischen Motiven mitgemacht haben, sondern um des schieren Überlebens willens. Es gibt einige Anzeichen dafür, dass das möglicherweise nicht die ganze Wahrheit ist."
    Präsident von Somalia Hassan Sheikh Mohamud im April 2014.
    Präsident von Somalia Hassan Sheikh Mohamud im April 2014. (picture alliance / dpa - Julien Warnand)
    Aktivitäten des somalischen Geheimdienstes unklar
    Eine der wenigen externen Studien kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass die Aussteiger zu den unterschiedlichsten Kategorien gehören, "dass das eine bunte Mischung ist von Leuten, die zum Selbstmordattentäter gedrillt wurden oder der religiösen Polizei angehörten – da kann man ja schon davon ausgehen, dass das sagen wir mal ideologisch fundierte Kämpferinnen und Kämpfer sind -, bis hin zu Leuten, die tatsächlich eher Trägerdienste durchgeführt haben, die gekocht haben, die Munition transportiert haben, die möglicherweise teilweise auch zwangsrekrutiert waren und man fragt sich halt unweigerlich: Ist diese Dimension einfach zu wenig erforscht? Will man sie nicht sehen? Glaubt man womöglich unkritisch der Definition der somalischen Behörden, das ist im Wesentlichen der Geheimdienst NISA, der die Einstufung vornimmt?"
    Seine Kriterien behält der Geheimdienst für sich, statt sie den Vereinten Nationen oder Menschenrechtsorganisationen offenzulegen. Nicht nur dadurch provoziert der NISA Kritik: Er nutze die Demobilisierung für die Terrorabwehr, so der häufig wiederholte Verdacht. Geständnisse der Aussteiger würden unter Folter erzwungen. Und: Unter massivem Druck, so wird vermutet, würden einige Aussteiger in Agenten gedreht, und erst dann in die Demobilisierungslager geschickt. Sollten die Vorwürfe stimmen, widerspräche das den internationalen Standards solcher Programme. Dass niemand die Vorwürfe prüfen kann, liegt nicht zuletzt an der schlechten Sicherheitslage in Somalia. Nicht-Somalier - wie letztlich auch Berater Wolf Christian Paes - verlassen ihre militärisch gesicherten Unterkünfte kaum. Deshalb weiß kein Außenstehender, was genau in den insgesamt vier Demobilisierungslagern passiert.
    Wenige Informationen über Demobilisierungslager
    Waldemar Vrey ist Direktor des UN-Programms, das Somalia beim Aufbau eines Rechtsstaats unterstützt. Dazu gehört es, den Ablauf der Demobilisierung zu koordinieren. Eine schwierige Aufgabe. Außer dem Camp in Baidoa gibt es drei weitere Lager, mit teils unterschiedlichen Geldgebern, anderem Management, anderen Programmen. "Anfangs gab es den weit verbreiteten Verdacht, dass einige der Camps in Wahrheit eher Internierungslager waren, die vom somalischen Geheimdienst kontrolliert wurden, und keine Demobilisierungszentren. Diese Zweifel sind bis heute nicht ausgeräumt, weil wir alle zu wenig Informationen darüber bekommen, was dort genau vor sich geht. So ist es schwer zu garantieren, dass die Programme internationalen Standards entsprechen."
    Mittagessen im Lager von Baidoa. Helfer verteilen Reis, Fleischstückchen und Salat auf die Metallteller. Aus ihrer aktiven Zeit sind die Kämpferinnen und Kämpfer eine weit schlechtere Versorgung gewöhnt. Häufig war nicht genug zu Essen da, um den Hunger zu stillen, sagt Hassan. Ihm sei das damals egal gewesen, im Fieber des Kampfes. Anders als er es sich vorgestellt hatte, bekam er bei der Miliz aber auch keinen Sold - dabei halten sich Gerüchte, die Kämpfer bekämen mehrere hundert Dollar im Monat, seit Jahren. "Wir sind jeden Tag ab neun oder zehn Uhr morgens marschiert, oder wir haben gekämpft. Zum Schlafen hatten wir nur eine Plastikplane, in der Regenzeit bekamen wir zwei. Eine haben wir auf den Boden gelegt, mit der anderen haben wir uns zugedeckt. So zu leben, hat mir damals nichts ausgemacht."
    Aussteigern eine Perspektive bieten
    In Baidoa schläft er in einem Etagenbett, bekommt regelmäßig zu Essen, kann etwas lernen. Das allerdings ist erst seit Kurzem so: Die Grundausbildung in sechs unterschiedlichen Berufen hat erst Mitte 2015 begonnen, das Lager wurde aber schon im Januar 2014 eröffnet. In den ersten anderthalb Jahren wurden die Aussteiger im Wesentlichen nur beherbergt, weil das Geld für die Ausbildung noch nicht freigegeben war. Sie verbrachten ihre Tage mit Würfelspielen und Fernsehen - auch heute noch ein wichtiger Zeitvertreib. "Das sind ja Verwahrungsanstalten. Da gibt es ein gewisses Maß an der sogenannten De-Radikalisierung, das heißt, es gibt einen Imam, der in regelmäßigen Abständen mit den Teilnehmern spricht und versucht, in gewisser Weise Sozialarbeit zu leisten, es gibt ein minimales Maß an handwerklicher Ausbildung, aber bis vor kurzem zumindest auf einem sehr, sehr niedrigen Niveau. Das ist keine ganz so schlechte Perspektive, wenn man die Situation in Somalia kennt, wo die meisten Leute nichts zu essen haben und wo es weder Fernseher noch Freizeitangebote gibt, auf der anderen Seite ist es aber natürlich auch etwas, was für die überwiegend jungen Menschen ein gewisses Gefühl der Perspektivlosigkeit eröffnet."
    Hassan allerdings gibt sich zufrieden und zuversichtlich. Die anderthalb Jahre im Camp empfände er nicht als vergeudete Zeit. Kein Frust der Welt könne ihn zurücktreiben in die Arme der Miliz. Der 22-Jährige erzählt, warum er ausgestiegen ist. "Ich verlor den Glauben, als die Shabaab-Mitglieder anfingen, sich gegenseitig zu töten. Ich war dabei, als ein Kämpfer aus den USA ermordet wurde, er hieß Al-Amiriki. Er und Malim Burhan, ein Emir, der ihn begleitete, wurden im Auftrag des damaligen Shabaab-Führers Godane exekutiert. Ich war damals Leibwächter von Amiriki und stand dann neben seiner Leiche. Ich fragte mich: Was für einen Glauben predigen sie uns? Wenn solche Morde dazu gehörten, konnte das nicht richtig sein."
    Ein grüner Acker in Somalia, im Hintergrund ein Baum und eine Farmerin.
    Landwirtschaft ist für viele Aussteiger eine Hoffnung. (AFP Photo / AU UN IST / Tobin Jones)
    Das US-Programm in Somalia ist fast ein Pilotprojekt
    Inzwischen ist auch Godane tot, er war einer der Mitbegründer der Shabaab-Miliz und wurde Anfang September 2014 bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff getötet. Da war Hassan der Ausstieg schon gelungen. Die Ältesten seines Clans hatten ihn auch während seiner aktiven Zeit immer wieder auf dem Handy angerufen, hatten ihn aufgefordert, die Miliz zu verlassen. Als er dazu bereit war, gab er seinen Ältesten ein Zeichen, die wiederum bereiteten Polizei und Geheimdienst vor, damit der Aussteiger nicht sofort erschossen würde, sobald er nach Baidoa zurück kam. "Fünf Monate lang hatte ich ständig Angst vor ihrer Rache. Dann wurde ich ruhiger." In dem schwer bewachten Lager fühlt Hassan sich sicher. Inzwischen traut er sich zu, bald wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Ende des Jahres sollen er und die anderen Ex-Milizionäre aus dem Camp in Baidoa entlassen werden. Die Hoffnung: dass es ihnen gelingt, ein neues Leben anzufangen. Dann werden die nächsten ihre Plätze einnehmen.
    Für die Vereinten Nationen ist das Programm in Somalia fast ein Pilotprojekt. Denn die gängigen Demobilisierungsansätze müssen angepasst werden, weil sich weltweit der Charakter der Kriege verändert. Die Konfrontation zwischen einzelnen Staaten wird immer seltener. Stattdessen sind es wirtschaftlich oder politisch motivierte Milizen, die sich bekämpfen. Und immer häufiger sind islamistische Milizen die Akteure. Zu ihrer Art der Kriegsführung gehört nicht zuletzt der Terror gegen die Bevölkerung. Noch einmal Waldemar Vrey von den Vereinten Nationen: "Wir arbeiten da in einem ganz neuen Bereich. Wichtig ist zu verstehen, dass es schwierig ist, Menschen mit einem bestimmten ideologisch-psychologischen Hintergrund zu rehabilitieren. Das ist eine große Herausforderung. Wie macht man das in einer Weise, die garantiert, dass der ehemalige Kämpfer seiner Ideologie tatsächlich abgeschworen hat? Wie zuverlässig können wir beurteilen, ob wir jemanden wirklich wieder in die Gesellschaft eingliedern können? Wir müssen uns hier also nicht nur mit den Einzelpersonen beschäftigen, sondern müssen mit der gesamten Gemeinschaft arbeiten. Wir müssen sie auf diejenigen vorbereiten, die in ihren Kreis zurückkehren wollen."
    Lehren auch für andere Staaten
    Dass die Reintegration der ehemaligen Islamisten funktioniert, ist nicht nur für die betroffenen Staaten wichtig, in diesem Fall Somalia. Denn islamistische Kämpfer agieren weltweit, sie bedrohen auch den Westen. "Ich denke, in dem Maße, in dem wir es mit islamistischen Milizen zu tun haben werden, in Somalia, aber auch Boko Haram in Nigeria und möglicherweise auch im Irak, in Syrien und anderswo, wird sicherlich die Frage der ideologischen Komponente eine stärkere Rolle spielen, und da ist Somalia tatsächlich ein interessantes Beispiel. Das heißt, ich glaube, wir müssen uns stärker mit der Frage befassen: Was hat diese jungen Menschen motiviert, sich dieser bewaffneten Gruppe erst mal anzuschließen?"
    Dabei steht man noch ganz am Anfang. Erste Studien werden erstellt, Erfahrungen dokumentiert. Die Erkenntnisse, die jetzt in Somalia erzielt werden, sind international von Interesse. "Sind wir womöglich einfach noch nicht so weit, dass wir wissen, wie wir mit solchen Leuten umgehen können? Das kennen wir auch aus dem Inland: Wie gehen wir zum Beispiel mit unseren Syrien-Rückkehrern um? Sind das Opfer, die auf den falschen Weg gekommen sind? Brauchen die eigentlich Sozialarbeit, um denen zu helfen, einen Weg in unsere Gesellschaft zurückzufinden, oder handelt es sich um Täter, die bestraft werden müssen? Wie geht man mit der religiösen Überzeugung von Menschen um, und wie stark ist die auch?"
    Auch Deutschland speziell muss sich diese Fragen stellen, muss lernen, mit Aussteigern umzugehen. Denn deutsche Islamisten kämpfen heute in Somalia und Syrien, morgen vielleicht in Libyen oder im Niger. Knapp 230 sollen bereits nach Deutschland zurückgekehrt sein, und ihre Zahl wird steigen.