Fast ein Narr ist dieser Lear, zumindest zu Beginn. Und narren tut er seine Umgebung allemal: Da tritt er auf aus einem Seitentürchen, ganz König, wenn auch ein bisschen arg aufgemotzt, ein wenig lächerlich in seinem flauschigen Hermelin. Dazu bläst er ganz fürchterlich auf der Trompete und so zeigt er sich dem Publikum. Nur die auf der Bühne sehen einen anderen Lear, eine Puppe, hoch oben auf einem Balkon über ihnen, die mechanisch zu Lears Worten die Arme bewegt.
Dass die Puppe nach diesen Worten einen Balkonsturz hat, findet Lear höchst komisch, die anderen finden das allerdings weniger. Lear also mag Witze und ist selbst ein wenig einer, wenn auch ein gefährlicher. Und so betrachtet dieser kleine dralle Mann die Aufteilung von Macht und Erbe unter seinen drei Töchtern - diese Aufteilung vor der Zeit - ebenfalls als einen Witz. Soll doch eigentlich und ohnehin alles beim Alten bleiben, zumindest was die Würde angeht, das Tagesgeschäft allerdings sollen jetzt andere machen. Dass das nicht so klappt, wie er sich das vorstellt, dass ist die Geschichte Lears, die da handelt von seinem Fall vom Zenit seiner Macht zum einen herunter in die furchtbarsten Abgründe menschlichen Lebens, zum anderen in jene hellster Erkenntnis eben über dieses Leben und über den Menschen.
Mit seinen gerade mal 55 Jahren ist der Schauspieler Udo Samel noch ein sehr junger Lear, bei weitem kein Greis und Samel versucht auch gar nicht erst einen zu spielen. Nein, dieser Lear steht eigentlich so ganz im Saft. Das ist einer, der eben die Freiheiten des Alters in vollen Zügen genießen wollte. Dass er sich die Rente als eine ewige Fiesta vorgestellt hat, kann man sehen, wenn er von seinem jungen Gefolge auf Bierkästen wie auf einem Thron sitzend hereingekarrt wird: Ein Lear, der den Kronkorken mit den Zähnen lüpft, wo gab's das schon.
Dass Udo Samel die kleinen Gesten des Souveräns ebenso beherrschen würde wie die große Kunst des gewaltigen Aufbrausens, war zu erwarten. Und so konzentriert sich die Aufmerksamkeit - wie so oft bei diesem Stück - auch in Graz auf die Figur des Lear, die einen breiten Schatten wirft auf das restliche Personal. Dabei hat Peter Konwitschny sichtbar versucht, dem reinen Schauspielertheater entgegen zu steuern. Der Regisseur, der in der Opernwelt für seine hellsichtigen Regiekonzepte ebenso berühmt wie berüchtigt ist, hat auch hier nun im Grazer Schauspiel Shakespeares Lear ein geradezu greifbares, um nicht zu sagen allzu sichtbares Konzept verpasst. Es ist, als wolle Konwitschny den Grad der Erkenntnis des Lear und den Grad seiner Ernüchterung in der ästhetischen Umsetzung der Inszenierung spiegeln. Konwitschny beginnt gleichsam im vollen elisabethanischen "Ornat" zwischen Pluderhose, Degenschärpe und Bärenfellmantel.
Im Anklang an die Shakespearebühne sitzt ein Teil des Publikums auf einem runden Podest oben auf der Bühne, zudem geht ein Steg ins Parkett, eine Treppe führt hinauf in die Ranglogen, die ebenfalls bespielt werden. Nach der Pause dann der optische Bruch, mit dem Konwitschny gern auch sein Opernpublikum konfrontiert. Hier nun sitzt das gesamte Publikum wieder im Zuschauersaal, die Bühne besteht aus einem spitz zulaufendem Raum, auf dessen Wände im schnellen Wechsel Szenarien projiziert werden: ein Schloss, ein Friedhof, ein Militärlager, ein Krankenhaus, man spielt in dezenten Anzügen. Und dann, der erneute Bruch, die Projektionswände fahren hoch, die Schauspieler in Alltagskleidung sitzen bei Arbeitslicht auf der verlassenen Tribüne herum, wie bei einer schlecht organisierten Betriebsversammlung.
Und hier spielt man, inzwischen fast emotionslos das totenreiche Ende: Eine verendet durch Gift, eine ersticht sich selbst, einer wird erschossen, eine wird erhängt, einer stirbt den Herztod. Wir sind also in der Gegenwart angekommen und im Theater, in demjenigen allerdings ohne Kulissen. Desillusion pur. Und: Lektion verstanden. Doch dieser Erkenntnis folgt noch eine zweite, diejenige nämlich, dass man den ganzen Abend über einen Mangel verspürt hat. Und plötzlich weiß man, das was man da gesehen hat, das war Oper: Das Konzept, der manchmal überdeutliche Gestus, der ästhetische Holzhammer, all das hätte in der Oper funktioniert, und so war das, was gefehlt hat die Musik. Natürlich ist der Umkehrschluss auch zulässig: Schauspiel muss man eben doch anders inszenieren als Oper.
Dass die Puppe nach diesen Worten einen Balkonsturz hat, findet Lear höchst komisch, die anderen finden das allerdings weniger. Lear also mag Witze und ist selbst ein wenig einer, wenn auch ein gefährlicher. Und so betrachtet dieser kleine dralle Mann die Aufteilung von Macht und Erbe unter seinen drei Töchtern - diese Aufteilung vor der Zeit - ebenfalls als einen Witz. Soll doch eigentlich und ohnehin alles beim Alten bleiben, zumindest was die Würde angeht, das Tagesgeschäft allerdings sollen jetzt andere machen. Dass das nicht so klappt, wie er sich das vorstellt, dass ist die Geschichte Lears, die da handelt von seinem Fall vom Zenit seiner Macht zum einen herunter in die furchtbarsten Abgründe menschlichen Lebens, zum anderen in jene hellster Erkenntnis eben über dieses Leben und über den Menschen.
Mit seinen gerade mal 55 Jahren ist der Schauspieler Udo Samel noch ein sehr junger Lear, bei weitem kein Greis und Samel versucht auch gar nicht erst einen zu spielen. Nein, dieser Lear steht eigentlich so ganz im Saft. Das ist einer, der eben die Freiheiten des Alters in vollen Zügen genießen wollte. Dass er sich die Rente als eine ewige Fiesta vorgestellt hat, kann man sehen, wenn er von seinem jungen Gefolge auf Bierkästen wie auf einem Thron sitzend hereingekarrt wird: Ein Lear, der den Kronkorken mit den Zähnen lüpft, wo gab's das schon.
Dass Udo Samel die kleinen Gesten des Souveräns ebenso beherrschen würde wie die große Kunst des gewaltigen Aufbrausens, war zu erwarten. Und so konzentriert sich die Aufmerksamkeit - wie so oft bei diesem Stück - auch in Graz auf die Figur des Lear, die einen breiten Schatten wirft auf das restliche Personal. Dabei hat Peter Konwitschny sichtbar versucht, dem reinen Schauspielertheater entgegen zu steuern. Der Regisseur, der in der Opernwelt für seine hellsichtigen Regiekonzepte ebenso berühmt wie berüchtigt ist, hat auch hier nun im Grazer Schauspiel Shakespeares Lear ein geradezu greifbares, um nicht zu sagen allzu sichtbares Konzept verpasst. Es ist, als wolle Konwitschny den Grad der Erkenntnis des Lear und den Grad seiner Ernüchterung in der ästhetischen Umsetzung der Inszenierung spiegeln. Konwitschny beginnt gleichsam im vollen elisabethanischen "Ornat" zwischen Pluderhose, Degenschärpe und Bärenfellmantel.
Im Anklang an die Shakespearebühne sitzt ein Teil des Publikums auf einem runden Podest oben auf der Bühne, zudem geht ein Steg ins Parkett, eine Treppe führt hinauf in die Ranglogen, die ebenfalls bespielt werden. Nach der Pause dann der optische Bruch, mit dem Konwitschny gern auch sein Opernpublikum konfrontiert. Hier nun sitzt das gesamte Publikum wieder im Zuschauersaal, die Bühne besteht aus einem spitz zulaufendem Raum, auf dessen Wände im schnellen Wechsel Szenarien projiziert werden: ein Schloss, ein Friedhof, ein Militärlager, ein Krankenhaus, man spielt in dezenten Anzügen. Und dann, der erneute Bruch, die Projektionswände fahren hoch, die Schauspieler in Alltagskleidung sitzen bei Arbeitslicht auf der verlassenen Tribüne herum, wie bei einer schlecht organisierten Betriebsversammlung.
Und hier spielt man, inzwischen fast emotionslos das totenreiche Ende: Eine verendet durch Gift, eine ersticht sich selbst, einer wird erschossen, eine wird erhängt, einer stirbt den Herztod. Wir sind also in der Gegenwart angekommen und im Theater, in demjenigen allerdings ohne Kulissen. Desillusion pur. Und: Lektion verstanden. Doch dieser Erkenntnis folgt noch eine zweite, diejenige nämlich, dass man den ganzen Abend über einen Mangel verspürt hat. Und plötzlich weiß man, das was man da gesehen hat, das war Oper: Das Konzept, der manchmal überdeutliche Gestus, der ästhetische Holzhammer, all das hätte in der Oper funktioniert, und so war das, was gefehlt hat die Musik. Natürlich ist der Umkehrschluss auch zulässig: Schauspiel muss man eben doch anders inszenieren als Oper.