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Rücktritt Benedikts ist "ein Stück der Entmystifizierung dieses Amtes"

Rita Waschbüsch vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken und Vorsitzende von Donum Vitae bewundert den Mut von Benedikt XVI., als Papst zurückzutreten. Die Entscheidung sei kirchengeschichtlich bedeutend und zugleich "ein Stück der Entmystifizierung dieses Amtes". Sein Nachfolger werde klären müssen, was von dem, was man für unverrückbar halte, eine Frage des Glaubens sei und was nur eine Frage der Tradition.

Rita Waschbüsch im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: 150.000 Menschen sollen es gewesen sein, gestern auf dem Petersplatz beim letzten großen öffentlichen Auftritt des Papstes. Benedikt XVI. dankt den Gläubigen, er spricht im Rückblick von einer Zeit mit Höhen und aber auch mit Tiefen. Heute Nachmittag wird er den Vatikan dann endgültig verlassen, zunächst in die päpstliche Sommerresidenz. Ein Gruß von dort wird dann seine letzte Handlung als Papst sein. Punkt 20 Uhr ist die katholische Kirche dann ohne Oberhaupt, es beginnt die sogenannte Sedisvakanz.

    Am Telefon begrüße ich Rita Waschbüsch, Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, also der Organisation der Laien in der katholischen Kirche. Schönen guten Tag, Frau Waschbüsch.

    Rita Waschbüsch: Guten Tag.

    Barenberg: Mit welchen Gedanken nehmen Sie denn Abschied von Papst Benedikt?

    Waschbüsch: Ich bewundere den Mut, den er hatte, zu diesem Rücktritt, zu sagen, ich habe die Kraft nicht mehr. Das ist eine zukunftsweisende, kirchengeschichtlich sehr bedeutende Sache. Es ist auch ein Stück der Entmystifizierung dieses Amtes, was ja vielleicht manchmal durchaus hinderlich war bei den Entscheidungen, die nötig waren. Und ich denke, dass er damit auch ein Zeichen setzen wollte für die Kirche, dass immer wieder neue Aufbrüche nötig sind.

    Barenberg: Und den traut er sich sozusagen selber jetzt nicht mehr zu?

    Waschbüsch: Ja, die Kraft hat er wohl nicht mehr.

    Barenberg: Haben Sie den Eindruck, dass das überzeugend ist, sein Argument, dass es sozusagen die körperliche Gebrechlichkeit ist, die ihn zu diesem Schritt zwingt, oder ist es doch mehr das, was man auch jetzt erfährt über das, was so im Hintergrund, in der Kurie, im Vatikan alles vonstatten ging?

    Waschbüsch: Na ja, ich will nicht alle Medienspekulationen und was da so war jetzt bewerten. Das ist bei so einem Wechsel immer der Fall. Er spricht ja von der körperlichen und geistigen und seelischen Kraft, die nötig ist. Natürlich werden auch die Enttäuschungen, die er hinnehmen musste, neben den Freuden, die er eben erwähnt hat, ja eine gewisse Rolle gespielt haben. Körperliche Kraft heißt ja nicht nur Muskelkraft oder Kraft zum Reisen, das ist ja mehr.

    Barenberg: Was wird aus Ihrer Sicht bleiben von seinem Pontifikat?

    Waschbüsch: Dieser Papst hat die Öffnung hin zu den Menschen, die ohne Glauben sind, etwa dadurch, dass er ja eine wissenschaftliche Akademie für den Dialog mit den ungläubigen Menschen initiiert hat, also diese Öffnung zur Welt von heute - in dem Punkt sicherlich ganz wichtig. Er hat umgesetzt auch, was das Konzil in Richtung auf Judentum und auf Ökumene [beinhaltete], auch wenn das bei uns gar nicht so immer scheint. Da hat er schon etwas vorangebracht, was, glaube ich, nicht mehr umkehrbar ist. Das halte ich für wichtig. Vor allen Dingen auch dann noch seine Friedensbemühungen. Es gibt niemanden, der gerade zu der Nahostentwicklung oder zu Afrika deutlichere Worte gebraucht hat, als der Papst.

    Barenberg: Aber gerade was die Ökumene angeht, empfinden ja viele diesen Papst als einen, der eher ein paar Schritte zurück gemacht hat als ein paar Schritte auf die evangelische Kirche zu, oder?

    Waschbüsch: Wenn man das insgesamt bilanziert, wird man es nicht sagen können. Ich weiß ja auch um die Enttäuschungen, die in Deutschland waren bei seinem Besuch, und manche Veröffentlichungen, die auch unglückliche Formulierungen hatten. Aber die Gesamtwertung kann das nicht sein, was da so an Einzelheiten geschehen ist. Man darf unter Ökumene natürlich auch nicht nur die evangelische, sondern muss auch die orthodoxe Kirche sehen.

    Barenberg: Ich will noch ein Stichwort aufgreifen, was Sie gerade genannt haben: Öffnung zur Welt. Es ist ja so, dass viele Katholiken - das zeigen ja auch viele Umfragen und Studien - eine wachsende Kluft spüren zwischen der Kirche auf der einen Seite und ihrem eigenen Leben, ihrem eigenen persönlichen Glauben auf der anderen Seite. Glauben Sie, dass diese Kluft während der Zeit von Benedikt XVI. gewachsen ist, oder dass sie tatsächlich sich eher geschlossen hat?

    Waschbüsch: Sie ist aus mancherlei Gründen gewachsen, das ist unbestreitbar. Die Kirche wird eine neue Sprachfähigkeit mit den Menschen suchen müssen. Es gibt innerkatholisch schon einen Reformstau, der nicht zu übersehen ist. Aber das darf man nicht insgesamt so sehen für dieses Pontifikat. Ich möchte auch, was binnenkirchlich ist, noch darauf hinweisen, dass dieser Papst die Linie seines Vorgängers konsequent fortgesetzt hat, die Kirche in Richtung auf die Südhalbkugel dieser Welt zu erweitern, zu öffnen, Kardinäle, Bischöfe zu ernennen, das zu festigen. Das wird auch ein wichtiger Schritt sein, der nicht zu übersehen ist, und das verstehe ich auch ein Stück weit als Öffnung zur Welt. Er ist konsequent, er hat nie sich gemein gemacht mit Zeitgeist, das muss man sehen, und manche, die ihn kritisieren, müssen auch unterscheiden, wo er gegen den Zeitgeist und wo vielleicht wirklich Dinge zu kritisieren sind, wo er gegen den Zeitgeist zu Recht Front gemacht hat.

    Barenberg: Was glauben Sie denn, was ein Nachfolger tun kann, um die Kluft zu schließen und dabei nicht dem Zeitgeist aufzusitzen, sondern tatsächlich sich der Lebenswirklichkeit der Gläubigen eher zu nähern? Was kann er tun?

    Waschbüsch: Es wird sicherlich nötig sein, auch weil die Welt so weit und verschieden ist, an der einen oder anderen Stelle Partikularrecht einzuführen.

    Barenberg: Was heißt das?

    Waschbüsch: Die Welt ist in Indien anders als in Deutschland. Ich will das Wort Diakonin nur einmal nennen. In der westlichen Gesellschaft, in den deutschen Frauenverbänden der Kirche kritisiert man, dass wir da nicht vorangekommen sind, auch in Bezug auf Frauen in entscheidenden Funktionen. Aber hier bei uns ist das Wort Diakonin ja als Stichwort zu nennen. Da kann man partikularrechtliche Regelungen finden. Aber ich glaube, man wird über die vielen Fragen, die natürlich die Kirche weltweit bewegen, auch reden müssen unter dem Aspekt, ist denn alles, was wir für unverrückbar halten, wirklich eine Frage des Glaubens oder ist es eine Frage der Tradition, und das muss geklärt werden.

    Barenberg: Lassen Sie uns zum Schluss noch über die vielen Spekulationen über einen möglichen Nachfolger sprechen, vielmehr über die Frage, ob es überhaupt einen Unterschied macht, ob der Nachfolger wieder aus Europa kommt oder ob er denn aus Lateinamerika, sogar aus Afrika möglicherweise kommen könnte? Sehen Sie da einen Unterschied, oder kommt es darauf eigentlich gar nicht an?

    Waschbüsch: Letztlich kommt es nicht darauf an. Aber ich wünsche mir einfach ein Zeichen in Richtung auch auf die Südhalbkugel, dass wir jetzt einmal keinen Europäer haben, sondern einen aus vielleicht der Südhalbkugel oder auch der amerikanischen Welt insgesamt und von daher auch deutlich machen, was dieser Schatz, dieser kostbare Schatz Weltkirche bedeutet.

    Barenberg: Und was bedeutet er Ihnen?

    Waschbüsch: Sehr viel. Die Einheit des Glaubens auf der ganzen Welt - das sind die Kern- und Grundfragen des Glaubens für mich, wo ich diese Einheit will und sehe, wobei das ist kein Widerspruch zu dem vorher gesagten. Also eine Glaubensgemeinschaft, die ja allgemein und weltweit - katholisch heißt ja weltweit und allgemein - für alle Rassen, alle Nationen offen ist, das ist eine gute, eine schöne Sache, etwas, was mich beglückt.

    Barenberg: Rita Waschbüsch, die frühere Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, heute hier im Gespräch im Deutschlandfunk. Ich bedanke mich sehr, Frau Waschbüsch.

    Waschbüsch: Danke! - Auf Wiederhören!

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