Nach zehn Jahren an der Spitze der Bundesbank hat Jens Weidmann am 20.10.2021 überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Dabei lief sein Vertrag eigentlich noch bis 2027. Weidmann nannte persönliche Gründe: Es sei Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen für die Bundesbank und für ihn persönlich.
Weidmann gilt als Vertreter einer stabilitätsorientierten konservativen Geldpolitik. Er ist mit dieser Haltung auch einer der lautesten und bekanntesten Kritiker der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die seit etwa zehn Jahren versucht, Krisen mit Niedrigzinsen und dem milliardenschweren Ankauf von Anleihen zu bekämpfen. Weidmann genießt großes Renomee, er gilt als versiert und ist hoch angesehen. Sein Abgang dürfte der EZB also die Kommunikation ihrer Strategie erleichtern. Neben Weidman hatten zuletzt nur Robert Holzmann aus Österreich und Pierre Wunsch (*) aus Belgien noch Bedenken gegen den neuen geldpolitischen Ausblick der EZB angemeldet. Mit diesem hatte die EZB die Nullzinsen für fünf bis sechs Jahre quasi betoniert.
Der Bundesbankchef wird vom Bundespräsidenten ernannt, das Vorschlagsrecht hat die Bundesregierung. Auch wenn das Kabinett von Angela Merkel weiter die Regierungsgeschäfte führt, gehört es zum guten Ton, dass eine so wichtige Personalie wie die des Bundesbankpräsidenten nicht mehr von einer scheidendenden Regierung beschlossen wird. Im aktuellen Fall dürften sich zudem die SPD und Finanzminster Olaf Scholz vehement gegen jeden Versuch einer vorgezogenen Entscheidung wehren - denn dies wäre ein Affront gegenüber den Koaltionswunschpartnern Grüne und FDP.
Bei der Neubesetzung geht es auch um die künftige Grundausrichtung der deutschen Geldpolitik: Setzt Deutschland wieder einen Bundesbankchef ein, der weiter eine stabilitätsorientierte Geldpolitik in der Tradition der Bundesbank vertritt? Oder wird eine neue Äre eingeleutet, mit einem Chef, der offener ist für die lockere Geldpolitik** der EZB.
Bei der Besetzung des Postens dürfte aber auch Parteipolitik eine Rolle spielen. Die Personalie dürfte einfließen in das von den Ampelparteien SPD, Grüne und FDP insgesamt zu schnürende Personalpaket von Spitzenjobs. Von Bedeutung dürfte dabei sein, dass sich SPD und Grüne eine Frau an der Spitze der Bundesbank wünschen.
Einige Namen werden bereits als geeignete Anwärter für den Chefposten gehandelt:
Die Position des Bundesbankpräsidenten ist nicht der einzige Posten im Wirtschaftsbereich, den die neue Bundesregierung besetzen kann. Seit Monaten ist ein Platz im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, den sogenannten Wirtschaftsweisen, vakant. Union und SPD hatten sich nicht auf einen Nachfolger für den bisherigen Vorsitzenden des Gremiums, Lars Feld, einigen können.
Feld hatte sich beispielsweise gegen die SPD-Forderung nach einer Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass eine offene Stelle im Sinn der FDP besetzt wird, die andere im Sinn von SPD beziehungsweise Grünen. Denkbar ist aber auch ein größeres Personalkarussell, etwa dann wenn Isabel Schnabel zur neue Bundesbankpräsidentin ernannt wird. Zum Ausgleich könnte Volker Wieland ins EZB-Direktorium nachrücken. Damit wären dann zwei Plätze im Rat der Wirtschaftsweisen zu besetzen, was die Verhandlungsmasse für die Ampel-Partner noch einmal erhöhen würde.
Ein Wechsel in die Privatwirtschaft liegt angesichts seines Alters nah. Auch sein Vorgänger Axel Weber ist mittlerweile Verwaltungsratspräsident bei der UBS Bank. Es gibt aber einen Verhaltenskodex für hochrangige Funktionsträger der EZB. Demnach würde Weidmann noch zwei Jahre lang Beschränkungen unterliegen.
(*) Schreibweise des Namens korrigiert
(**) An dieser Stelle wurde ein Fachbegriff korrigiert
(Quellen: Wirtschaftsgespräch 21.102021, Wirtschafts am Mittag 25.10.2021)