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Rücktritt für den Wahlsieg

In Serbien hat Präsident Boris Tadic vorzeitig seinen Rücktritt angekündigt, damit die Präsidentschaftswahlen gleichzeitig mit den Parlamentswahlen stattfinden können. Das soll seiner angeschlagenen Partei helfen.

Von Ralf Borchard | 05.04.2012
    Boris Tadics Rücktritt hat vor allem taktische Gründe. Eigentlich endet seine Amtszeit erst im Februar 2013, nun zieht er die Präsidentschaftswahl auf den 6. Mai vor. Dann finden auch Parlaments-, Regional- und Kommunalwahlen in Serbien statt.

    "Das wird das Interesse der Bürger an den Wahlen insgesamt stärken", sagt Ivan Cvejic, Chefredakteur der serbischen Nachrichtenagentur BETA. "Es wird die Gesellschaft politisieren. Inhaltlich kommt dadurch kaum spektakulär Neues in den Wahlkampf. Die großen Parteien haben ihre Kampagnen längst aufs Gleis gesetzt."

    Tadic setzt auf seine persönliche Popularität. Mit ihr will er auch die Wahlchancen seiner in Umfragen schwächelnden Demokratischen Partei erhöhen. Erst vor wenigen Wochen konnte Tadic seinen bisher größten außenpolitischen Erfolg feiern: Die Europäische Union hat Serbien den Status des Beitrittskandidaten zuerkannt. Tadic im serbischen Fernsehen:

    "Diese Wahlen werden schwer werden. Die Bürger Serbiens haben aber nun die Möglichkeit, über den weiteren Weg des Landes zu entscheiden. Ich schlage vor, dass wir weiter in Richtung EU-Integrationen gehen. Und gleichzeitig Serbiens legitime Interessen im Kosovo bewahren. Serbien wird die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkennen, aber den Verhandlungsprozess fortsetzen."

    Auf Serbiens langem Weg in Richtung EU-Mitgliedschaft bleibt das Thema Kosovo das größte Hindernis. 2008 hat die einstige serbische Provinz mit mehrheitlich albanischstämmiger Bevölkerung ihre Unabhängigkeit erklärt. Auch Tadic will diese niemals offiziell anerkennen, er ist aber in praktischen Fragen - etwa bei Grenz- und Zollproblemen - kompromissbereit. Tadics Gegenspieler bei den Präsidentschaftswahlen, Tomislav Nikolic, schlägt deutich nationalistischere Töne an. Nikolic ist als Person weniger beliebt, seine Fortschrittspartei liegt in den Umfragen aber vorn. Und fordert besonders lautstark, dass die serbische Bevölkerungsminderheit im Kosovo in möglichst großem Umfang mitwählen kann am 6. Mai. Was wiederum Kosovos Premierminister Hashim Thaci auf die Palme bringt:

    "Die Regierung der Republik Kosovo sieht diesen Anspruch als Aggression Serbiens. Das ist ein anti-europäisches Verhalten. Serbien provoziert mit diesem Anspruch einen offenen Konflikt, das kann Folgen für die gesamte Region haben."

    Werden Boris Tadic und seine Partei am Ende die Wahlen in Serbien gewinnen? Auf den Straßen Belgrads sind die Meinungen geteilt:

    "Meiner Ansicht nach war es fair, dass Tadic endlich gesagt hat, dass es auch Präsidentschaftswahlen geben wird", sagt dieser Mann. "Aber seine Chancen sind meiner Meinung nach kleiner als beim letzten Mal."

    "Ich fürchte, seine Chancen sind tatsächlich etwas wackelig", meint diese Frau. "Gerade, weil er vieles nicht angepackt hat, mit Blick auf Korruption, die Wirtschaftskrise, die Privatisierung von Unternehmen. Aber am Ende wird er doch siegen, hat auch seine Demokratische Partei die größeren Chancen. Ich werde sie wählen."