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Rücktritt von Bischof Carsten Rentzing
"Man kann nicht einfach sagen, das ist lange her"

Sachsens Landesbischof Carsten Rentzing ist zurückgetreten. Im Dlf kritisierte der Journalist und Kirchen-Kenner Philipp Greifenstein die Form als nicht angemessen. Die Gläubigen hätten ein Recht auf eine Erklärung. Der Bischof steht wegen rechter Schriften in der Kritik.

Philipp Greifenstein im Gespräch mit Ute Meyer |
Sachsens neuer Landesbischof Carsten Rentzing blickt am 29.08.2015 in der Kreuzkirche in Dresden (Sachsen) nach dem Einführungsgottesdienst zu den Gästen.
Als Student schrieb der Chef der evangelischen Landeskirche in Sachsen, Carsten Rentzing, für eine extrem rechte Zeitschrift (picture alliance / Matthias Hiekel)
Ute Meyer: Der evangelische Landesbischof von Sachsen, Carsten Rentzing, hat seinen Rücktritt erklärt. In den letzten Wochen hat es viel Kritik an ihm gegeben, an seiner erzkonservativen Haltung und seiner Nähe zu der sogenannten Neuen Rechten. Es war bekannt geworden, dass Carsten Rentzing einer schlagenden Studentenverbindung angehört, dass er einen Vortrag gehalten hat in der Berliner Bibliothek des Konservatismus, die als geistiges Zentrum rechtsnationaler Strömungen gilt. Rentzing hat von sich reden machen, als er homosexuelle Partnerschaften als nicht von Gott gewollt bezeichnet hat. Und jetzt am Wochenende wurde durch ARD-Recherchen öffentlich, dass Rentzing zu Studentenzeiten Texte für die rechte Zeitschrift "Fragmente" geschrieben hat. Am Freitag nun hat der 52-jährige gebürtige Berliner seinen Rücktritt erklärt, um Schaden von seiner Kirche abzuwenden.
Evangelische Landeskirche Sachsen: Der Bischof aus der Burschenschaft
Der sächsische Landesbischof Carsten Rentzing trat als Student einer schlagenden Verbindung bei, der er bis heute formal angehört. Eine Petition fordert nun eine Distanzierung Rentzings von der Burschenschaft. Für die Unterzeichner geht es dabei um eine Abgrenzung zum rechtskonservativen Milieu.
Ich habe vor der Sendung über den Fall Rentzing sprechen können mit Philipp Greifenstein. Er ist Journalist und Kenner der evangelischen Kirche, lebt in Sachsen-Anhalt, und er ist Gründer des Magazins für Kirche, Politik und Kultur "Die Eule".
Philipp Greifenstein: Der Rücktritt ist zwangsläufig gewesen, weil die neuesten Entwicklungen – seine Mitarbeit in der frühen Studienzeit bei der Zeitschrift "Fragmente", die der Neuen Rechten zugerechnet werden kann – das notwendig gemacht hat. Angemessen ist der Rücktritt aber nicht in seiner Form, denn Carsten Rentzing hat sich außer in einem kleinen Satz in einer kurzen Stellungnahme am Freitag noch nicht dazu geäußert, wie er seine Mitarbeit heute bewertet.
Meyer: Was hätten Sie da erwartet?
Greifenstein: Ja, ich denke, die gläubigen Christen in Sachsen und die sächsische Öffentlichkeit haben schon ein Recht darauf, dass der Bischof genau erklärt, inwieweit die Kontinuität gewahrt geblieben ist, also wie steht der Bischof heute zur Neuen Rechten. Das hat er immer wieder gesagt, dass er dem gegenüber distanziert ist, aber er hat eben noch nicht deutlich gemacht, wie er zum Beispiel mit den Freundschaften und Bekanntschaften aus dieser Zeit bis heute verfährt.
"Warum hat der Bischof so lange geschwiegen?"
Meyer: Zur Erklärung: Carsten Rentzing hat sich von den Schriften in dem Magazin "Fragmente", die die Landeskirche als elitär-nationalistisch und demokratiefeindlich einstuft, ja distanziert. Und Carsten Rentzing hat gesagt, die sind 30 Jahre alt, die hat er früher geschrieben, und er blicke mit Scham darauf. Muss man Carsten Rentzing da nicht einfach mal glauben?
Greifenstein: Doch, das kann man und das tue ich persönlich auch. Bischof Rentzing hat sich nach meiner Kenntnis als Pfarrer und später als Bischof nicht demokratiefeindlich und nationalistisch geäußert. Wir reden also über Positionierungen, die er tatsächlich vor 30 Jahren getätigt hat. Nun ist aber die Frage, wie er angemessen, auch dem Amt des Bischofs angemessen und im Angesicht seiner Kirchenmitglieder damit heute konstruktiv umgeht. Und da gibt es noch Nachfragen und das dringende Bedürfnis nach einer Erklärung von Landesbischof Rentzing. Warum hat der Bischof so lange geschwiegen, warum hat der Bischof auch, was die Aufklärung der anderen Dinge aus seiner Vergangenheit, die in den letzten Wochen an die Öffentlichkeit gekommen sind, eher vertuscht beziehungsweise eben nicht offengelegt, welche Kontinuitäten da bis heute bestehen. Damit hat sich Carsten Rentzing keinen Gefallen getan, und damit hat er auch seiner Kirche geschadet.
"Das musste man ihm quasi aus der Nase ziehen"
Meyer: Aber an welcher Stelle hätte er diese Sachen, von denen er selber sagt, das war früher, das ist lange her und ich schäme mich dafür, an welcher Stelle hätte er die transparent machen sollen?
Greifenstein: Ja, in einem Interview mit einer Zeitung zum Beispiel. Also die genauen Verhältnisse seiner Mitgliedschaften in einer schlagenden Verbindung, so uninteressant die im Licht der neusten Entwicklungen sind, auch das musste man ihm quasi aus der Nase ziehen. Er hatte gesagt, ja, ich bin da eigentlich nur drin wegen ein paar Freundschaften, und alles weitere ist dann erst durch weitere Recherchen an das Licht gekommen. Und auch hier jetzt wieder, wir reden davon, dass Herr Rentzing gesagt hat, dass er die Positionen, die er vor 30 Jahren vertreten hat, heute nicht mehr verteilt – auch da besteht Erklärungsbedarf, wie es sich heute verhält, insofern, als dass man nicht einfach sagen kann, ja, das ist lange her.
Viele AfD-Funktionsträger in der evangelischen Kirche
Meyer: Fügt sich diese Personalie Rentzing in den allgemeinen Rechtsruck, der in der gesamten sächsischen Bevölkerung, wenn man sich Wahlergebnisse anschaut, zu beobachten ist?
Greifenstein: Na ja, wir reden bei der sächsischen Landeskirche ja über eine sehr mitgliederstarke Kirche, 750.000 Kirchenmitglieder, das entspricht 18 Prozent der Bevölkerung. Und ich glaube, was der sächsischen Landeskirche jetzt bevorsteht, ist wirklich ein Nachdenkprozess, inwieweit die Entwicklungen, die in der gesamten Gesellschaft in Sachsen stattfinden, eben auch ganz tief in der Kirche verwurzelt stattfinden, wo Grenzen zu definieren sind in den Überzeugungen, was kann man mit dem Evangelium, was kann mit einer Kirchenmitgliedschaft, was kann man mit einem auch ehrenamtlichen Engagement in der Kirche verbinden. Es gibt ja viele AfD-Funktionsträger, die in der evangelischen Kirche in Sachsen als Kirchenvorständler engagiert sind. Da wird es sicherlich eines Klärungsprozesses in den nächsten Wochen und Monaten bedürfen.
Vertrauensbruch für die Kirchenleitung
Meyer: Die sächsische Landeskirche wird jetzt in circa einer Woche beraten, wie sie mit dem Rücktritt, der ja erst mal nur angeboten worden ist, umgeht. Offiziell ist Rentzing im Moment noch im Amt, er befindet sich derzeit in einem schon länger geplanten Urlaub. Was, glauben Sie, wird passieren?
Greifenstein: Ich glaube nicht, dass Carsten Rentzing Landesbischof bleiben wird und kann. Die komplexe Erklärung der Kirchenleitung von gestern, von Sonntag, deutet ja auch an, dass es durchaus auch in der Kirchenleitung Verwerfungen und Enttäuschung darüber gibt, wie Carsten Rentzing in den letzten Wochen mit den immer weiterführenden Enthüllungen über seine Vergangenheit umgegangen ist. Da, denke ich, hat auch ein Vertrauensbruch stattgefunden, sodass die Kirchenleitung diesen Rücktritt ganz sicherlich annehmen wird. Und dann wird es wohl Diskussionen darüber geben, inwieweit und wann ein neuer Bischof oder eine neue Bischöfin gewählt werden kann von der Landessynode. Aber da reden wir von einem Prozess, der sicherlich die nächsten Monate in Anspruch nehmen wird.
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