Rainer Brandes: Michael Flynn hat es mit der Wahrheit offenbar nicht so genau genommen. Im Dezember - da war der Ex-General der US-Armee noch gar nicht Sicherheitsberater -, da hat er mit Wladimir Putin gesprochen, und zwar über die gerade verhängten Sanktionen gegen Russland. Die hatte noch Präsident Obama angeordnet wegen der angeblichen Einflussnahme Russlands auf den amerikanischen Wahlkampf. Dann, nach dem Amtsantritt Donald Trumps, wurde Michael Flynn nationaler Sicherheitsberater und hat über diese Gespräche mit Putin nicht die Wahrheit gesagt. Nun ist Flynn zurückgetreten.
Ich kann darüber jetzt mit Michael Dreyer sprechen. Er ist Politikwissenschaftler an der Universität Jena und kennt sich speziell mit dem politischen System der USA aus. Schönen guten Tag.
Michael Dreyer: Schönen guten Tag.
Brandes: Zeigt sich jetzt, dass Donald Trump auf die falschen Leute in seinem Team gesetzt hat?
Dreyer: Nun, das zeigt sich im Fall von Flynn nicht erst jetzt, sondern das ist, glaube ich, auch schon vorher der Fall gewesen. Ihr Berichterstatter hat ja zurecht gesagt, er sei auch vorher schon arg umstritten gewesen.
Wenn man sich seinen letzten großen Job anguckt: Er war ja unter Obama Direktor des hauptsächlichen Militärgeheimdienstes und da ist er nach zwei Jahren wieder rausgeflogen wegen Unfähigkeit, Managementfehlern und so weiter und so weiter. Dass Flynn Probleme bedeuten würde, hätte eigentlich von Anfang an klar sein können.
"Das ist eine unprofessionelle Administration"
Brandes: Was sagt das dann über Donald Trump und seinen Vizepräsidenten Mike Pence aus, wenn die sich nicht einmal auf ihre engsten Mitarbeiter verlassen können?
Dreyer: Das sagt das auch, was auch Beobachter schon lange gesagt haben, dass das eine unprofessionelle Administration ist, die von außen kommt, die auf Außenseiter setzt, und das hat natürlich Konsequenzen in dem hoch komplexen Spiel der Washingtoner Politik. Das heißt: Was wir hier sehen mit Flynn, ist im Grunde nur eine andere Seite der gleichen Münze, die wir auch gesehen haben bei der missglückten Neuordnung der Reisebeschränkungen für Muslime. Das ist genauso vor die Wand gefahren und jetzt auch das hier.
"Das System funktioniert im Moment genauso, wie es im Lehrbuch steht"
Brandes: Sie haben diese Pannen ja schon angesprochen, auch beim Einreisestopp. Da ist Donald Trump von der Justiz ausgebremst worden. Jetzt noch der Rücktritt seines wichtigsten Beraters. Kann man dann auch sagen, die Prinzipien der Checks and Balances in den USA, die funktionieren doch?
Dreyer: Ja. Etwas, was seit über 200 Jahren gut funktioniert, das kann man nicht einfach so über Nacht außer Kraft setzen. Die Befürchtungen in diese Richtung, die waren, glaube ich, von Anfang an übertrieben. Wir sehen jetzt, wie das System funktioniert.
Im Falle von dem Einreisestopp ist es die Justiz, die dritte Gewalt gewesen, die genau das macht, was sie tun soll, als Kontrollinstanz fungieren, was übrigens auch der Fall gewesen wäre, wenn sie Trump recht gegeben hätte. Dann wäre es auch eine Kontrollinstanz gewesen. Und jetzt im Falle von Flynn ist es die vierte Gewalt, die Presse. Es sind die Berichterstattungen der "Washington Post" vor allem gewesen, die herausgefunden hat, was da hinter diesen Telefongesprächen stand. Das funktioniert im Moment genau so, wie es im Lehrbuch eigentlich drinsteht.
"Es ist alles andere als ein perfekter Start"
Brandes: Offenbar ist Michael Flynn ja auch unter Druck geraten aus den eigenen Reihen, aus der Republikanischen Partei. Wie schätzen Sie das ein? Wie lange wird die Republikanische Partei Donald Trump noch stützen bei seinen umstrittenen Entscheidungen und seinen Personalentscheidungen und wann werden sie sagen, so geht's jetzt nicht mehr?
Dreyer: Die Schmerzgrenze für eine Partei, ihren eigenen Präsidenten zu desavouieren, die ist enorm hoch. Da muss noch vieles passieren, glaube ich. Da müssen vor allem die eigenen Wiederwahlchancen geringer werden. Wenn Senatoren und Repräsentanten sehen, dass ihr eigenes politisches Geschick durch die Verbindung mit dem Weißen Haus gefährdet wird, dann wird es schwierig für den Präsidenten. Das war schon bei Nixon so. Erst in dem Moment, in dem Republikaner anfingen, dann tatsächlich ihre eigenen Wahlaussichten gering einzuschätzen, haben sie sich von ihm abgesetzt. Das sehe ich jetzt allerdings noch nicht. Aber es ist alles andere als ein perfekter Start für die Präsidentschaft. Das ist keine Frage.
"Es ist ein Team von Amateuren"
Brandes: Es wird ja auch über Flügelkämpfe im direkten Umfeld von Donald Trump berichtet. Auch die könnten hier eine Rolle gespielt haben. Würden Sie auch sagen, das Team Trump ist nicht so geschlossen, wie Donald Trump uns das bisher verkauft hat?
Dreyer: Ja, und auch das ist natürlich kein großes Wunder, denn es ist ein Team von Amateuren, die ihre eigenen Agendas haben. Dass der Vizepräsident Mike Pence kein großer Fan von General Flynn war, das ist schon seit Längerem bekannt. Aber auch sonst gibt es natürlich Friktionen unter den engsten Mitarbeitern und Gefährten. Nur das ist ein bisschen jetzt wie früher die Kreml-Astrologie. Wer da mit wem gerade kann und wer nicht und worauf man achten muss, das ist ein Spiel, was kompliziert ist.
Im konkreten Fall von Herrn Flynn ist es nicht so sehr, glaube ich, interne Intrige gewesen, sondern der schlichte Faktor, dass er gegenüber dem Vizepräsidenten gelogen hat über sein Telefonat mit dem russischen Botschafter, und das ist nun etwas, was kein politischer Vorgesetzter in der ganzen Welt sich gefallen lassen wird. Das hat dann ja auch zur Folge, dass er, wie auch Ihr Berichterstatter gesagt hat, ins Fernsehen geht, seinen Untergebenen verteidigt und dann am Ende ziemlich dumm dasteht.
"Das hängt ganz von der Stärke der Personen ab"
Brandes: Wie wichtig ist denn eigentlich ein nationaler Sicherheitsberater im Machtgefüge einer US-Administration?
Dreyer: Auch das ist eine Frage, die nicht allgemein zu beantworten ist. Das hängt ganz von der Stärke der Personen ab. In diesem Sicherheitsgefüge gibt es ja noch andere Gestalten: den Außenminister, den Verteidigungsminister, gegebenenfalls auch der UNO-Botschafter. Die alle sind in einem dynamischen Machtverhältnis zueinander und es kann sein, dass der Sicherheitsberater wie im Falle von Henry Kissinger vor Jahrzehnten stärker ist als Verteidigungsminister und Außenminister zusammen. Es kann aber auch sein, dass der Präsident sich hauptsächlich auf seine Kabinettsmitglieder verlässt, und dann ist der Sicherheitsberater tatsächlich nur ein Berater und kein Politikgestalter. Bei den drei Wochen der Amtszeit von Michael Flynn haben wir nur noch keine Gelegenheit gehabt, das wirklich in Erfahrung zu bringen.
Brandes: Donald Trump wollte ja die Beziehungen zu Moskau verbessern und nun gibt es aber schon erste eher wütende Reaktionen aus Moskau auf diese Affäre Flynn. Kann man damit sagen, dieses Ansinnen von Donald Trump ist erst einmal gescheitert?
Dreyer: Es ist zumindest nicht so glücklich vonstattengegangen, wie erhofft und erwartet, und Michael Flynn hatte enge Verbindungen zu Russland. Das ist nicht nur dieses Telefonat gewesen; da gibt es auch eine fragwürdige Reise im Jahr 2015, die möglicherweise bezahlt war von Moskau. Da gibt es verschiedene Sachen und dass man in Moskau nicht glücklich ist, ihn jetzt unter diesen spektakulären Umständen nach nur drei Wochen gefeuert zu sehen, das ist verständlich.
Aber andererseits, denke ich, die ersten Stimmen, die wir da aus Moskau gehört haben, das waren Parlamentsabgeordnete. Ich glaube, in der Regierung wird man sich ruhig überlegen, dass dort es auch keiner geduldet hätte, von einem Sicherheitsberater angelogen zu werden.
Brandes: Der nationale Sicherheitsberater der USA, Michael Flynn, ist zurückgetreten. Ich habe darüber gesprochen mit Michael Dreyer. Er ist Politikwissenschaftler und USA-Experte an der Universität Jena. Herr Dreyer, vielen Dank für das Gespräch.
Dreyer: Sehr gerne!
Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version war in der Einleitung fälschlicherweise von einem "Einreisestopp gegen Muslime" die Rede.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.