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Rückzahlungsrisiko der EU-Bittsteller sorgt deutsche Banken

Michael Kemmer erwartet durch Portugals Hilfegesuch eine Beruhigung der Märkte. Dennoch sei das langfristige Risiko der Kreditgeber, mit anderen Worten: auch der deutschen Steuerzahler - groß.

    Christoph Heinemann: Der Mittwochabend und der Donnerstag hatten es einmal wieder in sich. Wir fassen zusammen: Portugal unter dem Euro-Rettungsschirm, die Europäische Zentralbank erhöht die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte und die Forschungsinstitute sagen Deutschland ein Wachstum von 2,8 Prozent voraus. Passend dazu treffen sich die Finanzminister der Europäischen Union heute in Budapest.
    Ebenfalls dort erreichen wir Michael Kemmer, den Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Banken. Guten Morgen!

    Michael Kemmer: Schönen guten Morgen.

    Heinemann: Herr Kemmer, Portugal liegt jetzt den europäischen Steuerzahlern auf der Tasche. Ist das für Sie eine gute, oder eine schlechte Nachricht?

    Kemmer: Dass Portugal unter den Rettungsschirm schlüpft, ist eine gute Nachricht. Das nimmt Unsicherheit aus dem Markt und trägt damit zur Beruhigung bei. Ob Portugal irgendwann mal dem deutschen Steuerzahler auf der Tasche liegen wird, kann man heute überhaupt noch nicht sagen.

    Heinemann: Womit rechnen Sie?

    Kemmer: Da kann ich nicht spekulieren. Das Ganze ist ja ein Kredit, der muss zurückgezahlt und verzinst werden, und erst dann, wenn er nicht mehr zurückgezahlt werden könnte, dann wäre die Frage, wer dafür einstehen muss. Das ist ein komplexes Geflecht, da ist auch der IWF mit an Bord, da kann man heute noch keine Aussage treffen.

    Heinemann: Erweitern wir die Frage. Rechnen Sie damit, dass Griechenland, Irland und Portugal – das haben Sie ja gerade schon halb beantwortet – die Summen, die sie geliehen haben oder für die gebürgt werden, jemals wieder zurückzahlen können, oder steuern wir jetzt insbesondere im Fall Griechenland auf eine Umschuldung hin?

    Kemmer: Also es gibt schon eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass es hier langfristig Probleme geben könnte bei der Zurückzahlung. Bis 2013 ist Ruhe, da haben wir auf jeden Fall den entsprechenden Mechanismus eingezogen. Ab 2013 sieht der neue europäische Stabilitätsmechanismus ja dann auch vor, dass unter bestimmten Umständen die Gläubiger beteiligt werden könnten, das heißt, dass dann Ausfälle auch von den Investoren zu tragen wären, was unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten durchaus vernünftig ist. Auch da kann man heute noch nicht sagen, ob es so kommen wird, aber ausgeschlossen ist das sicher nicht. Es gibt sogar eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür.

    Heinemann: Mit welchen Folgen für die Banken?

    Kemmer: Na ja, das kommt darauf an, wer wie engagiert ist. Ich glaube, die deutschen Banken sind in diesen Ländern zwar engagiert, aber durchaus in einem überschaubaren Umfang. Die würden Abschläge verkraften können. Wie gesagt, das ist ein Thema, das stellt sich erst in zwei Jahren, und man muss da mal abwarten, wie sich die Dinge weiter entwickeln. Aber es tut jeder wahrscheinlich gut daran, wenn er sich heute schon mal darauf einstellt, zu überlegen und zu kalkulieren, was das für ihn bedeuten könnte.

    Heinemann: Herr Kemmer, wie kann man dafür sorgen, dass gefährdete Staaten möglichst früh unter dem Rettungsschirm Zuflucht suchen?

    Kemmer: Das ist schwierig, das müssen die Staaten letztendlich selber wissen und selber tun, und ich glaube, sie sind vernünftig. Die bisherigen Beispiele haben gezeigt, dass die Staaten schon rechtzeitig kommen. Sie haben es vorhin schon richtig gesagt, oder Ihr Korrespondent hat es richtig gesagt: das ist natürlich mit einem gewissen Souveränitätsverzicht verbunden, der schwierig ist für die Staaten, das ist mit harten Auflagen verbunden in Bezug auf die Haushaltssanierung, auf die Haushaltsdisziplin, aber das ist wichtig und richtig, denn aus Sicht derer, die hier bürgen oder Kredite hingeben, muss ja letztlich eine möglichst hohe Wahrscheinlichkeit da sein, dass das Geld auch wieder zurückkommt. Also das heißt, der Einfluss, den man auf die Staaten hat, kommt über den Markt, kommt über den Druck, den der Markt ausübt, und das ist ja bei den bisherigen Fällen auch immer so gewesen.

    Heinemann: Schauen wir uns, Herr Kemmer, die Auflagen für Griechenland noch mal an: Gehaltskürzungen von bis zu 25 Prozent, Anhebung der Mehrwertsteuer von 19 auf 23 Prozent, die Folge, die Pferde saufen nicht mehr. Das heißt, die Leute haben kein Geld mehr, um die verteuerten Waren zu kaufen, damit werden auch weniger Steuern gezahlt. Deshalb sagt Gustav Adolf Horn, der Leiter des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, im Deutschlandfunk:

    O-Ton Gustav Adolf Horn: So geht es einfach nicht weiter. Ich glaube, wir müssen diesen Ländern einen wirklichen Ausweg anbieten, und der kann nicht sein, dass man sich aus dieser Krise herausspart, sondern man muss herauswachsen.

    Heinemann: Also: Ist Heraussparen Unsinn?

    Kemmer: Das ist natürlich genau der schmale Grat, denn klar: diese Auflagen verschärfen die rezessiven Tendenzen und dann haben sie eine Spirale nach unten. Gleichwohl bin ich der Meinung, dass es zunächst der richtige Weg ist, dass es zunächst dafür keine Alternativen gibt, insbesondere in den Bereichen, wo man sagen muss, dass im europäischen Vergleich einfach die Haushaltsdisziplin und die entsprechenden Auflagen und die entsprechenden Vorgehen andere sind als bei den anderen Ländern. Aber es ist richtig: man darf hier nicht überziehen, denn wie gesagt, wenn wir eine Spirale haben, die nach unten geht, dann hilft das keinem etwas. Man muss hier gucken, dass man die Balance hält, und das Beispiel Griechenland, das Sie zurecht angesprochen haben, zeigt, dass es schwierig ist. Es ist schwierig, aber nicht aussichtslos.

    Heinemann: Herr Kemmer, höhere Zinsen sind gut für Länder, die Inflation fürchten, sie sind Gift für diejenigen, die sich mit schlechten Rating-Noten auf dem internationalen Kapitalmarkt Geld leihen müssen. War die Zinsentscheidung der EZB richtig?

    Kemmer: Die Zinsentscheidung war auf jeden Fall richtig. Wir haben beziehungsweise hatten ja immer noch Zinsen auf Rezessionsniveau, obwohl sich die Wirtschaft im Euro-Land gut entwickelt hat. Wir gehen ja davon aus, dass sie in diesem Jahr um mindestens 1,5 Prozent wachsen wird. Hauptaufgabe der Zentralbank ist die Inflationsbekämpfung. Wir haben inflationäre Tendenzen gesehen. Gut, die kamen teilweise aus Sondereffekten, Nordafrika, Rohölverteuerung, Verteuerung der Energiepreise insgesamt, Verteuerung der Nahrungsmittel. Aber es sind einfach unübersehbare Signale am Horizont, und ich glaube, da ist es richtig, wichtig und vernünftig, dass die Zentralbank von vornherein ein klares Signal setzt und sagt, wir wollen die Inflation bekämpfen. Also deshalb war der Zinsschritt aus unserer Sicht auf jeden Fall richtig.

    Heinemann: ... , dem weitere folgen könnten, wenn die Inflation weiter steigen sollte?

    Kemmer: Das wäre keine große Überraschung. Es kann durchaus sein, dass im zweiten Halbjahr noch weitere Zinsschritte folgen. Aber es ist genau wie Sie sagen: das hängt von der weiteren Entwicklung der Preissteigerung ab.

    Heinemann: Herr Kemmer, Stichwort Währungsunion. Können Länder mit so unterschiedlicher Wirtschaftskraft und auch Haushaltsdisziplin wie Griechenland und Deutschland mit gleicher Münze zahlen, ohne dass es wie im Länderfinanzausgleich die Reichen eben für die Armen zahlen, das heißt, dass wir uns zu einer Transferunion hinentwickeln?

    Kemmer: Die Währungsunion ist so angelegt, dass es eben keine Transferunion ist. Das ist ein schwieriges Unterfangen, weil es ist genau wie Sie sagen: gemeinsame Währung ohne gemeinsame Wirtschaftspolitik geht eigentlich nicht. Aber das war das Grundkonzept und es ist ja durchaus auch begleitet worden von dem Stabilitäts- und Wachstumspakt mit klaren Regeln, die für alle gegolten haben. Gut, die hat man nun nicht immer hundertprozentig angewendet, und das Ergebnis zeigt sich jetzt. Eine Transferunion ist sicherlich nicht zu wünschen. Ein bisschen, muss man ja auch ganz klar sagen, gehen die Dinge, die man momentan macht, ja schon in diese Richtung. Wir hoffen aber, dass das die ausreichenden Mechanismen sind und dass es zu dem, was Sie als europäischen Länderfinanzausgleich beschreiben, nicht kommen wird, denn das ist nicht angelegt in der europäischen Währung.

    Heinemann: Die Deutschen sollten von ihrem hohen Ross herunterklettern, das sagte vor kurzem der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank hier bei uns im Deutschlandfunk. Wir hören Professor Norbert Walter.

    O-Ton Norbert Walter: Ich wäre froh, wir könnten ewig Zahlmeister bleiben, aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist gering. Die Deutschen haben über ihre Verhältnisse gelebt, sie haben keine Kinder, die Kinder, die sie haben, haben sie nicht gut ausgebildet. Wir werden zum Kostgänger der Franzosen und der Engländer und der Skandinavier in zehn Jahren und ich bin verblüfft, wie die deutsche Debatte völlig einseitig auf die Leistungen, die wir jetzt erbringen, fokussiert und nicht auf die Perspektiven, die uns in Europa als alterndem Land bald blühen werden.

    Heinemann: ... , sagt Norbert Walter. – Michael Kemmer, werden die kinderlosen Deutschen mittelfristig zu Bittstellern im Euro-Land?

    Kemmer: Die demographische Entwicklung in Deutschland ist ein Problem, da muss man auf jeden Fall was dagegen tun. Das ganze hat natürlich naturgemäß einen langen Vorlauf. Das heißt, damit muss man sich auseinandersetzen. Ob das dazu führen wird, dass wir in zehn Jahren, wie es Norbert Walter sagt, Bittsteller der Franzosen und Engländer sind, kann man meines Erachtens heute noch nicht wirklich seriös beurteilen. Also ich traue mir da kein Urteil zu. Norbert Walter ist ein kluger Mann, er weiß, was er sagt, aber ich würde es wie gesagt nicht wagen, so eine langfristige Prognose zu geben.

    Heinemann: Michael Kemmer, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Banken. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Kemmer: Bitte schön! Auf Wiederhören.

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