Es geht Schlag auf Schlag auf der Baustelle von "Block 1": Schon wieder verlässt eine Besuchergruppe den Info-Container Richtung Musterwohnungen - um sie herum der Lärm der Presslufthämmer. Denn einige Abschnitte der insgesamt neun gigantisch wirkenden Betonriegel sind durch andere Investoren schon fertiggestellt. Doch hier haben die Bauarbeiten gerade begonnen. "Block 1" – das ist künftig "Neues Prora".
Für die Bauherrin, die gleichnamige Berliner Vermögensberatungsgesellschaft, soll Sven Scherf-Hettig die hier entstehenden 114 Hotelappartments und 161 Wohnungen an Käufer bringen. Die Quadratmeterpreise liegen zwischen 2.500 und 3.500 Euro, und der Vermittler erklärt:
"Wir sind aktuell beim Verkaufsstand im Bereich Hotelappartements bei circa 80 Prozent, und wir liegen im Bereich Eigentumswohnungen bei 50 bis 60 Prozent, so in dem Dreh."
Vor allem Ostdeutsche kaufen
Vor allem Ostdeutsche seien interessiert und würden auch kaufen. Während es bei potentiellen Kunden aus dem Westen schwieriger sei, weil Rügen weiter entfernt liegt als die bekannten Nordsee-Gebiete und Sylt, hätten viele Menschen aus den Neuen Bundesländern einen persönlichen Bezug zur Insel Rügen, sogar zu Prora. Sei es, weil schon die Großeltern und Eltern hier Urlaub gemacht haben, sei es, weil viele Männer in dem riesigen KdF-Komplex ihren NVA-Dienst abgeleistet haben, sagt Sven Scherf-Hettig.
"Ich muss den Leuten aus Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern nicht erklären, dass Rügen eine tolle Insel ist. Die sagen: Na klar ist Rügen toll. Jetzt erzählen Sie mir mal was über das Projekt."
Beim Gang durch das staubige, bereits entkernte Gebäudegerippe geht der Vermögensberater auf die baulichen und nutzungsrechtlichen Vorgaben durch die Gemeinde Binz ein, dazu auf die Abschreibungs- und Steuersparmodelle – nicht zuletzt durch die Denkmalschutz-Sonderabschreibung. Dass die Hotelappartements hier wie bei den Konkurrenten in den anderen Blöcken besonders gut gehen, erklärt er so:
"Natürlich habe ich immer noch die gewissen Chancen und Risiken, die bei der gewerblichen Vermietung anstehen. Aber ich kann natürlich sagen, dass bei einem so tollen Ferienort wie Binz und Prora extrem gute Ertragschancen da sind."
Tourismusbranche sah Sanierung erst als Bedrohung
Denn weil es im beliebtesten Ostseebad der Insel Rügen mit seinen 6.000 Einwohnern, den 15.000 Gästebetten und weiter ungebrochener Nachfrage längst zu eng und zu teuer geworden ist, sind die Investoren auf den Ortsteil Prora ausgewichen. Die 4,5 km lange "Kraft durch Freude"- und NVA-Ruine konnte einst bis zu 20.000 Menschen beherbergen. Folglich fühlte sich die direkt in Binz ansässige und blendend verdienende Tourismusbranche zunächst bedroht, erzählt der Alt-Rüganer Detlef Will:
"Noch vor zwei, drei Jahren war Binz gegen den Ausbau. Jedenfalls die Führung, und zur Führung zähle ich auch die Hoteliers. Die wollten das nicht, ist ja klar."
Der Widerstand habe sich gelegt. Doch nach diesem Großbauprojekt mehrerer Investorengruppen sollte im Binzer Küstenbereich Schluss sein mit Neubauten – egal ob für Hotels oder Privatwohnungen. Man wolle das Grün erhalten, so Detlef Will, und sich "nicht selbst ausschachten wie Sylt".
Vorerst wird nun auch der 500 Meter lange "Block 1" luxussaniert. Der Bauriese Bilfinger kümmert sich als Generalauftragnehmer für 30 Millionen Euro um die Gebäudesanierung. Zwei regionale Unternehmen haben die Aufträge für die Erdarbeiten erhalten. Laut Eigenwerbung der Bauherren soll "Neues Prora" spätestens im Oktober 2016 fertig sein als "Wohlfühloase in einem weltbekannten Baudenkmal". Bis dahin wird die Gemeinde auch die Strandpromenade nach Binz gebaut haben - mit 90-prozentiger EU-Förderung.