Unabhängige Experten haben massive Probleme bei den größten Rüstungsprojekten der Bundeswehr festgestellt. Eine Gruppe um die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG übergab das Gutachten heute an Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Danach haben sich neun Großprojekte - darunter der Kampfjet Eurofighter und das Transportflugzeug A400M - um bis zu zehn Jahre verzögert. Fast alle wurden im Laufe der Zeit auch teurer, teilweise liegen die zusätzlichen Kosten im Milliardenbereich. Insgesamt sind in dem Bericht 140 Probleme und Risiken bei den größten Rüstungsprojekten aufgelistet.
Nach Überzeugung der Experten braucht das Verteidigungsministerium zudem eine neue Führungskultur, um solche Probleme bei Rüstungsprojekten künftig zu verhindern. In dem Gutachten heißt es unter anderem: "Das Management von Rüstungsprojekten verlangt eine Führungskultur, in der Transparenz und Integrität gelebt werden."
"Harte Managementaufgabe" für von der Leyen
Von der Leyen sagte zu der von ihr in Auftrag gegebenen Untersuchung, es komme nun eine "harte Managementaufgabe" auf sie zu. Der Bericht werde "ein gutes Bild darüber geben, wo die Vorzüge und wo die Probleme liegen". Ihren Angaben zufolge hatten die Prüfer neun Vorhaben begutachtet, die rund zwei Drittel des Gesamtvolumens der Investitionen im Rüstungsbereich ausmachen. Dabei gehe es um rund 57 Milliarden Euro.
Die SPD und die Opposition riefen die CDU-Politikerin auf, die Missstände schnell abzustellen. Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, kritisierte im Deutschlandfunk: "Das ist allen sehr bewusst gewesen, dass da extrem viel Chaos herrscht, und man soll bitte nicht so tun, als ob da plötzlich jemand reingefallen ist." Im Verteidigungsministerium müsse nun dafür gesorgt werden, "dass Transparenz und Offenheit herrscht." SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte, mit der heutigen Vorlage des Expertenberichts sei die Zeit der Ausreden vorbei. Von der Leyen müsse zeigen, ob sie das Chaos in den Griff bekomme.
Scharping nimmt von der Leyen in Schutz
Der frühere SPD-Verteidigungsminister Rudolf Scharping stärkte von der Leyen im Interview mit Deutschlandradio Kultur den Rücken: Die Bundeswehr sei seit 1990 "mal mehr, mal weniger" unterfinanziert. "Das bringt uns als Land in eine ziemlich peinliche Situation, weil wir wegen der Mängel in der Ausrüstung die Zusagen kaum noch einlösen können, die wir gegenüber den Vereinten Nationen, innerhalb der Nato, innerhalb der Europäischen Union eingegangen sind." Auch der Friedensforscher Otfried Nassauer betonte im DLF-Interview: "Im Kern sind als Verantwortliche für die jetzt auftretenden Probleme die Minister seit Herrn Jung zu benennen." Nun müsse von der Leyen sich entscheiden, ob sie die Probleme grundsätzlich angehen wolle. "Dann würde sie Teil der Lösung werden". Andernfalls werde sie Teil des Problems.
Die Grünen forderten ein entschiedenes Handeln der Regierung. Fraktionschef Anton Hofreiter sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", Verteidigungsministerin von der Leyen müsse hart gegen die Rüstungsindustrie durchgreifen. Ein Wirtschaftsunternehmen, das der Politik diktiere, was gekauft werden solle, das dürfe nicht sein. Ähnlich äußerte sich Parteichef Cem Özdemir. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Hans-Peter Bartels (SPD), schlug im ARD-Fernsehen vor, Schadenersatzforderungen an den Airbus-Konzern zu prüfen. Ein Sprecher des Unternehmens verwies indes auf eigene Verluste durch die Verzögerungen und betonte, man sei an einer besseren Rüstungsbeshafffung ebenso interessiert wie die Bundeswehr.
Zuletzt war die Bundeswehr immer wieder wegen erheblicher Mängel bei der Ausstattung in die Schlagzeilen geraten. Dabei ging es unter anderem um Transportflugzeuge, Hubschrauber, gepanzerte Fahrzeuge und Aufklärungsdrohnen.
(hba/ach)