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Rüstungskontrolle im Weltraum
Gefährliches Wettrüsten

Waffen im Weltraum sind verboten. Auf der Erde werden dagegen schon länger Waffen gebaut, die den Frieden im All bedrohen - etwa das Abwehrsystem, mit dem Indien diese Woche einen Satelliten zerstörte. Höchste Zeit für ein internationales Abkommen zur Rüstungskontrolle im All, fordern Experten.

Von Karl Urban |
Der indische Weltraumbahnhof Sriharikota (Archivbild). Im Vordergrund steht eine Rakete auf einer Startrampe.
Indiens Weltraum-Bahnhof in Srihariokota. Diese Woche testete Indien erfolgreich ein Raketensystem, mit dem Satelliten aus dem All abgeschossen werden können. (dpa / picture alliance / SRO)
Am Mittwoch verkündete Indiens Premierminister Narendra Modi seinen Landsleuten stolz, Indien sei nun zu einer Weltraummacht geworden. Von der Testanlage Abdul Kalam im Osten des Landes sei eine ballistische Rakete aufgestiegen und habe in einer Höhe von 300 Kilometern einen eigenen, aktiven Satelliten abgeschossen. Indien sei nun nach den USA, Russland und China das vierte Land der Erde, das dazu in der Lage sei.
Die Entwicklung dieser Anti-Satelliten-Waffe sei ein wichtiger Schritt für Indiens Sicherheit, sein Wachstum und seine technologische Entwicklung, während sich Indien aber keinesfalls an einem Wettrüsten im All beteiligen wolle, sagte der Regierungschef.
Narendra Modi kommt der Test gelegen – in zwei Wochen beginnen in Indien die Parlamentswahlen. Doch international sorgen sich raumfahrttreibende Akteure vor einem neuen Wettrüsten im All.
Machtdemonstration ohne Wert, aber mit Konsequenzen
Der Generaldirektor der ESA, Jan Wörner, sagt gegenüber dem Deutschlandfunk: "Ich glaube, dass das außer einer Machtdemonstration hoffentlich überhaupt keinen sonstigen Wert hat. Es ist nur ein Fähigkeitsnachweis. Was will ich denn damit machen? Will ich damit jetzt jeden Satelliten, der bei mir mal vorbeikommt, abschießen? Das ist ja irgendwie keine Perspektive. Ich hoffe, dass das nur als reine Macht-Demonstration zu verstehen ist und nicht als ein echtes Aufrüsten."
Rechenmodelle der ESA gehen davon aus, dass beim Abschuss des Satelliten einige hundert Trümmerteile entstanden sind, die größer als zehn Zentimeter sind. Die US Air Force spricht von 270 Trümmerteilen, vermutlich kommen aber noch mehrere tausend kleinere Bruchstücke dazu, von denen aufgrund der geringen Bahnhöhe die meisten in den nächsten Tagen wieder verglühen werden und das Risiko für Kollisionen nur kurzzeitig anheben werden. Während die etwas höher kreisende Internationale Raumstation nicht gefährdet ist, gibt es auch niedriger kreisende Satelliten, die irgendwann zufällig beschädigt werden könnten.
"Das ist kein theoretischer Fall. Wir hatten mit einem Sentinel-Satelliten vor zwei Jahren tatsächlich ein Bruchstück, das den Satelliten getroffen hat und einen Teil des Solarpanels zerstört hat."
Wettrüsten im Weltall verhindern
Daher wäre es eigentlich längst an der Zeit, den Test solcher Waffensysteme international zu ächten – aber Verhandlungen darüber treten seit über zehn Jahren auf der Stelle. In den vergangenen zwei Wochen kamen Vertreter verschiedener Staaten bei den Vereinten Nationen in Genf zusammen, um darüber zu diskutieren, wie sich ein drohendes Wettrüsten im All verhindern ließe.
Auf einer Pressekonferenz am 14. März hatte der Vorsitzende des Treffens Guilherme de Aguiar Patriota aber bereits vor zu hohen Erwartungen gewarnt. "Das Problem ist, dass die führenden Raumfahrtnationen alle davon ausgehen, dass es einen Quantensprung bei der Nutzung des Alls geben wird - und zwar nicht nur bei der friedvollen Nutzung. Daraus ergibt sich die Frage: Ist das existierende internationale Recht ausreichend, um ein ausgewachsenes Wettrüsten im All zu verhindern?"
Im Jahr 2014 hatten Vertreter Chinas und Russlands einen Vertragsentwurf vorgelegt, der den bis heute gültigen Weltraumvertrag von 1967 erneuern soll. Doch dieser wurde vor allem von den USA abgelehnt, weil er der erklärten Dominanz des US-Militärs in allen Bereichen inklusive des Alls entgegensteht. Ohnehin hätte selbst dieser Vertragsentwurf lediglich im All stationierte Waffensysteme geächtet, nicht aber bodengestützte Systeme, wie das jetzt von Indien erprobte.
Wachsende Spannung im All
Ob dieser Test nun wenigstens die anderen Raumfahrtakteure wieder näher zusammenbringen könnte, bezweifelt Jan Wörner. "Also ganz nüchtern gesprochen, das glaube ich nicht. Wir haben ja auch gehört, dass die Amerikaner eine Space Force aufbauen wollen, also nicht nur eine Airforce, sondern auch eine Space Force."
Für die in den USA boomenden zivilen Raumfahrt-Startups wiederum steht vor dem Hintergrund wachsender Spannungen im All vieles auf dem Spiel: vor allem auch ihre Geschäftsmodelle. Mehrere dieser Firmen verurteilten den indischen Anti-Satelliten-Test und forderten, den Weltraum für möglichst alle Akteure sauber und nutzbar zu halten.
Doch die Chancen, dass diese Forderung vielerorts Gehör findet, sind aktuell gering, weiß auch Guilherme de Aguiar Patriota: "Sie müssen alle unwilligen Raumfahrtnationen davon überzeugen, dass sie bei der Abrüstung mitziehen müssen. Manche dieser Länder bezweifeln aber, dass es in ihrem nationalen Sicherheitsinteresse liegt, sich darauf einzulassen."