Der einzige Schatten, der die französische Rugby-Leidenschaft verdunkelt, ist die Tatsache, dass das Spiel im 19. Jahrhundert von der Insel nach Frankreich kam. Der Hundertjährige Krieg liegt zwar lange zurück, aber England und Frankreich beharken sich bis heute gerne, sei es in kulinarischen, sei es in sportlichen Fragen.
Alles, jedenfalls fast alles vergessen, jetzt, da die Rugby-Union-Weltmeisterschaft in Großbritannien ausgetragen wird. Auf den kantigen Gesichtern der französischen Spieler war Rührung zu sehen, als sie feierlich begrüßt wurden vom Knabenchor in der Painted Hall im Herzen des Greenwich-College.
Selbst das 118 Kilo Schwergewicht, Pascal Pape, zeigte sich an diesem Tag stolz auf die blaue Kappe, die den Spielern zum Auftakt verliehen wurde. "Er werde sie bis zu seinem Tode behalten", sagte der 1,95 Meter- Mann, die Nummer 4 im französischen Team.
Rugby, das bringt daheim in Frankreich, Alt und Jung vor den Fernseher, in die Kneipen und in die Clubs. Der Mannschaftssport ist im Süden des Landes noch beliebter als Fußball. Marseille, Toulouse, wer dort lebt, ist Rugby-Fan und Rugby-Kenner. Nicht zufällig spricht mancher Spieler der französischen Nationalmannschaft mit dem harten Akzent des Languedoc.
Die französische Profiliga "Top 14 " registrierte in der Saison 2014/2015 mehr als zweieinhalb Millionen Zuschauer in den Stadien, zwei Prozent mehr als im Zeitraum zuvor. Nimmt man die verkauften Eintrittskarten in der zweiten Liga, der ProD2 hinzu, kamen fast vier Millionen Menschen in die Rugby Stadien. Die Zuschauer der Amateur-Clubs nicht mitgezählt.
Die französische Profiliga verfügt in der laufenden Saison über ein Budget von 136 Millionen Euro, fast 13 Prozent mehr als im Zeitraum zuvor. Nicht zuletzt die Fernseh- und Audiorechte spülten Geld in die Kassen.
Wenn die "Blauen", Les Bleues, wie sie auch im Rugby heißen, antreten – in ihren blauen Shirts, mit dem gallischen Hahn auf der Brust, dann freuen sich die Rechteinhaber über hohe Einschaltquoten. Der Privatsender TF 1 bewarb die Weltmeisterschaft jenseits des Ärmelkanals mit einem ungewöhnlichen Fernseh-Spot, die beliebte, allseits bekannte und sehr zierliche Wettermoderatorin wurde von einem Rugby-Spieler über den Haufen gerannt .
Zeitgleich zum Start der WM lancierte der nationale französische Rugby-Verband FFR eine Kampagne, um den Sport noch mehr Franzosen schmackhaft zu machen.
Mit dem Werbefilm werden alle geehrt, die in den 1900 französischen Amateur-Vereinen tätig sind – sie alle würden die Seele des Sports ausmachen, ein Sport, der gastfreundlich und sozial sei.
In den Metrostationen von Paris kleben Plakate, die den Nationalsport Rugby bewerben, am Stade de France sind große Transparente aus Anlass der WM in Großbritannien angebracht worden, und selbst Zeitungen wie "Le Monde" erklären ihrer Leserschaft das Regelwerk.
Dass der Sport in Frankreich auch Frauensache ist, zeigt sich nicht nur an den zahlreichen weiblichen Fans jeder Altersklasse in den Stadien und vor den Fernsehgeräten. Es zeigt sich auch an der Biographie der französischen Nationalspielerin Gaelle Mignot, die vom internationalen Rugby-Verband in diesem Jahr unter die drei besten Spielerinnen der Welt gewählt wurde.