Archiv

Rugby-WM 2023
Probleme und Herausforderungen einer Sportart im Aufschwung

Die Rugby-WM in Frankreich hat viele Fans in ihren Bann gezogen - auch in Deutschland. Hierzulande kämpft der Verband mit zahlreichen Problemen. Und die großen Top-Nationen versuchen im Weltverband ihre Position abzusichern.

Manuel Wilhelm und Mareike Bier im Gespräch mit Sebastian Trepper |
Neuseelands Mark Telea überwindet mit Ball Jesse Kriel aus Südafrika.
Hohe Geschwindigkeit und voller Körpereinsatz: Das WM-Finale bot beeindruckendes Rugby (IMAGO / PPAUK / IMAGO / Micah Crook / PPAUK)
Südafrika hat sich im WM-Finale gegen Neuseeland in Paris mit 12:11 (12:6) durchgesetzt und nach 1995, 2007 und 2019 den vierten WM-Titel für das Land gesichert. Damit sind die Afrikaner der neue Rekordweltmeister. "Das war eine wahnsinnig aufregende Weltmeisterschaft, da es spätestens ab dem Viertelfinale unfassbar spannende Spiele waren", sagte Manuel Wilhelm, Sportdirektor des Deutschen Rugby-Verbandes im Dlf.
Auch die Aufmerksamkeit in Deutschland auf das Turnier sei "bombastisch" gewesen, sagte Wilhelm. "Wir hatten beim Finale fast 780.000 Leute in der Spitze bei der TV-Übertragung dabei, dass ist für eine Sportart wie Rugby in der Primetime gegen andere Sendungen ein wirklich extrem starkes Ergebnis", sagte der deutsche Ex-Nationalspieler.

Viele Deutsche Fans in den Stadien

Mareike Bier, die Kapitänin der deutschen Nationalmannschaft der Frauen und auch Wilhelm berichten von ihren Erlebnissen bei der Rugby-WM in Frankreich. Beide hatten unterschiedliche Spiele in französischen Stadien verfolgt. "Was mich extrem beeindruckt hat, war die Anzahl an Deutschen, die im Stadion waren und das ergeben auch die Statistiken, also das die Top Ten an Zuschauern, die dort waren, Deutschen waren", sagte Wilhelm.
Bier habe beeindruckt, dass Rugby nicht nur ein "Sport für Männer" sei, sondern "es ist ein Sport für alle". "Das hat man an dieser Weltmeisterschaft finde ich, auch noch mal extrem gesehen", sagte die deutsche Nationalspielerin.

Harte Spiele, lange Pausen, fairer Umgang

Die Rugby-WM dauert unglaubliche sieben Wochen, welches aber der hohen Intensität und Körperlichkeit der Spiele geschuldet ist. "Es ist einfach nicht möglich, da drei Tage später zu spielen, da braucht man einfach ein paar Tage Regeneration", sagte Wilhelm.
Auffällig beim Rugby ist vor allem der extrem faire Umgang mit dem Schiedsrichter. Die Spieler gehen extrem fair miteinander um, weil der Sport hart ist, aber es enorm wichtig ist, dass die Regeln eingehalten werden, weil der Spieler ohne Schutzausrüstung und Polsterung auflaufen, sagte Mareike Bier. Anderfalls würde es viele Verletzungen geben.

Fehlende Strukturen in Deutschland

Deutschland ist im internationalen Vergleich derzeit drittklassig, es fehle derzeit das Geld um eine Nationalmannschaft mit professionellen Bedingungen auszustatten, sagte Bier. Wilhelm sah die Perspektiven in Deutschland nicht ganz so pessimistisch. Man verfüge über ein sehr geringes Spielerniveau, mit ungefähr 8000 Aktiven, im Vergleich zu dem dünnen Spielerreservoir seien die Ergebnisse sehr achtbar, weil viele andere Gegner der deutschen Mannschaft auf semiprofessionelle oder sogar vollprofessionelle Strukturen zurückgreifen, sagte Wilhelm.
"Das ist wirklich ein Wettbewerb, indem man gegen Profimannschaften antritt. Und da ist es natürlich schwer, wenn wir unsere Spielerinnen und Spieler einen Tag vor dem Wettbewerb auf eigene Kosten zusammenziehen. Und die müssen noch irgendwie schauen, wie sie am Montag wieder in die Arbeit kommen", sagte Wilhelm. Nur ein Bruchteil des Geldes welches in den Fußball gesteckt werde, würde reichen damit die deutsche Rugby-Nationalmannschaft an der WM 2031 teilnehmen könne, prognostizierte Wilhelm. "Wir haben einfach eine extrem stark ausgeprägte Monosportkultur in Deutschland und da ist für andere Sportarten wenig Platz", kritisierte der Sportfunktionär.

Wenig demokratischer Weltverband

Der deutsche Verband stehe vor derzeit vor schwierigen finanzielle Entscheidungen, um die Stabilität im Verband zu wahren, sagte Wilhelm. Man müsse deswegen öfters unpopuläre Entscheidungen treffen.
Die Aufstockung der WM auf 24 Mannschaften bei der nächsten Ausgabe 2027 begrüßte Wilhelm. Er kritisierte aber die geringen demokratische Strukturen im Rugby-Weltverband. Viel Macht befinde sich bei den zehn größten Rugby-Nationen und so würden diese immer dafür sorgen, dass sie die "im Moment den Kuchen haben und die ganz ungern ein Stückchen abgeben wollen", sagte der deutsche Sportdirektor.