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Rugby-WM
Zu weiß für Südafrika?

Bei der Rugby-WM in England gehört das südafrikanische Team zu den Favoriten - schließlich haben die "Springboks" in den letzten 20 Jahren zwei Mal den Titel geholt. Doch vor der WM wurde in Südafrika wenig über Titelchancen gesprochen - und dafür viel über Hautfarbe.

Von Jan-Philippe Schlüter |
    Die südafrikanische Rugby-Nationalmannschaft trainiert für die Rugby-WM 2015.
    Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sind Schwarze in Südafrikas Rugby-Nationalmannschaft unterrepräsentiert. (dpa / picture alliance / Kim Ludbrook)
    Für viele Südafrikaner war es die vermutlich wichtigste Geste der Versöhnung - Bilder, die um die Welt gingen. Nach dem überraschenden Sieg bei der Heim-WM 1995 überreicht Nelson Mandela im grünen Springbok-Trikot strahlend den Pokal an Kapitän Francois Pienaar. Ein schwarzer Präsident, der einem weißen Rugby-Spieler gratuliert - bis dahin undenkbar in Südafrika. Mandela nutzte den Sport, der als die Domäne der Weißen galt, um die Nation zu vereinen.
    20 Jahre später scheint Südafrika beim Thema Rugby wieder gespalten zu sein. Denn in den Wochen vor der WM ging es weniger um die sportlichen Aussichten der Springboks als um die Hautfarbe der Spieler. Es sei einfach falsch, wenn ein schneeweißes Team Südafrika repräsentiere, sagte etwa der bekannte Radiomoderator und ehemalige Rugby-Profi John Robbie. Und Spielerberater Nqoba Koza war erschrocken zu sehen, dass die Teams von Frankreich und England mehr dunkelhäutige Spieler haben als die Springboks.
    Hochemotionale Debatte
    Die Debatte um die Hautfarbe der Spieler ist in den vergangenen Wochen hochemotional geführt worden. Sportliche Argumente spielten dabei selten die Hauptrolle. Stattdessen wurde aus dem Sport ein Politikum. Der Gewerkschaftsdachverband COSATU warf Nationaltrainer Heyneke Meyer Rassismus vor und forderte seinen Rücktritt. Angeblich hatten sich mehrere schwarze Spieler bei COSATU über ihre Nichtberücksichtigung beschwert.
    Eine bedeutungslose Oppositionspartei wollte sogar gerichtlich die Ausreise der Springboks nach England verbieten lassen. Weil das Team nicht repräsentativ für Südafrika sei. Und Meyers dunkelhäutiger Vorgänger Peter de Villiers motzte öffentlich: Manche seiner Meinung nach rassistisch motivierte Nominierung würde das Land in die Zeit der Apartheid zurückwerfen, als schwarze Südafrikaner das gegnerische Team anfeuerten.
    Nationaltrainer Meyer hat die Vorwürfe empört zurückgewiesen. Er schaue nicht auf Hautfarbe. Er schaue auf die besten Spieler. Unbenommen aber ist: Südafrikas Rugby ist noch kein Abbild der Regenbogennation, sagt auch John Robbie: "Die Transformation in vielen Bereichen in Südafrika ist viel zu langsam. Rugby ist da nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Beim WM-Titel 1995 war gerade mal ein schwarzer Spieler in der Mannschaft. Bei unserem WM-Sieg 2007 nur zwei. Wir hätten gerne ein Team, das die Bevölkerung besser widerspiegelt."
    Südafrikas Rugby-Elite ist immer noch vornehmlich weiß
    Weiße machen knapp zehn Prozent der südafrikanischen Bevölkerung aus - aber bei den Springboks sind mehr als zwei Drittel weiß. Das Problem ist aber nicht nur eines der Nationalmannschaft. Nqoba Koza hat selbst Rugby gespielt und versucht nun als Spielerberater, junge talentierte Schwarze zu Profis zu formen. Seiner Meinung nach werden die durch das traditionell weiß-geprägte Rugby-Nachwuchssystem mit vornehmlich weißen Trainern benachteiligt:
    "Nach dem Abitur scheinen viele junge schwarze Rugby-Spieler im Nichts zu verschwinden. Aber nicht, weil sie zu schlecht sind oder keine Lust auf Profisport haben. Sondern weil ihre Lebensumstände sie häufig daran hindern. Sie leben in armen Gegenden, die Eltern können sich oft nicht leisten, sie auf Privatschulen oder Unis zu schicken, wo sie zu Profis reifen könnten."
    Die Folge: Über 80 Prozent der jugendlichen Rugby-Spieler sind schwarz. Aber die Rugby-Elite ist immer noch vornehmlich weiß. Der südafrikanische Rugby-Verband hat bei der Transformation lange geschlafen. Doch jetzt hat er sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis zum Jahr 2019 soll in allen südafrikanischen Rugby-Wettbewerben die Hälfte der Spieler jeder Mannschaft schwarz sein.
    So "bunt" wie nie
    Wenige Tage vor der Rugby-WM hat sich die Rassen-Diskussion in Südafrika entspannt. Im 31 Mann starken WM-Kader stehen acht sogenannte "Nicht-Weiße". Damit sind die Springboks so bunt wie noch nie. Den schwarzen Rugby-Fans auf Johannesburgs Straßen scheint die Hautfarbe der muskelbepackten harten Jungs ohnehin egal zu sein. Solange sie nur den Titel holen: "Das Können hängt doch nicht von der Hautfarbe ab", sagt einer der Fans, "ich sage allen Nörglern: Wir müssen die Mannschaft unterstützen. Sie vertritt unser Land!" Ein anderer meint: "Ich mag die Springboks. Kommt mal ins Stadion - da sind alle Farben vertreten. Wir sind alles Südafrikaner."