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Ruge: Ländliche Gebiete von Bundeswehrreform besonders betroffen

31 Bundeswehrstandorte werden geschlossen, weitere 120 Liegenschaften sollen verkleinert werden. Nun gehe es darum, die Kommunen bei der Nach- und Umnutzung der militärischen Gelände organisatorisch und finanziell zu unerstützen, sagt Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag.

Kay Ruge im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 26.10.2011
    Tobias Armbrüster: Viele Augen richten sich heute in Sachen Euro-Schuldenkrise nach Berlin und später dann nach Brüssel. Aber in Dutzenden von deutschen Städten und Gemeinden beschäftigt die Politiker heute eine ganz andere Geschichte: Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière will heute erste Einzelheiten darüber bekanntgeben, welche Kasernen und Bundeswehrstandorte geschlossen oder verkleinert werden sollen. Das ist Teil der Bundeswehrreform. De Maizière will sich offiziell erst am Nachmittag auf einer Pressekonferenz äußern, aber erste Informationen sind bereits draußen. Mehr als 120 Standorte in ganz Deutschland sind demnach betroffen.

    Zu den betroffenen Bundesländern gehört auch Rheinland-Pfalz. Dort will die Bundeswehr in den kommenden Jahren fünf Standorte dichtmachen, unter anderem in der Kleinstadt Birkenfeld.
    Wenn nun Kasernen schließen und sich aus Städten und Gemeinden zurückziehen, was bedeutet das für die Kommunen in Deutschland? Darüber kann ich jetzt mit Kay Ruge sprechen, er ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistags. Er kennt sich also bestens aus mit der wirtschaftlichen Situation in den verschiedensten Regionen Deutschlands. Schönen guten Tag, Herr Ruge.

    Kay Ruge: Guten Tag, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Herr Ruge, 31 Standorte sollen also geschlossen werden bei der Bundeswehr. Können Sie das unterstützen?

    Ruge: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass bei den 31 Standorten auch der ländliche Raum erheblich betroffen sein wird. Das hätten wir uns anders gewünscht, das hätten wir uns mehr auf den städtischen, auf die Ballungsräume bezogen gewünscht. Wir hatten vorher intensiv uns darum bemüht, darauf hinzuwirken, dass insbesondere strukturschwache Räume, die auf die Bundeswehr mehr als andere Räume angewiesen sind, verschont werden. Insofern geht es aus unserer Sicht jetzt darum, die damit verbundenen Härten auch abzufedern.

    Armbrüster: Wo sehen Sie denn in Deutschland besondere Probleme?

    Ruge: Das wird man nicht auf einzelne Regionen beziehen können. Wir haben insgesamt im ländlichen Raum immer wieder strukturschwache Gebiete. Wenn man sich Schleswig-Holstein anguckt, das mit acht Standorten maßgeblich betroffen ist, wenn man sich auch die Standorte wie Birkenfeld in Rheinland-Pfalz anguckt und Kusel, dann sind das sicherlich keine wirtschaftlich prosperierenden Regionen.

    Armbrüster: Was kann denn Ihre Organisation, der Landkreistag, tun, um solchen Gemeinden und Städten zu helfen?

    Ruge: Es kommt jetzt darauf an, dass man insgesamt den politischen Einfluss, den der Deutsche Landkreistag geltend machen kann, nutzt, um auf Bundesebene im Bereich der Bundesregierung, aber auch auf Landesebene im Bereich der Landesregierungen für Unterstützung bei dem jetzt anstehenden Prozess der Nach- und Umnutzung dieser militärischen Liegenschaften mobilisiert. Wir können darüber hinaus natürlich auch aufzeigen, dass es auch gelungene Beispiele von Konversion gibt. Das haben wir bereits unternommen. Und wir können betroffenen Kommunen zur Hilfe stehen, indem wir solche Erfahrungen aus anderen Landkreisen, aus anderen Gemeinden, die in der Vergangenheit betroffen waren, was den Umsetzungsprozess jetzt angeht, vermitteln und das Ganze befördern.

    Armbrüster: Was sind denn Ihre genauen Forderungen an die Politik?

    Ruge: Wir würden schon sehen, dass die Übergabe der Liegenschaften (abgesehen von Altlastenfreiheit) zeitnah und unbürokratisch, eben in unmittelbarer Absprache mit den betroffenen Kommunen erfolgt, dass die Liegenschaften zu vertretbaren Konditionen übergeben werden und dass mit Blick auf die anstehenden Umplanungsprozesse, die Umnutzung derartiger Liegenschaften, auch eine finanzielle Unterstützung einbezogen wird. Wir können uns durchaus vorstellen, dass es im Rahmen von Strukturförderung Sonderprogramme für Konversion gibt für die betroffenen Kommunen. Das muss neues Geld sein, das darf nicht nur umgeschichtetes Geld sein. Wir glauben, dass im Bereich der Städtebauförderung erhebliche Mittel erforderlich sind, um zu anderen Veränderungen an der Stelle zu kommen. Insofern haben wir sowohl organisatorische wie natürlich auch finanzielle Forderungen an Bund und Länder.

    Armbrüster: Kann man das Ganze denn nicht auch positiv sehen? Ich meine, wenn die Bundeswehr einer Stadt oder einer Gemeinde nun ein großes Gelände übergibt, möglicherweise auch mit Gebäuden darauf, mit Infrastruktur, ist das nicht auch eine Chance für eine Stadt, möglicherweise ganz neue wirtschaftliche Optionen zu erschließen, Optionen, die es vorher gar nicht gegeben hat, zum Beispiel dort Unternehmen anzusiedeln et cetera?

    Ruge: Richtig, das kann es durchaus sein. Wir haben solche Fälle, die haben wir auch bereits aufgelistet. Ich hatte von guten Beispielen gesprochen. Wenn Sie sich den Landkreis Südwestpfalz angucken, dann ist die dortige, von den Amerikanern aufgegebene Luftwaffenbasis Zweibrücken inzwischen ein wirtschaftlicher Kristallisationspunkt geworden. Die Chance besteht immer. Wir haben erfolgreiche Nachnutzungen sowohl im gewerblichen Bereich wie mit Wohngebäuden. Das gelingt aber nicht überall. Nicht überall haben sie Anbindungen an Verkehrsinfrastruktur, nicht überall haben sie wirtschaftliche Entwicklungschancen, sondern wir haben auch Gebiete, in denen es bereits jetzt, ohne dass die Bundeswehr abgezogen ist, wirtschaftlich und strukturschwach ausgestaltete Räume gibt. Die werden nicht von vornherein darauf bauen können, dass irgendeine Großindustrie da sich ansiedelt. Da wird man mit Förderinstrumenten, die bewährt sind und die es gibt, auch unterstützend eingreifen müssen.

    Armbrüster: Kay Ruge war das, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages. Besten Dank, Herr Ruge, für das Interview.


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