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Ruhe in der Tiefe

Rohstoff-Förderung im Ozean muss umweltverträglich sein, so will es die EU. Doch Umweltschützer bemängelten die entsprechende Richtlinie als unzureichend. Denn die Suche nach Rohstoffen regelte sie nicht. Jetzt hat der Umweltausschuss des EU-Parlaments nachgebessert.

Von Stephanie Rohde | 12.07.2013
    Wenn der Meeresgrund nach Öl- und Gasvorkommen abgesucht wird, geschieht das meistens mit sogenannten Schallkanonen. Deren Schall durchdringt die unterschiedlichen geologischen Schichten. Anhand dieser seismischen Untersuchungen erkennen Forscher, ob sich unter dem Meeresboden Öl- oder Gasvorkommen befinden. Doch der Schall, den die Kanonen in die Tiefe senden, ist mehr als 10.000-mal so laut wie ein Presslufthammer in einem Meter Abstand, schätzt Nicolas Entrup, Berater der NGO "OceanCare". Wie viele Meerestierschützer kritisiert Entrup, dass der Schall Wale, Delfine und andere Lebewesen enorm belastet.

    "Der Wahnsinn dieser Aktivitäten ist, dass diese Schallexplosionen über einen oft wochen- bis monatelangen Zeitraum eben alle zehn Sekunden stattfinden, um wissenschaftliche Daten zu erlangen und das ist für die Tiere Unterwasser die Hölle. Sie meiden Gebiete, es hat Auswirkungen auf Nahrungs- und Paarungsverhalten, es kann auch zu physischen Schäden führen oder sogar zum Tod."

    Das Problem: Bisher wurde vor der Erschließung von Öl- und Gasquellen nicht geprüft, inwiefern der Einsatz von Schallkanonen den Tieren schaden könnte. Dabei existieren eigentlich schon lange standardisierte Verfahren in der EU, um zu prüfen, ob private oder öffentlich geförderte Projekte umweltverträglich sind. Doch diese standardisierten Prüfungen der Umweltschutzverträglichkeit galten bislang nicht für seismische Untersuchungen. Nun hat der Umweltausschuss beschlossen, diese Gesetzeslücke zu schließen. Kriton Arsenis von der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten im EU-Parlament hat diese modernisierte Richtlinie im Umweltausschuss mit auf den Weg gebracht:

    "Wir wollen, dass diese Untersuchungen und Erforschungen mit eingeschlossen werden in die Richtlinie, weil generell alle Projekte mit einbezogen werden sollten, die Auswirkungen auf die Umwelt haben. Wir wollen, dass es angemessene Umweltverträglichkeitsprüfungen gibt, damit diese Projekte fortgesetzt werden können, aber natürlich ohne negative Auswirkungen auf die Umwelt."

    Der Wal- und Delfinschützer Nicolas Entrup von OceanCare bezeichnet diese Richtlinie als einen Schritt in die richtige Richtung. Sie geht seiner Meinung aber noch nicht weit genug:

    "Aktuell weiß kein einziger Politiker, wo in europäischen Gewässern solche Untersuchungen stattfinden. Das heißt, dass wir noch meilenweit von dem Status entfernt sind, dass wir ein transparentes Register haben, um zu verhindern, dass Mehrfachuntersuchungen in den gleichen Meeresteilen stattfinden."

    Außerdem fordert Entrup klare Grenzwerte für den Unterwasserschall. Zudem sollen Meeresschutzgebiete eingerichtet werden, in denen seismische Tests für die Öl- und Gasförderung tabu sind. Doch soweit ist die Gesetzgebung noch nicht. Im September muss das EU-Parlament erst einmal über die Richtlinie entscheiden, bevor sie die Mitgliedsstaaten nach ihrer Zustimmung in die Praxis umsetzen.