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Ruhe unter Rotoren

Niederländische Forscher haben die Auswirkungen von Offshore-Windparks auf die Tierwelt untersucht. Ihr Ergebnis ist insgesamt eher positiv: Im Bereich der Windfarm Egmond aan Zee vor der holländischen Küste sei die Biodiversität sogar größer als außerhalb.

Von Joachim Budde |
    Wenn man Han Lindeboom von der Universität im niederländischen Wageningen nach den Auswirkungen des Windparks vor der holländischen Gemeinde Egmond aan Zee fragt, zieht der Professor ein positives Resümee:

    "Betrachtet man alle Tiere im Windpark, also die Lebewesen auf dem Meeresboden, die Fische, die Vögel und die Meeressäugetiere, dann erkennt man lediglich für ein paar Vogelarten, die sich vor den Windmühlen fürchten, einen negativen Effekt. Sie meiden den Windpark. Anderen Vögeln ist er völlig gleichgültig, und Kormorane ruhen sich sogar darin aus. Der Park ist relativ ruhig, dadurch ist die Biodiversität dort größer als außerhalb."

    Vor allem Basstölpel, See-Enten und Seetaucher, also solche Vögel, die auf Sicht jagen, stören sich an den Windmühlen. 2006 wurde die Offshore-Windfarm Egmond aan Zee als niederländisches Demonstrationsobjekt zehn bis 18 Kilometer vor der holländischen Küste gebaut; 2007 gingen die 36 Rotoren ans Netz. Eine ganze Reihe Studien aus den ersten anderthalb Jahren Betrieb ist in Lindebooms Analyse eingeflossen. Manche Erhebungen müssen noch verbessert werden. Die Vögel habe man zum Beispiel lediglich bei guter Sicht beobachten können. Lindebooms Kollegen suchen deshalb nach automatischen Verfahren.

    Die haben sie für die Fische bereits gefunden. Sie haben Seezungen und Kabeljaus mit Sendern versehen und neun Monate lang beobachtet. Die Seezungen machen sich davon, sagt Lindeboom:

    "Einige Kabeljaus hingegen sind die ganzen neun Monate bei einer Windmühle geblieben. Nur in schweren Stürmen haben sie sie mal verloren, aber dann haben sie sich eine andere ausgesucht. Es sieht also danach aus, dass so ein Windpark für Kabeljau eine Art Schutz bieten kann."

    Seehunde und Robben sind vor allem vor dem Lärm beim Bau des Parks geflüchtet.

    Schweinswale wiederum ließen sich während des Betriebs Untersuchungen mit Unterwassermikrofonen zufolge im Windpark häufig nachweisen, sagt Lindeboom.

    "Das heißt nichts für die Schweinswalpopulation. Für ein Schutzgebiet ist der Park viel zu klein. Aber er schadet ihnen auch sicher nicht. Und vielleicht finden die Schweinswale dort doch ein wenig Ruhe."

    Für künftige Parks empfiehlt Lindeboom, genau darauf zu achten, welche Vögel das Gebiet der Wahl frequentieren. Er rät außerdem, statt vieler kleiner Windparks eher wenige große zu bauen, in denen die Rotoren zudem weit auseinander stehen.

    Lars Gutow sagt, die Erkenntnisse deckten sich zwar mit den Resultaten der Studien zum deutschen Windpark Alpha ventus nördlich der Insel Borkum.

    "Aber es ist zu früh, um von dieser Zusammenfassung von Studien auf generelle Aussagen schließen zu können."

    Besonders bemängelt der Biologe vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven eine Lücke in den holländischen Studien: Wie die Steinaufschüttung, die um die einzelnen Windmühlen die Erosion verhindern sollen, der sogenannte Kolkschutz, die Bodenlebewesen beeinflusst, darauf gingen die niederländischen Wissenschaftler gar nicht ein, sagt Gutow.

    "Dieser Kolkschutz hat dort in den Niederlanden einen Durchmesser von circa 25 Metern um die Anlagen herum, dieser Teil wird von den Autoren als Teil der Anlage betrachtet, dass dort aber eine Fläche versiegelt wird, auch, das wird im Grunde genommen gar nicht berücksichtigt."

    Ein Grund, warum das Fazit der Holländer insgesamt positiv ausfällt, ist die Tatsache, dass es der Nordsee so schlecht geht: Sie ist durch Fischerei, Verschmutzung, Sand-, Öl- und Gasgewinnung und durch die Schifffahrt ohnehin bereits sehr stark verändert. Darin stimmt Lars Gutow seinem Kollegen Han Lindeboom zu:

    "Er hat natürlich recht, wenn er sagt, die Nordsee ist in ihrer Natürlichkeit zu vergleichen mit einem Weizenfeld oder einem Maisfeld. Der Meeresboden wird durch die Grundschleppnetzfischerei mehrmals pro Jahr praktisch umgepflügt, sodass man dort keine natürlichen Verhältnisse mehr vorfindet."
    Somit bieten die Rotoren anscheinend für viele Arten tatsächlich Ruhezonen in einer vom Menschen völlig vereinnahmten Umgebung.