Es ist für säkulare Israelis kein Vergnügen, wenn sie am Wochenende wegfahren wollen - und kein eigenes Auto haben, sich kein Taxi leisten können. Man sei einfach nicht flexibel, klagt Shonit Cohen, eine Frau von Ende Vierzig aus Haifa:
"Wenn ich am Wochenende zum Beispiel einen Ausflug machen möchte, Freunde oder meine Mutter, die in einer anderen Stadt wohnt, besuchen möchte, dann muss ich freitags das Haus verlassen und kann erst am Samstagabend wieder zurückkehren. Die Menschen sind dadurch in ihren Häusern gefangen und ihnen wird das Grundrecht auf Mobilität genommen."
"Kooperativer Nahverkehr im Rahmen des Status Quo"
Shonit Cohen hat einen langen Atem. Sie und ihre Mitstreiter unterstützen den jahrzehntelangen Wunsch säkularer Israelis, auch am heiligen Sabbat mit dem öffentlichen Nahverkehr Freunde und Verwandte besuchen zu können. Schon der Großvater von Roi Schwartz-Tichon, Dan Tichon, in den 1990er Jahren Parlamentspräsident, setzte sich für den Busverkehr am Sabbat ein. Sein Enkel Roi hat zusammen mit Freunden eine Kooperative gegründet. 'Noa Tanuo' bietet im Großraum Tel Aviv ihren Mitgliedern für ganz weg Geld Busfahrten an, von Ramat Gan bis an den Strand in Tel Aviv:
"Man muss Mitglied in unserer Kooperative werden. Die Mitgliedschaft kostet 20 Schekel und die ersten zwei Fahrten sind mit Erhalt dieser Mitgliedschaft kostenlos. Danach muss man sich mit bis zu neun Schekeln an den Kosten der Fahrt beteiligen. Mit der Handy - App 'Hop on' erhält man einen Barcode, der beim Einstieg gescannt wird und das Konto gleichzeitig belastet."
Roi Schwartz Tichon nutzt ein Schlupfloch im Gesetz, das seit Staatsgründung die Sabbatruhe schützt und die Busse und Züge in den Depots lässt. Wenn kein Fahrgeld erhoben wird, die Busse also am Sabbat kostenlos fahren, dann geht’s:
"Hier handelt es sich nicht um einen öffentlichen Nahverkehr oder um eine Änderung des Status Quo, sondern um einen kooperativen Nahverkehr im Rahmen des Status Quo."
In Jerusalem heißt die vergleichbare Kooperative: 'Schabus' - zusammengesetzt aus Shabbat und Bus. Im israelischen Parlament setzt sich Yael German, die ehemalige Bürgermeisterin von Herzliya und heutige Abgeordnete der liberalen Yesh Atid Partei, seit langem für den öffentlichen Nahverkehr am Sabbat ein. Das sei eine soziale Forderung, denn:
"Wir alle fahren am Sabbat. Es handelt sich ja nicht um den Yom Kippur, an dem es verboten ist zu fahren. Am Sabbat darf man fahren und die Straßen sind voller Autos. Es trifft ausgerechnet die schwachen Bevölkerungsschichten oder diejenigen, die noch oder bereits keinen Führerschein mehr haben, es trifft die Jugendlichen und die Alten - sie alle können ihre Wohnungen nicht verlassen und sind vom Wohlwollen ihrer Nachbarn, Freunde oder Enkelkinder anhängig. Sie können nicht alleine den Strand, den Park oder ihre Freunde besuchen. Diese Situation ist unerträglich."
Keine Mehrheit in der Knesset
Als ihr Gesetzentwurf zur Abstimmung in der Knesset aufgerufen wurde, fand sich für die liberale Idee keine Mehrheit. So bleibt es weiterhin einzelnen Kommunen überlassen, Sabbat Busse zu organisieren. Idan Mizrahi ist Stadtrat in Rishon Letzion, einer größeren Stadt südlich von Tel Aviv. Leicht war das nicht, sagt er:
"Das Projekt ist nicht wirtschaftlich. Im ersten Jahr musste ich tief in die eigene Tasche greifen, um es zu realisieren. Als Mitglied des Stadtrats arbeite ich zu hundertprozentig ehrenamtlich. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir dieses Jahr ein Fundraising über das Internet mit Hilfe der Studentenbewegung organisieren werden. Darüber hinaus gibt es viele Geschäftsleute in der Stadt, die mir ihre Unterstützung zugesagt haben, eventuell mit Werbeplakaten."
Was Kommunalpolitiker wie Idan Mizrahi dazu bewegen, weiter zu machen?
"An einem Samstagabend erhielt ich einen Anruf von einem alten Ehepaar, beide um die 70 Jahre alt. Sie sagten, sie wollten mir persönlich danken. Sie wären heute nach 25 Jahren erstmals wieder am Strand gewesen. Ihr Sohn sei vor langer Zeit nach Amerika ausgewandert, sie selbst würden kein Auto besitzen und könnten keine 160 Schekel für das Taxi ausgeben."
Dafür lohne es sich, als Ehrenamtlicher weiter für kommunale Busangebote am Sabbat zu kämpfen, sagt Idan abschließend.