Die Situation ist etwas unwirklich: ein altes Hafenbecken in Duisburg Ruhrort. Unweit dampft das Thyssenkrupp-Stahlwerk, auf der anderen Seite fahren Containerschiffe auf dem Rhein entlang. Auf einer grünen Landzunge dazwischen hebt ein riesiger Kran eine überdimensionale schwarze Holzkiste mit einer silberglänzenden Halbkugel darin ins Hafenbecken. "Nomanslanding" ist eine begehbare Installation. Jeremy Sparks, Eventingenieur aus Australien, der Künstlerträume wahr macht und Hollywood-Kulissen schuf, hat das Konzept einer internationalen Künstlergruppe verwirklicht und ist mit der zwölf mal zwölf Meter großen Skulptur aus Sidney angereist, wo sie bereits vier Wochen lang stand, beziehungsweise schwamm: "Wir hatten einen ungewöhnlichen Monat. Wir hatten 75 Prozent Regen, trotzdem kamen 6.000 Leute, die die Show sehen und erfahren wollten. Das war toll."
Ein Festivaldorf vor dem Festivalhaus
"Nomanslanding" erinnert an die Toten von Konflikten und Krieg. Die Besucher gelangen über wackelige Pontonstege auf die schwimmende Insel. Jeweils zwanzig auf einer Seite sitzen sich in zwei Halbkugeln gegenüber. Katja Aßmann, eine der Kuratorinnen: "Ganz langsam bewegen sich zwei Halbkuppeln aufeinander zu und dabei startet eine Klanginstallation, die sich mit verschiedenen Themen des Konfliktes und eines Feindbildes, was sich so alles im Kopf abspielt, wenn man sich in einem Konflikt befindet und das ganze ... wird man in einem großen Flüsterdom erleben und ... vereint sich dann langsam zu einer Kuppel, die dann Spielort wird für ... ein Klagelied."
Szenenwechsel: In Bochum hat bereits Ruhrtriennale Gründungsintendant Gerard Mortier vor 15 Jahren die Jahrhunderthalle zum Festivalhaus erkoren.
Jetzt wird hier gesägt und gewerkelt für ein neues Festivaldorf. Es entsteht auf dem Vorplatz der Jahrhunderthalle. Gehämmert wird gerade noch an einem großen Haus aus rotbraunen Holzbrettern. Das sogenannte Refectorium gleicht einer alten Scheune. Dreihundert Leute sollen hier Platz finden. Es kann als Bar genutzt werden, aber auch für Lesungen, Konzerte und Veranstaltungen, fast alle kostenlos. Wer sich der großen Industriekathedrale nähert, guckt auf dem Vorplatz aber erst einmal in ein überdimensionales Arschloch aus Hardplastik. Auch dieses Kunstwerk ist Bestandteil des Festivaldorfes, das Joep van Lieshout entworfen hat. Der Platz ist voll damit: da ragen bombenähnliche Stahltonnen hoch, ein hautfarbenes höhlenartiges Gebilde lockt zum Hineinschauen.
Auf die Leute zugehen
Beim Aufbau der zahlreichen Installationen, egal ob in Dinslaken, Duisburg oder Bochum finden sich jedenfalls schon viele Neugierige ein: "Das soll ein Kunstwerk sein? Ja nu, man muss es mal von Nahem betrachtet haben. Für so moderne Sachen bin ich nicht ganz so, aber man ist offen dafür. Ich wohn' ja hier und wenn ich einkaufen gehe, dann kann ich's ja mal anschauen."
Das gefällt Johan Simons. Der Intendant der Ruhrtriennale kehrt nach fünf Jahren als Intendant der Münchner Kammerspiele zurück zu seinen Wurzeln. Schon 1985, als es die Ruhrtriennale noch lange nicht gab, hat er mit seiner Gruppe Hollandia in den Niederlanden in Scheunen und leeren Fabriken gespielt. Jetzt macht er Theater in einer staubigen Kohlenmischanlage in Dinslaken oder lässt die Besucher über wacklige Wasserstege laufen. Er möchte damit auch Menschen erreichen, die sonst nicht ins Theater gehen und niemanden ausgrenzen: "Ich versuch das immer wieder. Ich bin schon solange damit beschäftigt. Manchmal gelingt das, manchmal nicht. Aber ich finde es immer wieder wichtig, auf die Leute zuzugehen. Das bedeutet nicht, dass man keine hohe Kunst machen muss, das wäre arrogant sein. Es ist mir wichtig, dass ich jedes Mal den Versuch starte."
In der Form, mit so vielen ungewöhnlichen und frei zugänglichen Angeboten, hat es bisher kein Triennale-Intendant versucht. Simos Konzept scheint aufzugehen, denn von den zählbaren knapp fünfzigtausend Karten sind bereits zum Start Dreiviertel verkauft.