Vor 30 Jahren hat Mircea Dinescu den Sturz des Diktators verkündet. Nun steht er in der Küche seines Restaurants und wendet Buletten: "Anfangs – nach der Revolution – habe ich nur für meine Kinder gekocht."
Erst bekannter Schriftsteller, dann Oppositioneller, Revolutionär, nun Fernsehkoch und Restaurantbesitzer. In einem Land, in dem zu kommunistischen Zeiten Hunger herrschte und nun alles rund ums Essen boomt, eine schlüssige Karriere.
"Nach der Wende war es sehr kompliziert für uns Schriftsteller. Ich habe damals Erfolg gehabt, habe eine Satirezeitung, einen Verlag gegründet, dann mein Restaurant eröffnet. Viele meiner Freunde sind mit der kapitalistischen Welt nicht klargekommen, konnten vom Schreiben nicht leben. Manche haben sich umgebracht."
Erst bekannter Schriftsteller, dann Oppositioneller, Revolutionär, nun Fernsehkoch und Restaurantbesitzer. In einem Land, in dem zu kommunistischen Zeiten Hunger herrschte und nun alles rund ums Essen boomt, eine schlüssige Karriere.
"Nach der Wende war es sehr kompliziert für uns Schriftsteller. Ich habe damals Erfolg gehabt, habe eine Satirezeitung, einen Verlag gegründet, dann mein Restaurant eröffnet. Viele meiner Freunde sind mit der kapitalistischen Welt nicht klargekommen, konnten vom Schreiben nicht leben. Manche haben sich umgebracht."
Früh einen Namen als Dichter gemacht
Dinescu packt die Buletten auf einen Teller, klackst Senf in ein kleines Schälchen, greift sich ein Fladenbrot – und geht rüber in den Speiseraum. "Was wollt ihr trinken? Weißwein? Rotwein? Bring doch die Flaschen, wo meine Gedichte drauf stehen!"
Im kommunistischen Rumänien hatte sich Dinescu sehr früh einen Namen als Dichter gemacht, wurde mit diversen Literaturauszeichnungen bedacht. Mitte der 80er wurden seine Gedichte kritischer. Er bekam Publikationsverbot – schmuggelte seine Werke ins Ausland.
Im kommunistischen Rumänien hatte sich Dinescu sehr früh einen Namen als Dichter gemacht, wurde mit diversen Literaturauszeichnungen bedacht. Mitte der 80er wurden seine Gedichte kritischer. Er bekam Publikationsverbot – schmuggelte seine Werke ins Ausland.
"Das war die Zeit, als man Nahrung nur auf Karte bekam." Dinescu reißt ein Stück Fladenbrot für jeden ab, füllt seinen Gästen Wein ein, greift sich eine Bulette. "Ich habe für meine kleinen Kinder keine Milch bekommen, keine Medikamente. Eine schreckliche Krise."
Pamphlet gegen Ceaușescu
Im März 1989 veröffentlichte Dinescu schließlich in der französischen Tageszeitung "Libération" ein Pamphlet gegen Ceaușescu, wurde daraufhin unter Hausarrest gestellt, bewacht durch die Securitate.
"Ich sagte mir: Ich kann nicht leben, ohne klar auszusprechen, was im Land vor sich geht. Leider gab es keine Solidarität. Ich habe mit elf anderen den Text geschrieben: die wichtigsten Schriftsteller Rumäniens. Doch am Ende haben die nicht unterzeichnet. Dann habe ich mir gesagt: Mach‘ ich es halt alleine."
"Ich sagte mir: Ich kann nicht leben, ohne klar auszusprechen, was im Land vor sich geht. Leider gab es keine Solidarität. Ich habe mit elf anderen den Text geschrieben: die wichtigsten Schriftsteller Rumäniens. Doch am Ende haben die nicht unterzeichnet. Dann habe ich mir gesagt: Mach‘ ich es halt alleine."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe 30 Jahre nach der Ceaușescu-Diktatur - Mühsame Aufarbeitung in Rumänien.
Mitte Dezember begannen die ersten Demonstrationen gegen das Ceaușescu-Regime, in Timișoara. Das Militär rückte gegen die Demonstranten vor. Dinescu stand währenddessen noch unter Hausarrest. "Ich habe im Radio mitbekommen, dass sie Menschen erschießen. Ich dachte, gleich erschießen sie auch mich."
Abends sind wir mit Dinescu beim staatlichen Rundfunk verabredet. Er ist Gast in einer politischen Talkshow. Eine Wächterin führt uns zum Fernseh-Hochhaus. Hier fand die rumänische Revolution ihren Höhepunkt. In den Straßen rund um das Gebäude protestierten Menschenmassen. Armee und Securitate gingen gegen die Aufständischen vor, mehr als tausend Menschen starben. Heute liegt der graue Hochhausblock ziemlich verlassen im regennassen Dunkel.
Abends sind wir mit Dinescu beim staatlichen Rundfunk verabredet. Er ist Gast in einer politischen Talkshow. Eine Wächterin führt uns zum Fernseh-Hochhaus. Hier fand die rumänische Revolution ihren Höhepunkt. In den Straßen rund um das Gebäude protestierten Menschenmassen. Armee und Securitate gingen gegen die Aufständischen vor, mehr als tausend Menschen starben. Heute liegt der graue Hochhausblock ziemlich verlassen im regennassen Dunkel.
Das Militär solidarisierte sich mit den Revolutionären
Eine Viertelstunde vor der Sendung kommt Dinescu – noch immer in seiner grauen Wolljacke und dem schwarzen Hut, so wie er am Nachmittag die Buletten gebraten hat.
"Ich bin hier jeden Donnerstag – und sonntags für meine Kochshow. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass ich hier damals reingegangen bin. Da mussten wir noch die Fenster einschlagen, um reinzukommen."
Damals, das war der 22. Dezember 1989: Ceaușescu und seine Frau Elena flohen mit dem Helikopter aus Bukarest. Die Revolutionäre besetzten das Partei- und dieses Rundfunk-Gebäude. Das Militär solidarisierte sich mit den Revolutionären.
"Als Ceaușescu mit dem Helikopter verschwunden ist, waren auch die Securitate-Leute vor meiner Tür weg. Ich bin rausgegangen – und da kam eine Autokolonne, die zum Fernsehsender wollte. Die haben mich erkannt: Schau, das ist der Dinescu. Den nehmen wir jetzt mit."
"Ich bin hier jeden Donnerstag – und sonntags für meine Kochshow. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass ich hier damals reingegangen bin. Da mussten wir noch die Fenster einschlagen, um reinzukommen."
Damals, das war der 22. Dezember 1989: Ceaușescu und seine Frau Elena flohen mit dem Helikopter aus Bukarest. Die Revolutionäre besetzten das Partei- und dieses Rundfunk-Gebäude. Das Militär solidarisierte sich mit den Revolutionären.
"Als Ceaușescu mit dem Helikopter verschwunden ist, waren auch die Securitate-Leute vor meiner Tür weg. Ich bin rausgegangen – und da kam eine Autokolonne, die zum Fernsehsender wollte. Die haben mich erkannt: Schau, das ist der Dinescu. Den nehmen wir jetzt mit."
Revolutionäre auf Sendung
"Das Studio ist oben." "Wir haben auch ein kleines Museum eingerichtet." Dinescu und der Moderator der Polit-Sendung führen uns die geschwungene Treppe hoch, zum Studio 4. Hier gingen die Revolutionäre auf Sendung, gaben den Sturz Ceaușescus bekannt. Allen voran: der Schauspieler Ion Caramitru und Dinescu selbst.
"Ich bin da aufgetaucht: Und dann hat Caramitru gesagt, schreib‘ doch etwas, du bist doch Schriftsteller, aber ich konnte nichts schreiben in dieser angespannten Stimmung. Und er: Sag‘ es der Welt, sag‘ der Welt, was los ist. Da waren um mich herum aber viele Unbekannte, einige Securitate-Leute in Zivil und Höflinge Ceaușescus. Die haben sich die Trikolore um den Arm gebunden und waren dann auf einmal auch Revolutionäre. Die hätten uns auch erschießen können."
In dem Raum vor dem Studio 4 hat der Sender heute ein kleines Museum eingerichtet. Gleich auf vier Fotos an der Wand ist Dinescu zu sehen, während der Liveübertragung im Studio. Jung, in einem Wollpullover mit einem Notizblock in der Hand – umringt von einer Menschentraube.
"Wir haben dafür gesorgt, dass die Leute in ganz Rumänien auf die Straße gehen. Damals gab es ja nur in Timișoara und in Bukarest Proteste."
"Ich bin da aufgetaucht: Und dann hat Caramitru gesagt, schreib‘ doch etwas, du bist doch Schriftsteller, aber ich konnte nichts schreiben in dieser angespannten Stimmung. Und er: Sag‘ es der Welt, sag‘ der Welt, was los ist. Da waren um mich herum aber viele Unbekannte, einige Securitate-Leute in Zivil und Höflinge Ceaușescus. Die haben sich die Trikolore um den Arm gebunden und waren dann auf einmal auch Revolutionäre. Die hätten uns auch erschießen können."
In dem Raum vor dem Studio 4 hat der Sender heute ein kleines Museum eingerichtet. Gleich auf vier Fotos an der Wand ist Dinescu zu sehen, während der Liveübertragung im Studio. Jung, in einem Wollpullover mit einem Notizblock in der Hand – umringt von einer Menschentraube.
"Wir haben dafür gesorgt, dass die Leute in ganz Rumänien auf die Straße gehen. Damals gab es ja nur in Timișoara und in Bukarest Proteste."
Ion Iliescu wurde Präsident
Einige Stunden nach Dinescu trat der Mann vor die Kamera, der von da an die Geschicke des Landes lenkte: Ion Iliescu. Einst Jugendminister, galt er als möglicher Nachfolger Ceaușescus, fiel dann in Ungnade.
"Iliescu sagte, Ceaușescu hat die Ideale des Kommunismus verraten. Und dann sind alle Generäle zu ihm gegangen und haben ihn hochleben lassen. Als Iliescu die Generäle auf seiner Seite hatte, hat er gesagt: Wir bilden jetzt einen Nationalen Rat. Ich war da auch drin. Habe davon zwei Tage später im Fernsehen erfahren."
"Iliescu sagte, Ceaușescu hat die Ideale des Kommunismus verraten. Und dann sind alle Generäle zu ihm gegangen und haben ihn hochleben lassen. Als Iliescu die Generäle auf seiner Seite hatte, hat er gesagt: Wir bilden jetzt einen Nationalen Rat. Ich war da auch drin. Habe davon zwei Tage später im Fernsehen erfahren."
Nun muss sich Dinescu beeilen – gleich beginnt die Polit-Sendung. Der Kamerakran schwenkt auf die Talkshow-Runde. Dinescu legt seinen schwarzen Hut ab, beginnt: Pointiert teilt er gegen die Mächtigen des Landes aus. Genauso wie er es vor der Revolution getan hat.