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Rumänien
Gut gebildete Demonstranten in Bukarest

Das Vertrauen in die rumänische Regierung ist erschüttert. Abend für Abend ziehen tausende vor den Regierungssitz in Bukarest. Sie fordern einen Rücktritt der Regierung und ein Ende der Korruption. Und sie lassen auch nach Tagen nicht locker - denn für sie geht es um ihre eigene Zukunft und die Zukunft des Landes.

Von Ralf Borchard |
    Menschen protestieren mit Bannern und rumänischen Flaggen gegen das umstrittene Korruptionsdekret vor dem Gebäude der rumänischen Regierung in Bukarest.
    Demonstrationen in Bukarest. (afp / Daniel Mihailescu)
    Zu denen, die hier jeden Abend pfeifen, singen, Buh in Richtung Regierungsgebäude rufen, gehört auch der Mann, der die längste Fahnenstange aller Demonstranten in der Hand hält. Drei große Flaggen übereinander flattern daran im eisigen Wind: die rumänische, die EU-Flagge und die der USA. Er ist 53, ihm gehört in Bukarest eine Klettersporthalle, zwölf Angestellte hat er. Die lässt er seit einer Woche allein arbeiten, steht schon tagsüber auf dem Siegesplatz:
    "Meine Hoffnung ist der Druck des Westens, der Europäischen Union und der Amerikaner. Deshalb auch meine Fahnen hier. Ohne den Druck anderer Regierungen von außen wird es - so dickfellig wie die Leute hier im Regierungsgebäude hinter mir sind - keine Chance geben, dass die Demonstrationen Erfolg haben."
    Es geht um die Zukunft Rumäniens ohne Korruption, sagt er, deshalb demonstrieren Zehntausende, auch, wenn es zuletzt nicht mehr ganz so viele waren.
    "Was mir wichtig ist gerade jetzt, wo die EU so viel kritisiert wird: Wir in Rumänien wünschen uns von ganzem Herzen, die europäischen Werte zu leben, die in den westlichen Ländern so erfolgreich waren."
    Viele Demonstranten aus der Mittelschicht
    Nicht ganz so pathetisch, aber umso wütender, formuliert es der Mann neben ihm, zwei Jahre älter, er steht mit einer Schubkarre voller Aktenordner hier:
    "Ich komme aus der Stadt Bacau. Dort kämpfe ich seit 14 Jahren gegen korrupte Notare. Mit den Dokumenten, die sie beurkunden, decken sie Korruption. Mein persönlicher Fall ist so groß, dass die Gerichtsakten eine ganze Schubkarre füllen, eigentlich drei Schubkarren. Die einzige Chance, diese Korruption je abzustellen, sind große Bewegungen wie diese, allein hast Du keine Chance."
    Auch die 54-jährige Kunst- und Kulturmanagerin aus Bukarest, die hier jeden Abend in die Sprechchöre mit einstimmt, kommt, wie die Mehrheit der Demonstranten, aus der gut gebildeten Mittelschicht.
    "Wir wollen in erster Linie die Botschaft an die Regierung senden, dass wir kein Vertrauen mehr in sie haben. Wir wollen ihnen zweitens sagen, dass Rumänen nicht mehr durch pure Willkür regiert werden kann wie bisher. Und drittens hoffen wir, dass die Regierung zurücktritt. Auch wenn die nächste Regierung wieder aus den Reihen der Sozialdemokraten kommt, es müssen kompetentere Leute sein, nicht solche Hochstapler."
    Und dann steht noch er jeden Tag zwischen Kisten voller Obst auf dem Bukarester Siegesplatz: Familienvater, Mitte 30, er verteilt kostenlos Proviant und Getränke:
    "Am Anfang habe ich aus dem Obstgarten unserer Familie Äpfel mitgebracht. Dann hat sich die Idee herumgesprochen, jetzt spenden täglich andere Leute Obst, bringen es her, um Solidarität zu zeigen. Nach dem Motto: Energie für die Demokratie."
    Wie lange werden sie durchhalten, wenn die Regierung nicht zurücktritt, weiter laviert?
    "Ich weiß es nicht, das ist ganz schwer vorherzusagen", meint sie. "Wir werden jedenfalls auf diese Regierung aufpassen, so wie man seinen Geldbeutel vor Taschendieben schützt. Eines kann ich sicher sagen: Wir werden nicht aufgeben."