Bukarest, Universitätsplatz. Eine Rolltreppe führt in die Passage, über die man zur Metro gelangt. Dort kann man sie in einem Copy-Shop erwerben: Prepaid-Telefon-Karten. Der Verkäufer fächert die Produkte verschiedener Hersteller auf. Fünf Euro kostet so eine Karte, manche Hersteller verschenken sie auch zu Werbezwecken. Das Geschäft ist einfach: Geld auf den Tisch, fertig. Die Karten sind anonym. Keine Ausweiskontrolle. Keine persönlichen Daten sind nötig. Bis zu 14 Millionen dieser Karten sind im Umlauf, etwa zwei Drittel aller rumänischen Telefon-Karten.
Nur, wer die benutzt, das weiß nicht einmal der rumänische Geheimdienst, räumt Dumitru Dumbrava ein, Leiter der Juristischen Direktion des Nachrichtendienstes SRI: "Wir haben Partnerdienste, die uns anrufen und sagen: Bei Euch ist am Grenzübergang Nadlac ein Auto ins Land eingefahren mit vier Insassen, die in die Zone des Kalifats reisen, um dort zu kämpfen. Versucht bitte herauszufinden, mit wem sie Verbindung aufnehmen. Und dann kann ich den Partnern nur antworten: Ja, sie haben drei Prepaid-Kartentelefone kontaktiert."
Sicherheitsrisiko Prepaid-Karte
Etwa drei Prozent der in Rumänien verkauften – anonymen – Prepaid-Karten werden gezielt von Terroristen oder der Mafia genutzt, um unter dem Radar der Sicherheitsbehörden zu bleiben, schätzt Dumitru Dumbrava. Der Geheimdienst-Mann beklagt einen doppelten Standard, für ihn sind die namenlosen SIM-Karten eine Waffe: "Es ist doch paradox, dass ich beim Kauf einer nicht tödlichen Waffe wie einer Luftdruckpistole meinen Ausweis vorzeigen und meine Personaldaten angeben muss. Mit einer anonym gekauften Prepaidkarte kann ich aber unendlich viel mehr Schaden anrichten."
Laut einem Kommuniqué des rumänischen Geheimdienstes haben Einzelpersonen, die terroristischen Organisationen angehören, rumänische Prepaid-Karten zur Kommunikation mit dem Ausland benutzt. Es werde gegen Besitzer solcher Karten ermittelt, die in der Nähe der Gebiete im Gebrauch seien, die vom Islamischen Staat kontrolliert werden. Jüngste Informationen deuteten auch auf Anschlägspläne hin, heißt es weiter. Die Rede ist dabei von einer EU-Verkehrstrasse. Der rumänische Premier Dacian Ciolos ist alarmiert: "Apropos Prepaidkarten: Rumänien, so habe ich verstanden, ist eines der wenigen Länder der Europäischen Union, das weiterhin Prepaidkarten ohne Identitätskontrolle verkauft. Und ich habe verstanden, dass jüngst sogar in Rumänien gekaufte Prepaidkarten bei der Vorbereitung von Attentaten in der Europäischen Union verwendet worden sind, weil man sie hier einfach bekommt."
Deutsche Behörden schweigen
Das wollten wir genauer wissen. Doch auf ARD-Anfragen reagierte der rumänische Geheimdienst nicht. Auch vom Berliner Innenministerium und dem deutschen Verfassungsschutz gab es bislang keine Informationen dazu. Luxemburg hatte den Verkauf von anonymen Prepaid-Mobil-Karten nach den Anschlägen von Paris verboten. Auch in Rumänien soll die Sicherheitslücke nun geschlossen werden, kündigte der Premier an. Präsident Klaus Iohannis drängt zur Eile.
Unserem Bukarester Prepaid-Karten-Verkäufer wäre das nur Recht: "Uns würde es gefallen, wenn man die Prepaidkarten nur mit Angabe persönlicher Daten kaufen könnte", sagt er. "Dann könnte man Kriminelle besser verfolgen, die im Schutz der Anonymität etwa Geld erpressen und dann die Karte wegwerfen. Dann sind sie nicht mehr aufzuspüren. Wenn aber die SIM-Kartennummer Auskunft über die Identität des Besitzers gibt, steigen die Chancen, Gesetzesbrecher zu entlarven."