"Diebe, Diebe" rufen Demonstranten vor dem Regierungsgebäude in Bukarest. Es ist Freitagabend, wieder sind an die 100.000 Menschen allein in der Hauptstadt auf die Straße gegangen, viele sind zum ersten Mal da, um gegen eine Einschränkung der Korruptionsbekämpfung zu demonstrieren:
"Wir treten hier für unser Recht ein und wollen unser Land von den Dieben in der Regierung befreien. Sie bestehlen uns nicht nur heute, sondern seit vielen Jahren. Für mich ist dies der erste Abend", sagt diese Frau.
Auch heute, am Samstag, gingen die Proteste den fünften Tag in Folge weiter. In Bukarest begann es am Mittag mit einer Familiendemonstration, zahlreiche Eltern mit Kindern, insgesamt geschätzt 8.000 bis 10.000 Menschen kamen, darunter der 12-jährige David: "Ich bin hier, weil ich eine gute Sache unterstützen will. Ich will Rumänien vor den Dieben retten und will, dass es für mich eine Zukunft in Rumänien gibt", sagt der 12-Jährige.
Und die gleichaltrige Anna, die ebenfalls mit ihren Eltern unterwegs ist, sagt: "Ich will nicht, dass die Korruption legal ist. Es sind viele Kinder da, die mit mir zur Schule gehen, überall hört man von den Protesten und alle wollen hierher auf diesen Platz kommen."
Der Vater einer Fünfjährigen, die auf seine Schultern sitzt, sagt: "Eigentlich sind es nicht die Eltern, die ihre Kinder zu dieser Demo gebracht haben, sondern die Sache der Kinder hat die Eltern hergebracht."
Regierungspartei zieht Annullierung in Erwägung
Dann am Nachmittag die Überraschung: Das regierungsnahe rumänische Nachrichtenportal dcnews veröffentlicht ein Interview mit dem starken Mann der Regierung, Liviu Dragnea, dem Parteichef der Sozialdemokraten. Er gilt als Drahtzieher der Eilverordnung, die Korruptionsbekämpfung erheblich einschränken soll.
Erstmals deutet Dragnea ein Einlenken an. Er wolle "Lösungen zur Beendigung des innenpolitischen Konflikts" vorschlagen, wird Dragnea zitiert. Und der PSD-Chef fährt fort, "eventuell könne man sogar über eine Annullierung der Eilverordnung" sprechen. Zur Begründung sagte Dragnea, er wolle verhindern, dass "Rumänen mit Rumänen in Konflikt" geraten, wenn nach den regierungskritischen Demonstranten "fast eine Million" seiner Anhänger auf die Straße gingen. Das kann als Drohung verstanden werden, umfassende Gegendemonstrationen zu organisieren. Gleichzeitig wirft Dragnea Präsident Klaus Iohannis in dem Interview vor, er habe die aktuelle Spaltung Rumäniens bewirkt.
Auch wenn diese Äußerungen noch kein Ende der Krise bedeuten - eine Rücknahme der umstrittenen Einschränkungen in der Korruptionsbekämpfung scheint erstmals nicht mehr ausgeschlossen. Die Demonstrationen gegen die Regierung sollen dennoch heute und morgen weitergehen.