Es ist für ihn eine schmale, innenpolitische Gratwanderung: Einerseits kann Klaus Iohannis als Staatspräsident nicht "Partei" sein, nicht erklärter Gegner der sozialdemokratischen Regierung; andererseits muss er aber oftmals genug "Partei" ergreifen, immer dann, wenn er die rechtspolitische Ordnung des EU-Landes gefährdet sieht. Ein Konflikt, der seit dem Amtsantritt der Regierung vor bald zwei Jahren stetig an Schärfe zunimmt. Jüngste Beispiel - Der Versuch des Justizministers Toader in der vergangenen Woche, eine Staatsanwältin zur neuen Chefin der Antikorruptionsbehörde zu machen, die zuvor vom zuständigen Richtergremium als für den Posten ungeeignet abgelehnt worden war:
"Rumänien darf keine Rückschritte in der Korruptionsbekämpfung machen, das ist völlig unannehmbar, und ich werde so etwas niemals akzeptieren. Ich wünsche mir eine ernstzunehmende Korruptionsbekämpfung. Zu diesem Zweck braucht die Nationale Antikorruptionsbehörde eine unabhängige Person an ihrer Spitze, eine Person, die entschlossen ist diese schwierige und mühevolle Arbeit auf sich zu nehmen."
Regierung wünscht keine Einmischung
Der Staatspräsident, der der deutschstämmigen Minderheit angehört und seit 2014 im Amt ist, hat in die mehr als anderthalbjährige Kontroverse um die sogenannte "Justizreform" deutlich eingegriffen - oder sich unzulässig eingemischt, wie es der eigentliche starke Mann Rumäniens, Parlamentspräsident und Chef der regierenden Sozialdemokraten Liviu Dragnea behauptet. Schon im Februar 2017, als klar war, dass die vom vorbestraften Parteichef Dragnea beherrschte Regierung die Standards für Korruptionsvergehen absenken und die Rechte der Strafermittler beschneiden wollte, nahm der Staatspräsident kein Blatt vor den Mund:
"Eines sage ich den Regierenden in aller Deutlichkeit, das versichere ich Ihnen: Hände weg von der Antikorruptionsbehörde!"
Es nutzte nichts: Die ursprünglich großen Protestdemonstrationen in Bukarest vom Februar und März 2017 gegen die sogenannte "Justizreform" der Regierung, mit der im wesentlichen diejenigen Reformen zurückgenommen werden sollten, die Rumänien für den Beitritt zur Europäischen Union zuvor hatte verabschieden müssen - die Demonstrationen ebbten nach einigen Wochen und Monaten ab.
Die Bemühungen der regierenden Sozialdemokraten samt ihres liberaldemokratischen Koalitionspartners gingen hingegen weiter, richteten sich vor allem auf die Absetzung der Leiterin der Antikorruptionsbehörde, Laura Kövesi. Diese überschreite ihre Befugnisse, müsse abgesetzt werden.
Die Antikorruptionsbehörde, die als eine der Hauptbedingungen für einen EU-Beitritt Rumäniens ins Leben gerufen worden war, hatte unter Kövesis Amtszeit zahlreiche ehemalige Minister, über zwei Dutzend Abgeordnete und weitere Funktionsträger vor Gericht stellen lassen. Als sich im Juli dieses Jahres die Regierung gegen Iohannis vor dem Verfassungsgericht durchsetzen konnte, musste der Staatspräsident der Entlassung der von ihm hochgeschätzten Leiterin der Antikorruptionsbehörde zustimmen. Sehr viele seiner Anhänger nahmen Iohannis dabei übel, dass er seine Sprecherin vorschob, und nicht selber das Wort in der Öffentlichkeit ergriff:
"Der Präsident Rumäniens, Herr Klaus Iohannis, hat heute das Dekret zur Entlassung von Frau Laura Kövesi als Chefin der Antikorruptionsbehörde unterschrieben. Der Präsident Rumäniens Klaus Iohannis betont, dass der Kampf gegen die Korruption in keiner Weise aufgegeben oder verlangsamt werden darf."
Zwischen allen Stühlen
Von seinen Anhängern musste Iohannis anschließend massive Kritik einstecken: Er hätte selber das Wort ergreifen müssen, statt seine Sprecherin vor die Kameras zu schicken. Wenige Wochen später schien der Staatspräsident aus diesem Versäumnis seine Lehren gezogen zu haben: Nach dem massiven Polizeieinsatz gegen rund Hunderttausend Demonstranten am 10. August auf dem Bukarester Siegesplatz, bei dem 430 Demonstranten verletzt worden waren, erklärte Iohannis unmissverständlich:
"Die Gewalt gegen Bürger, die sich mit friedlichen Protesten der Regierung widersetzen, charakterisiert die autoritären Regimes und nicht das europäische Rumänien von heute. In jedem anderen Land mit verantwortungsbewussten Menschen in der Regierung hätten wir bis zu diesem Zeitpunkt mindestens einen Rücktritt."
Nichts davon geschah. Der Parteichef der Sozialdemokraten, Dragnea, warf Joahnnis vor, zur Gewalt angestiftet zu haben. Die Proteste vom 10. August seien ein "gescheiterter Staatsstreich" gewesen, gegen den Staatspräsidenten müsse ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet werden. Jetzt, gut zwei Monate vor der turnusgemäßen Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft, stellt die sogenannte "Venedig-Kommission" des Europarates in ihrem Bericht über Rumänien fest: Die "Justizreform" der Regierung habe das Strafrecht bei der Bekämpfung von Korruption und Organisierter Kriminalität geschwächt, und die Unabhängigkeit der Justiz beeinträchtigt.