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Rundfunkstaatsvertrag
Thüringen droht mit Ausstieg aus MDR

Von den Rundfunkbeiträgen aus Thüringen gibt der MDR zu wenig im Land selbst aus, beklagt die Regierung. Der neue Rundfunkstaatsvertrag soll das ändern. Sieben Jahre haben sich die Verhandlungen hingezogen, nun ist die Novelle beschlossen. Die Finanzierung der MDR-Standorte in den einzelnen Ländern sorgt aber weiterhin für Ärger.

Von Alexander Moritz | 28.01.2021
Ein viertelrunder Bau aus Stahl und Glas hinter einem Teich.
Die Zentrale des Mitteldeutschen Rundfunks in Leipzig (picture alliance / dpa / Jan Woitas)
Wäre der MDR ein Bundesland, wäre Leipzig die Hauptstadt. Von hier aus steuert der Sender seine Programme in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Daneben gibt es in allen drei Ländern ein Landesfunkhaus. Trotzdem arbeitet ein Großteil der Beschäftigten in Sachsen.
Thüringen fordert seit Jahren, dass der MDR einen größeren Teil der Beitragsgelder bei ihnen ausgeben soll, schließlich komme ein Viertel der Beitragszahlungen aus Thüringen, rechnet die Staatskanzlei in Erfurt vor. Thüringens Medienstaatssekretär Malte Krückels argumentiert dazu im Dresdener Medienpodcast Flurfunk: "Insofern sind wir da schon noch stark hinten dran und hoffen jetzt, dass mit der neuen Formulierung mehr Schwung in die Diskussion kommt."

Thüringen soll profitieren

Die Länder wollen dem Sender nun vorschreiben, "im Rahmen des Möglichen darauf hinzuwirken, dass den Ländern ihre Anteile an den Einnahmen des MDR mittelfristig zu Gute kommen", wie es im Staatsvertragsentwurf heißt. Die Intendantin soll darüber regelmäßig Berichte abgeben.
In einem Anhang zum Staatsvertrag schiebt Thüringen noch hinterher, dass das Land bald aus dem Vertrag aussteigen würde, frühestens schon zum Ende des Jahres, wenn nicht bald mehr Geld nach Thüringen fließe. Das sei durchaus als Drohung zu verstehen, sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow der Süddeutschen Zeitung.

MDR mit verfassungsrechtlichen Bedenken

Der MDR soll also das Verteilungsproblem lösen, für das die drei Länder keine Einigung gefunden haben. Im Sender ist man darüber nicht erfreut. Solche Vorgaben seien ein Eingriff in die Programmautonomie, sagte der juristische Direktor des MDR, Jens-Ole Schröder, bei einer Anhörung im sächsischen Landtag. Er habe "verfassungsrechtliche Bedenken" um die Rundfunkfreiheit.
Ungewöhnlich deutlich stellt sich der Sender gegen die Länder. Die würden fälschlicherweise von der Auffassung ausgehen, dass es bei den Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag gewisse Anteile gäbe, die den Ländern zustünden und an diese zu verteilen seien, sagt MDR-Sprecher Michael Naumann: "Der Rundfunkbeitrag ist aber aus unserer Sicht ausschließlich und allein für die Erfüllung des Auftrags da. Aus dem Rundfunkbeitrag soll der MDR Angebote erstellen, verbreiten, die dann allen Menschen im Sendegebiet und in Deutschland zugutekommen."
Fernbedienung und ein Geldbetrag von 18,36 Euro
Eilantrag zum Rundfunkbeitrag zurückgewiesen - "Ein eindeutiger Rückschlag"
ARD, ZDF und Deutschlandradio scheiterten mit ihrem Eilantrag, den Rundfunkbeitrag im Januar zu erhöhen, vor dem Bundesverfassungsgericht. Medienrechtler Wolfgang Schulz räumt den Sendern trotzdem gute Chancen im Hauptverfahren ein. Es fehle ihnen aber eine Kommunikationsstrategie, kritisierte er im Dlf.

Standortpolitik mit den Beitragsgeldern?

Der medienpolitische Sprecher der sächsischen CDU, Andreas Nowak, hält es dagegen für unbedenklich, dem Sender die Standorte vorzuschreiben. Der Kern der Rundfunkfreiheit sei, dass der Bürger das Recht auf eine unabhängige Information bekomme, betont Nowak, "und das ist erkennbar nicht gefährdet, wenn wir organisatorische Fragestellungen behandeln". Das sei keine Angelegenheit der Anstalt, so Nowak, sondern der Parlamente.
Problematisch ist die Vehemenz, mit der die Thüringer Linke Forderungen an den MDR stellt, findet auch Holger Hövelmann, medienpolitischer Sprecher der SPD in Sachsen-Anhalt. Was die CDU und Ministerpräsident Haseloff zum Beitragsstaatsvertrag gemacht hätten, mache jetzt auch in Thüringen Schule, sagt Hövelmann: "Man denkt, wenn man nur ordentlich die Brust rausstreckt, kriegt man Punkte gesammelt. Das ist, glaube ich, nicht gut für die Zukunft des MDR."
Sachsens Medienstaatsminister Oliver Schenk von der CDU will die Wogen glätten. Der MDR versuche bereits, einzelne Bereiche nach Thüringen umzulegen, die Zentrale in Leipzig dürfe aber nicht zur Debatte stehen, betont Schenk: "Was aus meiner Sicht nicht geht, ist, dass wir mit den Beitragsgeldern anfangen, Standortpolitik zu betreiben und möglicherweise mit großen Summen beginnen, zweite oder dritte Standorte errichten. Das läuft einer Idee einer Dreiländeranstalt entgegen."

Sparpläne wegen ausbleibender Beitragserhöhung

Für Thüringen kämen damit nur neue Einrichtungen infrage, die im Rahmen digitaler Formate notwendig werden. Doch daran ist nicht zu denken. Weil der Rundfunkbeitrag erst mal nicht erhöht wird, werde der MDR bei digitalen Innovationsprojekten sparen, kündigte MDR-Intendantin Karola Wille kürzlich an. Das betrifft unter anderem den geplanten Umbau des bisherigen Radiofunkhauses in Halle zu einem crossmedialen Arbeitsbereich.
Widerspruch aus Sachsen-Anhalt gegen diesen Sparplan kam prompt: CDU-Medienpolitiker Markus Kurze mahnt, dass am Umbau in Halle festgehalten werden müsse. Krokodilstränen seien das, sagt dagegen sein SPD-Landtagskollege Hövelmann: "Die CDU hat es verbockt. Sie hat mit ihrer Entscheidung, die Beitragserhöhung zu verhindern, dafür gesorgt, dass die Einnahmen beim MDR nun fehlen."
In den nächsten Wochen beschäftigten sich die Fachausschüsse der Länderparlamente mit dem Vertrag, der im Juni in Kraft treten soll. Ob er wegen Bedenken zur Medienfreiheit noch verändert wird, ist unklar.