Archiv

Russisch-chinesischer Nachbarschaftsvertrag
Strategische Freunde

China und Russland haben ihren Nachbarschaftsvertrag verlängert. Seit Jahren nähern sich beide Länder wirtschaftlich an und verfolgen gemeinsame politische Ziele. Aber die Beziehung ist nicht spannungsfrei. Ein Überblick.

Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping und Russlands Präsident Wladimir Putin bei ihrem Videogespräch zur Verständigung des chinesisch-russichen Nachbarschaftsvertrags.
Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping und Russlands Präsident Wladimir Putin (dpa / picture alliance / Aleksey Nikolskyi)
China und Russland haben ihren Nachbarschaftsvertrag verlängert. Darauf haben sich der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping und Russlands Präsident Wladimir Putin verständigt.
Der Nachbarschaftsvertrag zwischen China und Russland schreibt auch die gegenseitige Unterstützung der territorialen Integrität beider Staaten fest. Angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen spiele die russisch-chinesische Nachbarschaft eine "stabilisierende Rolle im Weltgeschehen", betonte Putin. Russland beliefert China unter anderem mit Öl, Gas und Kohle. Im Gegenzug verkaufen die Chinesen Maschinen und Konsumgüter in den flächenmäßig größten Staat.
Beide Länder verfolgen zudem ähnliche Interessen im UN-Sicherheitsrat und haben ein angespanntes Verhältnis zu den USA. Aus Sicht der NATO stellen China und Russland derzeit die größte Bedrohung für die Sicherheit im euro-atlantischen Raum dar.
Wie sehen die Kräfteverhältnisse zwischen China und Russland aus?
Der Handel zwischen Russland und China hat deutlich zugenommen. Im Außenhandel Chinas hat Russland nach wie vor eine sehr niedrige Position, ist nicht so prominent wie westliche Industrienationen. Aber für Russland ist China mittlerweile der wichtigste bilaterale Handelspartner, hat Deutschland vor einiger Zeit abgelöst. Die EU bleibt allerdings der wichtigste Handelspartner Russlands.
China ist vor allem sehr stark an russischen Rüstungsgütern interessiert. Mittlerweile hat sich die Situation aber verändert, weil China seine eigenen Kapazitäten sehr stark ausgebaut hat und unabhängig von russischen Rüstungstechnologien und Know-how geworden ist. Wichtig sind für China aber Energielieferungen aus Russland. Da bleibt Russland ein wichtiger Öl- und Gaslieferant.
Chinesische Soldaten bei einer Übung für eine Militärparade
Militärmacht China - Aufrüsten für eine neue Weltordnung?
Längst hat die Volksrepublik China die meisten Kampfschiffe weltweit. Massive Investitionen in das Militär lassen Sorgen bei den Nachbarländern aufkommen – allen voran in Taiwan.
Russland bezieht aus China vor allen Dingen Textilien, Konsumgüter und zunehmend auch Hochtechnologie im Bereich Telekommunikation, Digitalisierung, Computertechnologie. Damit ergibt sich für die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und China aus russischer Perspektive ein ähnliches Ungleichgewicht wie mit den westlichen Industrienationen. Russland ist in erster Linie Rohstofflieferant und China kommt zunehmend in die Position, Fertiggüter, Konsumgüter und auch Technologien nach Russland zu liefern.
Welche politischen Interessen verbinden China und Russland?
Der russisch-chinesische Nachbarschaftsvertrag besteht seit Juli 2001. Dahinter steht sowohl aus der Perspektive Pekings als auch Moskaus das Bestreben, ein Gegengewicht zum Einfluss des Westens in der globalen Politik zu schaffen. Beide vereint der Wunsch, dass eigene autoritäre politische System zu schützen und den westlichen Einfluss zu limitieren. Aber Russland und China wollen auch eine alternative politische Ordnung bereitstellen, eine Gegenposition zur USA und dem Westen.
Der chinesische Präsident Xi Jinping schüttelt dem russischen Präsident Vladimir Putin die Hand.
Russland und China - Partnerschaft statt Rivalität
Theoretisch stehen Moskau und Peking zwar im Systemwettbewerb, doch es lohnt sich für beide Seiten, diese Rivalität nicht allzu offen auszutragen. Die Partnerschaft soll sogar enger werden.
Wie wirkt sich die Annäherung der beiden Mächte auf die globalen Kräfteverhältnisse aus?
Auf globaler Ebene wird vor allen Dingen der zunehmende weltweite Machtanspruch Chinas - wirtschaftlich, politisch, militärisch - kritisch wahrgenommen. Unter dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump gab es eine sehr aggressive Phase amerikanischer China-Politik. Aber auch die jüngsten Initiativen von Joe Biden, sind Antworten auf die wachsende Rolle Chinas im internationalen System. Hier nimmt Russland prinzipiell nur eine nachrangige Position ein, kann aber das chinesische Agieren in diesem Zusammenhang durchaus verstärken.
Als Rettungskräfte verkleidete Darsteller versammeln sich um eine Fahne der Kommunistischen Partei während einer Gala-Show im Vorfeld des hundertjährigen Jubiläums der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas. 
China und der Westen - "Ein bisschen Kalter-Krieg-Atmosphäre"
Harmlose Interaktionen zwischen China und vielen westlichen Staaten seien plötzlich mit Konflikten aufgeladen, sagte der Politologe Sebastian Heilmann im Dlf. Er sieht ein ernstes Phänomen.
China-Experte zu NATO-Gipfel - "China fühlt sich tatsächlich angegriffen"
Die NATO sieht Peking als systemischen Rivalen. Als Gegenstrategie würden die Chinesen versuchen, westliche Bündnisse zu spalten, sagte Mikko Huotari vom Mercator-Institut für China-Studien im Dlf.
Welche Themen belasten das Verhältnis beider Länder?
Perspektivisch gibt es eine Reihe von Bereichen, wo es durchaus zu Interessenkonflikten kommen kann, wenn sich das Ungleichgewicht zwischen Russland und China in dieser Form weiterentwickelt.
Zum Beispiel die Arktis, wo Russland starke Territorialansprüche hat, perspektivisch auch Zentralasien, wo China als wirtschaftlicher Akteur eine immer größere Rolle spielt und Russland aus seiner Vormachtsstellung in der Region verdrängt. Das Gleiche könnte irgendwann in anderen Weltregionen passieren. China hat sich immer sehr zurückgehalten in manchen der Konflikte, die Russland mit dem Westen hatte.
Russische Panzer bei einer Übung in der Nähe von Murmansk.
Russland und die Arktis
Unter dem Eis der Arktis schlummern reichhaltige Rohstoffvorkommen. Das ruft die Anrainerstaaten auf den Plan: Norwegen, Kanada, Dänemark verfolgen eigene Interessen, selbst China bringt sich ins Gespräch. Die konkretesten Pläne aber hat Russland.
Zum Beispiel beim russisch-georgischen Krieg 2008, als Russland im Nachgang die beiden abtrünnigen Gebiete in Georgien als Staaten anerkannt hat, da hätte man sich in Moskau sicherlich Unterstützung von China gewünscht, hat sie aber nicht bekommen. Das Gleiche gilt für die Annexion der Krim.
Und die chinesische Rolle in Russlands unmittelbarer Nachbarschaft nimmt nicht nur in Zentralasien zu, sondern auch im Westen Russlands. Das sind Bereiche, wo es zukünftig zu Interessenkonflikten kommen könnte. Bislang gehen beide Seiten damit noch sehr konstruktiv um, weil der Vorteil, den sie aus dieser Partnerschaft gewinnen, einfach deutlich größer ist als die Nachteile, die sie im Moment sehen.
Quelle: Sabine Fischer (Stiftung Wissenschaft und Politik) im Gespräch mit Britta Fecke, al