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Sprachpolitik
Russisch als Machtinstrument

Russisch ist Weltsprache, vielen gilt sie als Kultur- und Literatursprache. Andere aber betrachten Russisch als Sprache von Invasoren. Das betrifft vor allem Menschen in heute unabhängigen Staaten, die einst der Sowjetunion angehört haben.

Von Thomas Franke |
Russlands Präsident Wladimir Putin am Rande eines Treffens in Kirgistan im Dezember 2002. Im Hintergrund ein traditionelles Wandgemälde
Russisch ist in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, die stark von Russland abhängig sind, weit verbreitet. Russlands Präsident Wladimir Putin will damit auch Macht und Einfluss sichern (picture alliance / dpa / TASS / Sergei Bobylev)
Herbst 2021. Ein großer Bildschirm. Darauf zu sehen die Staatschefs der Staaten der GUS. Wegen Corona findet der Gipfel virtuell statt. Die Verkehrssprache ist Russisch. Alle neun versammelten Staatschefs sind in der Sowjetunion aufgewachsen und sprechen die Sprache fließend. Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, kurz GUS, ist eine Nachfolgeorganisation, gegründet von Staaten, die aus der Sowjetunion hervorgegangen sind. Die drei baltischen Länder haben von Anfang an nicht dazu gehört. Sie haben sich nach dem Ende der Sowjetunion umgehend auf die Europäische Union ausgerichtet. Anders Georgien und die Ukraine. Die einstigen Mitglieder haben die GUS erst später verlassen - wegen der Kriege, die Russland gegen sie führt.
Beim virtuellen Gipfel sprechen die verbliebenen Staatschefs über einen Ausbau ihrer Zusammenarbeit. Besonders Russlands Präsident Wladimir Putin hebt die Gemeinsamkeiten der Staaten hervor, betont die gemeinsame Geschichte, die gemeinsamen geistigen Wurzeln, die tiefe Verflechtung der Kulturen, Sitten und Traditionen. Und natürlich verbinde die Mitgliedsstaaten die russische Sprache:
 „Die russische Sprache ist die Kraft, die uns eint. Sie festigt den geeinten Zivilisationsraum auf dem Gebiet der GUS.“

Weitere Teile der Reihe „Die Politik von Sprachen“

Russisch ist eine der sechs offiziellen Sprachen der UNO

Die Staatschefs haben vereinbart, das Jahr 2023 zum Jahr der russischen Sprache in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten zu erklären. Noch einmal Putin:
„Wir halten die Programme zur Förderung, Verbreitung und Erhöhung des Stellenwerts der russischen Sprache für sehr nützlich, und das gilt auch für die Programme zur Popularisierung der russischen Kultur. Wir sind davon überzeugt, dass all das der gegenseitigen geistigen und kulturellen Bereicherung der GUS Staaten dienen wird.“
Tatsächlich gilt Russisch als Weltsprache und ist eine der sechs offiziellen Sprachen der Vereinten Nationen. Ende der 90er-Jahre, so Schätzungen, haben etwa 300 Millionen Menschen Russisch gesprochen, etwa 160 Millionen waren Muttersprachler. Doch während die einen Russisch als identitätsstiftend wahrnehmen, als Kultursprache, als Sprache der Weltliteratur, ist sie für andere keineswegs die Sprache, die eint. Im Gegenteil: Russisch ist für sie die Sprache der Invasoren, die diese gezielt einsetzen, um sich Macht und Einfluss zu sichern. Dementsprechend ist Russisch auch weiterhin in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, die stark von Russland abhängig sind, weit verbreitet.
Russlands Präsident Wladimir Putin und sein kirgisischer Amtskollege Sadyr Dschaparow beim Gipfeltreffen des Höchsten Eurasischen Wirtschaftsrates im Dezember 2022
Russlands Präsident Wladimir Putin und sein kirgisischer Amtskollege Sadyr Dschaparow (r.) beim Gipfeltreffen des Höchsten Eurasischen Wirtschaftsrates im Dezember 2022 (picture alliance / dpa / TASS / Sergei Bobylev)

Wenn Russisch als Sprache der Invasoren wahrgenommen wird

Ein Beispiel: Kirgistan in Zentralasien, Mitglied der GUS. Kirgistan wurde 1876 vom russischen Reich besetzt und erlangte die Unabhängigkeit erst 1991 beim Zusammenbruch der Sowjetunion. Die Kirgisen sind ein Turkvolk, die größte Minderheit stellen die Usbeken, gleichfalls turksprachig. Mit der russischen Vorherrschaft kam auch die russische Sprache in die Region. Mahabat Sadyrbek ist Politologin und Rechtsanthropologin, forscht am Max-Planck-Institut in Halle und ist in einem kirgisischen Dorf aufgewachsen.
„Meine Muttersprache ist Kirgisisch. Russisch habe ich in der Schule als Fremdsprache gelernt. Und mit 14 bin ich in die Stadt gekommen. In die Hauptstadt Bischkek, wo hauptsächlich russisch gesprochen wurde. Ich besuchte zwar eine kirgisische Schule, aber die Schüler haben untereinander russisch gesprochen, und das war sehr befremdend.“
Die soziale Stellung war auch nach dem Ende der Sowjetunion daran geknüpft, Russisch zu sprechen. Sadyrbek empfand das als kolonialistisch.
"Alles lief über die russische Sprache, und da hatte ich auch so einen gewissen Trotz entwickelt, auch eine gewisse Abneigung gegenüber der russischen Sprache. Warum muss ich das können und warum kann ich nicht alles in meiner Muttersprache lernen?“
Menschen, die nicht Russisch sprachen, galten in Bischkek als dumm, erzählt Sadyrbek: „Das habe ich oft zu spüren bekommen. Klar, Russisch war die Sprache der Intelligenz, der Bildung, des höheren Status usw. Später habe ich meine Einstellung zu der russischen Sprache ein bisschen geändert. Das ist auch eine großartige Sprache. Die ist aber ein bisschen anders vermittelt worden. Wenn man sich gezwungen fühlt, irgendeine Sprache sprechen zu müssen, das ist irgendwie nicht korrekt. Man wird trotzig. Ja, da spürte man diese, dass diese Sprache auf uns aufoktroyiert wurde.“

Russisch eröffnet mehr Möglichkeiten

Kirgistan ist arm. Es ist in den mehr als 30 Jahren seit der Unabhängigkeit nicht gelungen, alle Gesetze und Verordnungen, wissenschaftlichen Texte und Lehrbücher ins Kirgisische zu übersetzen. Und so kommt es, dass Russisch in Kirgistan bis heute zweite Amtssprache ist.
Zudem dient Russisch als Verkehrssprache zwischen den Bevölkerungsgruppen in Kirgistan. Und: Vor Corona haben Hunderttausende Kirgisen in Russland gearbeitet.
„Und dadurch haben die Leute auch Russisch gelernt. Das erklärt auch ein bisschen das Desinteresse, die eigene Sprache zu lernen, also Kirgisisch, weil Russisch mehr Möglichkeiten angeboten hat.“

Wunsch auch nach sprachlicher Unabhängigkeit

Doch es gibt auch gegenläufige Tendenzen. In ihnen spiegelt sich der Wunsch nach Emanzipation, es geht um die kirgisische Identität. Ende November schlug die Vorsitzende des Parlaments von Kirgistan vor, die Bezirke der Hauptstadt Bischkek zu Ehren kirgisischer Persönlichkeiten umzubenennen. Bis heute tragen sie die alten sowjetisch-russischen Namen: Pervomajskij, Sverdlovskij, Oktjabrskij und Leninskij. Umgehend meldeten sich Abgeordnete der russischen Staatsduma zu Wort. Svetlana Schurova, stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, äußerte sich im Radiosender Govorit Moskva. Zitat:
„Dann geht es wie in Georgien, wo die Jugend, leider, praktisch gar kein Russisch spricht. Wir wissen, dass es auch in der Ukraine so angefangen hat. Sie tun erst mal so, als gehe es um den Schutz der nationalen Staatssprache, aber zugleich sollen die Leute Schritt für Schritt begreifen, dass sie künftig kein russisch mehr sprechen werden. Möglicherweise wird auch Wladimir Wladimirowitsch davon unterrichtet. Er wird seinem Kollegen, dem Präsidenten Kirgisiens, entsprechende Hinweise geben.“

Sprachpflege verknüpft mit politischem Auftrag

Solche Töne lassen in ehemaligen Sowjetrepubliken Alarmglocken schrillen. Mit einer ähnlichen Rhetorik schürte und befeuerte Russland 2014 seinen Angriff auf die Ukraine. Russlands Führung behauptet, in der Ukraine Russischsprachige vor angeblichen Faschisten beschützen zu müssen.
Für Russland sind Sprachpflege und politischer Auftrag direkt miteinander verknüpft. So hat Rossotrudnitschestwo - die Föderale Agentur für die Angelegenheiten der GUS, der im Ausland lebenden Mitbürger und der internationalen Beziehungen - nicht nur die Aufgabe, die Kenntnisse der russischen Sprache im Ausland zu pflegen. Sie soll auch eine „positive Wahrnehmung“ Russlands im Ausland festigen und den sogenannten „kulturell-humanitären“ Einfluss Russlands in der Welt stärken. Rossotrudnitschestwo wurde 2008 gegründet, ist dem Außenministerium unterstellt und wurde bisher vom Staat mit einem großzügigen Etat ausgestattet. Das Jahr der russischen Sprache in der GUS 2023 ist ein guter Anlass, um den Einfluss weiter auszubauen. Russland wird im anstehenden Jahr 150 Lehrer in die Schulen in Kirgistan schicken, fast zehn Mal so viel wie 2022. Das berichtet der amerikanische Sender Radio Swoboda.

Beispiel Georgien

Ein Land, das sich von Anfang an stark gegen den Einfluss der russischen Sprache gewehrt hat, ist Georgien. Auch Georgien gehörte viele Jahre zum Russischen Kaiserreich. Nach dessen Zusammenbruch erklärte es sich 1918 für unabhängig, nur um kurz darauf von der Roten Armee besetzt zu werden und erst einmal Teil der Sowjetunion zu sein. In Georgien gelang es in all den Jahren besser als in anderen Sowjetrepubliken, die eigene Sprache zu bewahren. Lasha Bakradze, Leiter des georgischen Literaturmuseums in der Hauptstadt Tiflis, erklärt das damit, dass Georgisch historisch und gesellschaftlich verwurzelter ist als andere Sprachen.
„Georgisch ist eine sehr alte Schriftsprache, genauso wie im benachbarten Armenien. Es war nicht sehr leicht, in der Zarenzeit, auch in der sowjetischen Zeit Georgisch irgendwie sehr stark zu schwächen. Obwohl natürlich, besonders in sowjetischen Zeiten sind viele russische Wörter reingekommen in die georgische Sprache. Und die Parteielite hat auch sehr gerne Russisch hin und wieder benutzt, als Bildungssprache sozusagen miteinander zu sprechen oder einander wenigstens anzusprechen nach russischer Sitte.“
Georgisch ist eine von zirka 40 kaukasischen Sprachen und ist nicht mit dem Russischen verwandt.
„Deswegen würde ich meinen auch, dass es für viele Georgier nicht sehr leicht war, auch Russisch zu erlernen, obwohl das natürlich eine Pflichtgeschichte war in der Sowjetunion. Und im Russischen Reich, alle Schulen waren nur russischsprachig und deswegen schon 1879, damit die georgische Kinder Georgisch lernen konnten, hat man Alphabetisierungsgesellschaft in Georgien gegründet. Und diese auch „Schule der Nation“ genannte Institution hat eine enorme Arbeit geleistet, damit das Georgische nicht untergeht im Russischen Reich.“

Englisch hat Russisch als erste Fremdsprache verdrängt

Bakradze kommt aus einer Dissidentenfamilie. Russisch hat er in der Schule gelernt. Er schätzte die Sprache, eröffnete sie ihm doch den Zugang zu Büchern, die in der Sowjetunion verboten waren. Die waren meist auf Russisch, wurden immer wieder abgeschrieben und unter der Hand weitergereicht.
„Mir war auch sehr klar, dass Russisch Kolonialsprache ist, die Sprache des Imperialismus, auch als Kind. Aber dennoch ist das eine Sprache, ein Kommunikationsmittel.“
Georgien war eine der ersten Republiken, die sich beim Zusammenbruch der Sowjetunion von der Zwangsgemeinschaft losgesagt haben. Als 2003 der westlich orientierte Micheil Saakaschwili an die Macht kam, begann er Englisch als erste Fremdsprache zu fördern, um Georgien vom russischen Einfluss zu emanzipieren. Gerade unter jungen Georgiern hat Englisch Russisch als erste Fremdsprache verdrängt. Ähnlich sei das in den benachbarten ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan:
„Ich habe in letzter Zeit wirklich Erfahrungen gesammelt, dass sehr viele junge Leute dort auch in diesen Ländern auch nicht mehr Russisch sprechen können.“
Junge Leute sitzen am 01.07.2016 in einem Cafe über den Dächern von Tiflis (Georgien).
Junge Leute Menschen in Georgien bevorzugen Englisch als erste Fremdsprache (picture alliance / dpa / Jan Woitas)

Junge Menschen orientieren sich am Westen

Russland hat ein Fünftel des georgischen Staatsgebietes de facto besetzt. Auch deshalb stehen große Teile der Bevölkerung Russland und der russischen Führung ablehnend gegenüber. Außerdem brauchen Georgier Visa, um nach Russland zu reisen. Bakradze, Leiter des georgischen Literaturmuseums:
„Junge Menschen fahren nicht nach Russland und lernen nicht dieses faschistoide Gedankengut in Russland. Sondern fahren nach Westen und schauen die westliche Länder.“
Die russische Führung versucht unermüdlich, auch den kulturellen Emanzipations-Bestrebungen in den ehemaligen Sowjetrepubliken entgegenzuwirken. Bereits 2007 ordnete Präsident Putin die Gründung einer Stiftung „Russische Welt“, „Russkij Mir“ an. Deren Ziel ist es, die russische Sprache und die russische Kultur in der Welt populär zu machen. Die sogenannte russische Welt ist mittlerweile zu einem festen Bestandteil von Putins Politik geworden.

Beispiel Ukraine

Seit Jahren gibt Russland zudem Pässe an Russischsprachige aus, die in von Russland besetzten Gebieten in den Nachbarstaaten leben, und heizt damit die Konflikte mit den ehemaligen Sowjetrepubliken weiter an. In der Ukraine hat Russlands aggressives und expansives Verhalten zum Gegenteil dessen geführt, was Moskau offiziell kundtut: Viele Menschen, die sich zuvor an Russland orientiert haben, stehen heute fest zur ukrainischen Nation.
Kateryna Rietz-Rakul ist promovierte Literaturwissenschaftlerin. Sie ist in Lwiw aufgewachsen, ganz im Westen der Ukraine. Sie ist Übersetzerin, lebt in Berlin und engagiert sich in einem ukrainischen Kulturverein. Lange hat sie Russisch als Ihre Muttersprache angesehen, hat mit ihrer Tochter russisch gesprochen. Als im Winter 2013/14 in der Hauptstadt Kyjiv, besser bekannt unter dem russischen Namen Kiew, Demonstranten Demokratie forderten und Russland alles dafür tat, dass die Ukraine in einem Bürgerkrieg versinkt, änderte sich das:
„Mich hat nicht Majdan dazu bewegt, die Sprache zu wechseln und natürlich auch ja, aber der Haupttrigger war tatsächlich die russische Reaktion auf den Majdan. Und dann habe ich verstanden, dass dieses Weltbild, diese Sprache, diese Kultur mir fremd ist, weil unsere Werte sich im Kern unterscheiden.

Viele Ukrainer wollen kein Russisch mehr sprechen

"Mittlerweile ist die Wahl der Sprache für Ukrainer eine politische Wahl. Wenn du dich heute noch für Russisch entscheidest in der Öffentlichkeit als Ukrainerin, hat es etwas zu sagen über deine politischen Überzeugungen.“
In der Ukraine wurde im Alltag lange sowohl russisch als auch ukrainisch gesprochen, und nur wenige haben sich daran gestört. Das änderte sich, als das Parlament 2012 unter dem an Russland orientierten Präsidenten Wiktor Janukowitsch ein Gesetz verabschiedete, das die russische Sprache in einigen Regionen dem Ukrainischen gleichstellte. Dieses Gesetz wurde 2018 vom ukrainischen Verfassungsgericht annulliert. An seine Stelle trat ein neues Gesetz, das das Ukrainische im öffentlichen Raum gegenüber dem Russischen stärkt.
Seitdem werden in der Ukraine offizielle Dokumente nur noch in ukrainischer Sprache akzeptiert. Printmedien dürfen nur dann in einer anderen Sprache erscheinen, wenn sie gleichzeitig in der Staatssprache gedruckt werden. Die weitaus meisten Menschen im Land verstehen beide Sprachen. Seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine beschließen allerdings immer mehr Ukrainer, kein Russisch mehr zu sprechen, obwohl es ihre Muttersprache ist. Taras Kremin ist Ombudsmann der Regierung für den Schutz der Sprache:
„Russisch ist eine Sprache, die man zu Hause, in Kirchen usw. sprechen kann. Aber die offizielle Sprache in der Ukraine ist Ukrainisch - gemäß der Verfassung der Ukraine, dem Sprachgesetz und den Dokumenten für das Verfassungsgericht der Ukraine.“
Wie stark die ukrainische Sprache und Identität durch Russland gefährdet sind, zeigt sich in den von Russland besetzten Gebieten. Aus den Schulen wird die ukrainische Sprache verbannt. Wer dort ukrainisch spricht, macht sich verdächtig und riskiert, verschleppt oder ermordet zu werden. Literaturwissenschaftlerin Kateryna Rietz-Rakul erinnert sich noch gut, wie minderwertig Ukrainisch in der Sowjetunion angesehen wurde:
„Als ich in der ersten Klasse war, kam ich nach Hause und habe in der Schule erfahren, kurz davor, dass ich kein Ukrainisch lernen muss in der Schule, weil mein Vater Militäroffizier ist. Und dann kam ich nach Hause, eine Stunde früher und habe gesagt: Ich bin früher da, weil ich kein Ukrainisch lernen muss. Es war wahrscheinlich das erste Mal, dass meine Mutter so erbost war mit mir. Dann hat sie gesagt: Was redest du da? Das ist dein Land, dein Volk, deine Kultur. Du gehst bitte schön zurück in die Schule und lernst schön Ukrainisch. Ich muss mit Scham zugeben, dass ich mich als ein etwas besserer Mensch gefühlt habe, dadurch, dass ich russischsprachig war. Wenn du mit der Oberschicht kommunizieren willst oder wenn du der Oberschicht den Herrschenden angehören willst, musst du die Sprache beherrschen, so wie Englisch in Indien oder Russisch in der Sowjetunion. Wir waren ja alle tatsächlich Kolonien von Russland.

Ukraine im Kampf gegen russische Aggression

Während die Ukrainer nicht nur ihr Land, sondern auch ihre Identität und Sprache gegen die russische Aggression verteidigen, wird Georgien, das sich bereits deutlich vom Russischen emanzipiert hat, gerade wegen des Krieges gegen die Ukraine mit der russischen Sprache „überschwemmt“. Zigtausende Russen sind mehrheitlich aus Angst vor einer Einberufung in das kleine Nachbarland gekommen, die genaue Zahl kennt niemand. In jedem Fall seien es zu viele, sagen viele Georgier. Sie fürchten, erneut kolonialisiert zu werden. Lasha Bakradze vom georgischen Literaturmuseum:

„Was, glaube ich, wichtig ist zu erwähnen, dass die Russen ständig versuchen, russisch zu sprechen hier. Das ist eine typische imperialistische Haltung, dass man in der früheren Kolonie erwartet, dass die Bewohner der Kolonie in der Sprache der Metropole sprechen. Ich kenne viele Engländer, Franzosen, Deutsche, die versuchen, Georgisch ein paar Sätze wenigstens zu lernen. Die Russen meistens versuchen nicht mal das. Und das ist sehr unangenehm. Und natürlich ärgert das sehr viele Leute.“

Und es zeigt: Viele, die Russland heute verlassen, verstehen nicht, dass ihre Sprache als Bedrohung wahrgenommen wird – als Bedrohung für die Kultur der Nachbarländer.