"Hier in Litauen komm ich mir vor, wie ein Rentner, der Enten füttert. Frei und unkontrolliert, niemand verfolgt mich. In Russland wurde ich ständig bedroht und hatte immer eine Waffe dabei. Aus Angst, verhaftet zu werden."
Konstantin Rubakhin schiebt seine Sonnenbrille in das halblange blonde Haar und schlendert weiter durch die litauische Hauptstadt Vilnius. Auf der Flucht vor dem russischen Geheimdienst ist der Umweltaktivist vor zwei Jahren in Litauen gestrandet. In Russland galt sein Protest dem Abbau von Nickel und Kupfer in der Schwarzerde Region Woronesch. Ein milliardenschweres Geschäft, bei dem er Verbindungen bis in den Kreml nachweisen konnte. Dann kam der 27. November 2013 an dem Konstantin Rubakhin nur knapp seiner Verhaftung entkommen ist.
"Ich war unterwegs zu einem angeblichen Informanten. Da rief mich ein Freund an und sagte, dass tags zuvor zwei unserer Aktivisten nach einem Treffen mit demselben Mann festgenommen worden seien. Er habe ihnen heimlich Geld zugesteckt, sie stünden jetzt wegen Erpressung vor Gericht.
Kurz darauf warnte mich meine Hausmeisterin. Acht Polizisten hätten das Haus umstellt. Da bin ich untergetaucht. Im Januar hat mich endlich ein litauischer Freund nach Vilnius gelotst."
Unterdrückte Opposotionelle
Konstantin Rubakhin ist einer von rund 50 Oppositionellen, die seit Vladimir Putins zweiter Amtszeit Asyl in Litauen erhalten haben. Diese politischen Flüchtlinge bewiesen, dass die Opposition in Russland unterdrückt werde, sagt der litauische Abgeordnete Arvydas Anushauskas. Und Litauen profitiert von ihnen.
Im Komitee für Nationale Verteidigung erhoffe man sich durch die Flüchtlinge nicht nur Informationen aus dem Kreml, erläutert Anshauskas. Vor allem gehe es darum, Vorbereitungen für die Zeit nach Putin zu treffen.
"Als Litauen noch Sowjetrepublik gewesen ist, haben wir oft in Stockholm die litauische Exilgemeinde getroffen. Und gemeinsam mit ihr und schwedischen Politikern Litauens Zukunft als demokratischer Staat entworfen. Ähnlich wollen wir jetzt die russische Opposition hier in Litauen aufbauen. Es ist doch nicht ausgeschlossen, dass Russland ein demokratischer Staat werden wird."
Nicht nur Putins Russland
Auch Mikahil Maglov hat erlebt, dass russische Oppositionelle in Litauen willkommen sind. Nach den großen Anti-Kreml-Protesten im Mai 2012 war der Aktivist in Russland nicht mehr sicher. In Litauen hat er den sogenannten "Russischen Dialog" gegründet. Eine Veranstaltungsreihe, bei der er Exil-Russen und Litauer zusammenbringt. Mikahil Maglov.
"Ich möchte dass die Litauer verstehen, dass Russland nicht nur "Putin's Russland" ist. Dass sie mehr über uns erfahren, als man in den russischen Propagandakanälen erzählt. Wir sind Nachbarn und müssen miteinander sprechen."
Bereits 1990 hätten Litauer und Russen Seite an Seite gestanden, sagt auch Emanuelis Zingeris. Der litauische Abgeordnete erinnert sich noch sehr lebhaft daran, als sie zu Hunderttausenden auf dem Manegenplatz in Moskau demonstrierten: für Freiheit und Demokratie.
Der erbitterte Gegner Putins
Das stand damals auf einem Transparent, das er mit seinem Freund Boris Nemzov gehalten habe, erzählt Zingeris. Nemzov war jener liberale Politiker, der zum erbitterten Gegner von Putin wurde. Nachdem er Enthüllungen über Moskaus Aktivitäten in der Ostukraine angekündigt hatte, wurde er vor einem Jahr auf offener Straße ermordet. Boris Nemzov habe Angst um sein Leben gehabt und selber politisches Asyl in Litauen beantragen wollen, sagt Emanuelis Zingeris. Jetzt habe er als Abgeordneter durchgesetzt, dass es zumindest eine "Boris Nemzov"- Straße in Vilnius geben wird.
"Wir müssen Europa daran erinnern, dass es in Russland viele Demokraten wie Boris Nemzov gibt. Boris Nemzov hat alles dafür getan, Russland wieder zurück nach Europa zu bringen. Es geht um europäische Werte und gegen die totalitäre Macht des Kreml."
Neugewonnene Freiheit nutzen
Der Umweltaktivist Konstantin Rubakhin hat seinen Spaziergang durch Vilnius beendet. Seine neugewonnene Freiheit in Litauen wolle er jetzt nutzen, um gegen die Korruption rund um den Abbau von Nickel und Kupfer in Russland vorzugehen. Eine erste Verdachtsmeldung hat Konstantin Rubakhin bereits an das Deutsche Bundeskriminalamt geschickt.