Russische Desinformation
Warum spricht Putin von „Nazis“ und „Genozid“?

Russische Staatsmedien stellen den Angriff auf die Ukraine als Befreiungsschlag gegen ein von „Faschisten“ gesteuertes Regime dar. Präsident Wladimir Putin spricht von einem „Genozid“ in den Separatistengebieten und verspricht eine „Entnazifizierung“. Ein Blick auf das russische Propaganda-Vokabular.

Eine Analyse von Thielko Grieß | 26.02.2022
    Der russische Präsident Wladimir Putin betritt einen Raum im Kreml
    Begriffe wie "Entnazifizierung" und "Genozid" fallen im Zusammenhang mit der Ukraine immer wieder (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Alexei Nikolsky)
    In seiner Rede kurz vor dem Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar rechtfertigte der russische Präsident Wladimir Putin den Angriff damit, jene Menschen zu schützen, die vom Kiewer Regime misshandelt und ermordet würden. Die russische Armee werde sich um eine „Entnazifizierung“ der ukrainischen Gebiete bemühen. Wiederholt fällt in diesem Zusammenhang das Wort „Genozid“.
    Zudem exisitiert seit Jahren das russische Narrativ einer „faschistischen“ Regierung in der Ukraine. Alles Begriffe, die ursprünglich mit dem Zweiten Weltkrieg und dem nationalsozialistischen Regime assoziiert werden. Warum bedient sich die russische Propaganda dieses irreführenden Vokabulars?

    Wie wird in Russland über diesen Krieg und diesen Angriff berichtet?

    In den russischen Staatsmedien, die Teil der Propagandamaschine sind, ist nicht von Krieg die Rede, sondern von einer speziellen Militäroperation. Das klingt verharmlosend nach einem chirurgischen Eingriff, nach genauem Targeting und einem zeitlich begrenzten Einsatz. Assoziationen mit Krieg, Blut und Tod werden damit vermieden.

    Mehr zum Thema


    Die Bilder, die durch die russischen Nachrichten gehen, zeigen auch keine Kampfhandlungen, keine Verletzten oder toten Soldaten. Analysen über den Aufenthalt der Truppen oder deren Verluste sucht man vergebens. Berichte gibt es nur über den Erfolg der russischen Armee. Wer sich nur auf den Konsum russischer Nachrichten beschränkt, könnte den falschen Eindruck bekommen, als handle es sich hier um einen sogenannten begrenzten und sauberen Krieg.

    In welchem Zusammenhang fällt der Begriff „Genozid“?

    Bezüglich der Regionen Luhansk und Donezk im Donbass, die Putin am 21. Februar als Volksrepubliken anerkannte, fiel wiederholt der Ausdruck „Genozid“. Russland stell die Behauptung auf, dort geschehe ein Völkermord an Millionen von Menschen – eine Lüge.

    Redaktionell empfohlener externer Inhalt

    Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

    Denn auch vor den Entwicklungen nach dem 21. Februar stand dieses Gebiet unter der Kontrolle der russischen Separatisten. Die Ukraine hatte keinen Zugriff darauf und konnte daher auch keinen Genozid begehen. Hier unterlief der russischen Propaganda ein logischer Fehler.
    Nun, so stellen es russische Staatsmedien dar, sei der Genozid beendet, da sich die Regionen Donezk und Luhansk unter der Kontrolle des russischen Militärs und der Separatisten befinden.

    Was hat es mit den Begriffen „Nazis“ und „Entnazifizierung“ auf sich?

    In Russland kursiert schon seit Jahren die Erzählung des Nazismus, also der Lüge, dass die Ukraine von Nazis regiert werde, weshalb es eine Entnazifizierung geben müsse. Dieses Narrativ hat Wladimir Putin auch in seiner Rede vor dem Einmarsch in die Ukraine verbreitet.
    Karte zeigt die von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhanzk
    Von Separatisten kontrollierte Gebiete Donezk und Luhanzk (picture alliance / dpa-infografik / Deutschlandradio / Andrea Kampmann)
    Diese Bezeichnungen sind mit der Geschichte des Zweiten Weltkrieges und insbesondere mit Deutschland stark verknüpft. Einen Genozid gab es zweifelsfrei, auch Nazis gab es zweifelsfrei. Und auch die Tatsache, dass die Sowjetunion damals mit ihrer Roten Armee einen blutigen Krieg geführt hat, der letztlich erfolgreich war gegen die Nazis, gegen den Faschismus, wie es im Russischen immer heißt, ist erwiesen. Das sind die Bilder, die allen Menschen präsent sind, weil sie in Russland gepflegt werden – und darauf baut es auf.
    Was dort mitschwingt, ist eigentlich das Gegenteil von begrenzter Militäroperation. Denn gegen Nazis hat man in der russischen Erinnerung immer die ganz großen Schlachten geführt. Insofern passt es nicht nicht ganz zusammen, aber diese Behauptung wird weitergeführt.